Eine Gruppe von Menschen sitzt im Kreis und redet miteinander

Ulrich Wagrandl

Video

Unsere liberale Demokratie ist eine großartige Errungenschaft. Doch sie muss sich immer öfter gegen illiberale und antidemokratische Strömungen verteidigen. Die entscheidende Frage ist: Wie können wir das tun, ohne am Ende zu dem zu werden, was wir bekämpfen?

Zu diesem Thema forscht Ulrich Wagrandl, Universitätsassistent am WU Institut für Österreichisches und Europäisches Öffentliches Recht. Er hat sich intensiv mit dem Konzept der wehrhaften Demokratie beschäftigt – und wie es in Österreich und Deutschland nach dem Motto „Nie wieder!“ umgesetzt wurde. Zur wehrhaften Demokratie gehören einerseits präventive Maßnahmen wie Bildung, andererseits Verbote von Versammlungen, Meinungsäußerungen und politischen Parteien.

Doch was soll verboten werden und was müssen wir im Namen der Meinungsfreiheit aushalten? Wie Ulrich Wagrandl die aktuell Lage analysiert und welche Schlüsse er daraus zieht, erfahren Sie in unserem aktuellen „Meet Our Researchers“-Video auf Youtube. Bei einem kurzen Gespräch in seinem Büro erzählt er, was ihn an diesem Thema fasziniert, woran er derzeit forscht – und wie ihn der Campus WU inspiriert.

Foto von Ulrich Wagrandl in seinem Büro

„Meine Arbeit besteht hauptsächlich darin, den ganzen Tag Texte zu lesen und zu schreiben“: Das Erste, was beim Betreten von Ulrich Wagrandls Büro auffällt, sind die Stapel von Büchern, die fast jede freie Fläche in Anspruch nehmen. Kein Wunder – er hat gerade mit seiner Habilitationsschrift begonnen.

Sie haben viel zum Konzept der wehrhaften Demokratie gearbeitet (siehe Video). Wie sind Sie dazu gekommen?

Mit einem Studienfreund habe ich vor vielen Jahren regelmäßig politische Diskussionen über alles Mögliche geführt. Dabei ist irgendwann die Frage aufgekommen, ob man unsere Demokratie mit demokratischen Mitteln abschaffen könnte – und ob man Parteien, die antidemokratische Ziele haben, zulassen oder verbieten sollte. Das Thema hat mich nicht mehr losgelassen. Also habe ich recherchiert, was unsere Verfassung dazu sagt und ob es darüber Literatur gibt. In Deutschland wird diese Frage ja oft diskutiert und sie ist gerade jetzt auch wieder aktuell. Aber für Österreich habe ich dazu nicht viel gefunden. Da war für mich klar: Das Buch, das ich gerne lesen würde, muss ich selbst schreiben.

Was möchten Sie mit Ihrer Forschung bewirken?

Erst einmal will ich die Welt einfach nur besser verstehen. Und hoffentlich kann ich mit meiner Arbeit dann dazu beitragen, dass auch andere sie besser verstehen. Meine Forschung hat oft damit zu tun, sich Grundbegriffe, mit denen alle um sich werfen, genauer anzusehen – der Begriff „Demokratie“ ist da ein gutes Beispiel. Ich frage mich: Wo kommen diese Begriffe her? Und bedeuten sie wirklich das, was man landläufig mit ihnen verbindet? Gerade im juristischen Bereich gibt es davon ja viele.

War das auch der Grund, warum Sie in die Rechtswissenschaften gegangen sind?

Ich bin einer von den Menschen, die schon als Kind Jus studieren wollten. Wie ich darauf gekommen bin? Gute Frage. Wahrscheinlich aus dem Fernsehen, von irgendwelchen Gerichts- und Anwaltsserien. Ich habe nämlich keine Jurist*innen in der Familie oder sonstigen juristischen Background. Aber ja: Ich hatte immer schon ein Interesse an Texten und Sprache. Das ist sicher nützlich, denn meine Arbeit besteht hauptsächlich darin, den ganzen Tag Texte zu lesen und zu schreiben.

Woran forschen Sie derzeit?

Ich arbeite gerade an meiner Habilitationsschrift, die mich für die nächsten Jahre beschäftigen wird. Darin befasse ich mich mit dem Grundrecht der Erwerbs- oder Berufsfreiheit – also dem Recht, unsere Arbeit frei zu wählen. Einerseits ist das eine wichtige Komponente der individuellen Autonomie und Selbstverwirklichung. Andererseits hat dieses Recht auch einen überindividuellen Aspekt: Wenn man den Leuten freistellt, was sie mit ihrer Arbeitskraft und ihrem Kapital tun, dann entstehen der Markt und der Wettbewerb gleichsam spontan. Dadurch schließt unsere Verfassung eine Art Planwirtschaft wie in der Sowjetunion aus. Die Erwerbsfreiheit war historisch auch ein Mittel der Wirtschaftspolitik. Als man sie eingeführt hat, ging es nicht so sehr um Selbstverwirklichung, sondern darum, Wirtschaftswachstum zu fördern und die Macht der Zünfte zu brechen – das war 1867, während der Hochblüte des Liberalismus in Österreich. Und es ist wahrscheinlich kein Zufall, dass dieses Recht seit den 1980er-Jahren und dem Aufkommen des Neoliberalismus eine Renaissance erlebt hat.

Warum arbeiten Sie gerne an der WU?

Ich habe mich hier vom ersten Tag an willkommen gefühlt. Es gibt eine gewisse Kultur, die man hier spürt, bei der Nachwuchsförderung eine große Rolle spielt. An unserem Institut funktioniert die Zusammenarbeit super. Auch den Campus finde ich großartig – wobei ich mir etwas mehr Grün wünschen würde.

Haben Sie einen Lieblingsort auf dem Campus WU?

Ich bin immer wieder beeindruckt, wenn ich ins Gebäude LC gehe und in die Höhe schaue. Jedes Mal aufs Neue denke ich mir: Wow, was für eine coole Eingangshalle!

Foto von Ulrich Wagrandl auf dem Campus WU

Zur Person

Name: Ulrich Wagrandl

Position: Universitätsassistent am WU Institut für Österreichisches und Europäisches Öffentliches Recht

Alter: 32 Jahre

Geboren in: Wien

Aufgewachsen in: Wien

An der WU seit: 2020