Eine Gruppe von Menschen sitzt im Kreis und redet miteinander

Anita Zednik & Ben Greiner

Wie sinn­voll wäre es, bei Wah­len eine Op­ti­on „Keine von denen“ auf dem Stimm­zet­tel an­zu­bie­ten? Mit Fra­gen wie die­sen be­schäf­ti­gen sich Anita Zed­nik und Ben Grei­ner vom WU In­sti­tu­te for Mar­kets and Stra­te­gy.

Video

Wäh­len zu gehen ist die beste und wich­tigs­te Mög­lich­keit der Teil­nah­me in einer De­mo­kra­tie. Doch was ist, wenn einem keine*r der Kan­di­dat*innen auch nur an­satz­wei­se zu­sagt?

Statt den Stimm­zet­tel leer zu las­sen oder ein­fach gar nicht zur Wahl gehen, haben Un­ent­schlos­se­ne und Po­li­tik­ver­dros­se­ne in man­chen Län­dern noch eine wei­te­re Mög­lich­keit: Sie kön­nen „keine von denen“ bzw. „none of the above“ an­kreu­zen. So eine Op­ti­on gibt es etwa in In­di­en oder Ko­lum­bi­en.

Anita Zed­nik und Ben Grei­ner haben sich ge­fragt, wie so eine Wahl­mög­lich­keit das Er­geb­nis be­ein­flus­sen würde. Dafür haben sie ein mehr­stu­fi­ges Stu­di­en­de­sign ent­wi­ckelt und zwei be­son­ders kon­tro­ver­si­el­le Volks­ent­schei­de unter die Lupe ge­nom­men: die Prä­si­dent­schafts­wah­len 2016 in Ös­ter­reich und den USA, bei denen Alex­an­der van der Bel­len be­zie­hungs­wei­se Do­nald Trump ge­wan­nen.

In bei­den Län­dern zeig­te sich, dass eine Op­ti­on „keine von denen“ viele Pro­test­stim­men ka­na­li­siert hätte. Doch ein an­schlie­ßen­des Ex­pe­ri­ment zeig­te, dass sich dar­aus auch Nach­tei­le er­ge­ben könn­ten: Wenn Pro­test­kan­di­dat*innen durch eine Op­ti­on „keine von denen“ we­ni­ger Stim­men er­hal­ten, würde das vor allem die eta­blier­ten Par­tei­en stär­ken – und diese hät­ten noch we­ni­ger An­reiz, auf die Kri­tik der Pro­test­wäh­ler*innen ein­zu­ge­hen.

Soll­ten wir also eine Op­ti­on „keine von denen“ auf dem Stimm­zet­tel ein­füh­ren? Im Video geben Anita Zed­nik und Ben Grei­ner Ar­gu­men­te dafür und da­ge­gen – und spre­chen sich für wei­te­re For­schung aus. In einem Ge­spräch an ihrem In­sti­tut haben sie uns au­ßer­dem er­zählt, wie sie zu ihren For­schungs­the­men kom­men und an wel­chen wei­te­ren span­nen­den Pro­jek­ten sie ge­ra­de ar­bei­ten.

Foto von Anita Zednik und Ben Greiner mit Campus WU im Hintergrund

Blick über den Cam­pus: zu Be­such bei Anita Zed­nik und Ben Grei­ner im In­sti­tu­te for Mar­kets and Stra­te­gy – hoch oben im Ge­bäu­de D5.

Sie haben sich ge­mein­sam mit der Frage be­schäf­tigt, wel­chen Sinn eine Op­ti­on „Keine von denen“ bei Wah­len hätte. Wie sind Sie zu die­sem Thema ge­kom­men?

Ben Grei­ner: Bevor ich an die WU ge­kom­men bin, war ich an einer aus­tra­li­schen Uni tätig. Dort ist uns auf­ge­fal­len, dass in Aus­tra­li­en sehr viele Men­schen un­gül­tig wäh­len – vier Pro­zent un­gül­ti­ge Stim­men sind da keine Sel­ten­heit. In Groß­bri­tan­ni­en, das ein sehr ähn­li­ches Wahl­sys­tem hat, sind es nur etwa 0,2 Pro­zent. Der große Un­ter­schied zwi­schen die­sen Län­dern ist: Aus­tra­li­en hat eine Wahl­pflicht, Groß­bri­tan­ni­en nicht. Das hat uns zu der Hy­po­the­se ge­führt, dass das viel­leicht un­in­for­mier­te Leute sind, die aber wäh­len gehen müs­sen – und dann eben un­gül­tig wäh­len.

Anita Zed­nik: Die zwei­te An­nah­me war, dass Pro­test­mo­ti­ve eine große Rolle spie­len – also dass man es „denen da oben“ zei­gen will. Das war ja 2016 bei der Wahl von Do­nald Trump schon sehr ak­tu­ell. Darum lag die Idee nahe, dass eine NOTA-​Option viel­leicht diese Pro­test­stim­men ka­na­li­sie­ren könn­te.

Ben Grei­ner: Durch un­se­re For­schung haben wir her­aus­ge­fun­den, dass die­ses Pro­test­mo­tiv tat­säch­lich ent­schei­dend ist. Un­in­for­miert­heit spiel­te da­ge­gen in den be­trach­te­ten Wah­len in den USA und in Ös­ter­reich keine schla­gen­de Rolle dafür, die NOTA-​Option zu wäh­len – wir haben durch un­se­re Ex­pe­ri­men­te also keine Evi­denz für un­se­re ur­sprüng­li­che Hy­po­the­se ge­fun­den!

Portraitfoto von Ben Greiner

Ben Grei­ner über seine For­schungs­in­ter­es­sen: „Oft ist es die per­sön­li­che Er­fah­rung, die uns zu einem be­stimm­ten For­schungs­the­ma bringt.“

Wenn man Ihre Pu­bli­ka­tio­nen durch­sieht, fällt eine enor­me Viel­falt an The­men auf. Gibt es hier einen ge­mein­sa­men Nen­ner – und wie wür­den Sie ihn be­schrei­ben?

Anita Zed­nik: Hier am In­sti­tu­te for Mar­kets and Stra­te­gy in­ter­es­sie­ren wir uns für alles, was mit stra­te­gi­schen In­ter­ak­tio­nen zu tun hat. Und stra­te­gi­sches Ver­hal­ten gibt es über­all, nicht nur in der Wirt­schaft.  

Ben Grei­ner: Al­ler­dings ist die Me­tho­de ein ge­mein­sa­mer Nen­ner: Wir for­schen zum gro­ßen Teil ex­pe­ri­men­tell, aber dann auch oft kom­bi­niert mit em­pi­ri­schen Daten oder Si­mu­la­tio­nen. Uns in­ter­es­sie­ren The­men, die nicht nur im aka­de­mi­schen Kon­text in­ter­es­sant sind, son­dern auch einen Im­pact im ech­ten Leben haben. Oft ist es die per­sön­li­che Er­fah­rung, die uns zu einem be­stimm­ten For­schungs­the­ma bringt. Ich habe zum Bei­spiel zu Ebay ge­forscht, weil ich per­sön­lich mit Ebay zu tun hatte und mich ge­fragt habe, wie die Men­schen sich dort ver­hal­ten.

Anita Zed­nik: Wir hat­ten auch ein Pro­jekt, bei dem wir un­ter­sucht haben, nach wel­chen Stra­te­gien El­tern die Volks­schu­le für ihre Kin­der aus­wäh­len. Auch das war durch un­se­re per­sön­li­chen Er­fah­run­gen mit die­ser Frage in­spi­riert – wir sind El­tern, und un­se­re ei­ge­nen Kin­der sind durch den Pro­zess der Schul­an­mel­dung ge­gan­gen. Wenn uns ein Thema pri­vat sehr be­schäf­tigt, ist das meis­tens ein guter In­di­ka­tor dafür, dass es auch für an­de­re Men­schen re­le­vant ist.

Und womit be­schäf­ti­gen Sie sich der­zeit in Ihrer For­schung?

Anita Zed­nik: Wie ge­ra­de er­wähnt, ar­bei­ten wir schon län­ger an einem Pro­jekt zur Zu­tei­lung von Kin­dern in Wie­ner Volks­schu­len, für das ich Mel­de­da­ten ana­ly­siert habe. Dort hat sich ge­zeigt, dass El­tern sich stra­te­gisch ver­hal­ten, um ihr Kind an die ge­wünsch­te Schu­le zu be­kom­men. Etwa indem sie in der Schu­le oder im Stadt­schul­rat in­ter­ve­nie­ren – oder sogar ihren Wohn­sitz kurz­fris­tig um­mel­den. Die­ses Ver­hal­ten hat aber ne­ga­ti­ve Ef­fek­te auf Fa­mi­li­en, die sich nicht so ver­hal­ten, und auch auf die Ef­fi­zi­enz des ge­sam­ten Schul­sys­tems.

Ben Grei­ner: Der­zeit ar­bei­ten wir au­ßer­dem an einem ver­wand­ten Pro­jekt, bei dem wir ver­su­chen, die Zu­tei­lung von WU-​Studierenden zu Spe­zia­li­sie­run­gen zu ver­bes­sern. Wir ma­chen ge­ra­de eine em­pi­ri­sche Da­ten­ana­ly­se, um her­aus­zu­fin­den, wo man hier an­set­zen könn­te.

Portraitfoto von Anita Zednik

Anita Zed­nik über ihr In­sti­tut: „Ich schät­ze die Lage am Pra­ter und die At­mo­sphä­re bei uns am In­sti­tut: Es ist ein­fach ein schö­ner Ort um zu Ar­bei­ten.“

Was schät­zen Sie an der WU als Ar­beits­platz?

Ben Grei­ner: Die Frei­heit, die man in der For­schung hat – und dass es für alles eine Ni­sche gibt. Ich war immer über­rascht, wie di­vers die An­sät­ze hier sind, so­wohl me­tho­disch als auch the­ma­tisch. Und ich muss sagen: Auch die Ver­wal­tung ist er­staun­lich ef­fi­zi­ent im Ver­gleich zu an­de­ren Unis.

Anita Zed­nik: Ich schät­ze die Lage am Pra­ter und die At­mo­sphä­re bei uns am In­sti­tut: Es ist ein­fach ein schö­ner Ort um zu Ar­bei­ten. Auch die In­ter­na­tio­na­li­tät der Stu­die­ren­den finde ich in­spi­rie­rend.

Haben Sie einen Lieb­lings­ort auf dem Cam­pus WU?

Ben Grei­ner: Ganz klar – mein Büro. Ich habe von hier eine sen­sa­tio­nel­le Aus­sicht auf den Cam­pus.

Anita Zed­nik: Ich gehe gern über den Cam­pus spa­zie­ren. Ich be­ob­ach­te gerne wie sich die ver­schie­de­nen Grä­ser und an­de­ren Pflan­zen im Jah­res­ver­lauf ver­än­dern und wie die mo­der­ne Ar­chi­tek­tur und der alte Au­en­wald zu­sam­men­wir­ken.