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Betriebsrat für das wissenschaftliche Personal

Sonderarbeitsrecht im Universitätsgesetz

Arbeitsrecht

Das Universitätsgesetz (UG) sieht u.a. in Bezug auf Befristungsmöglichkeiten von Arbeitsverträgen weitreichende Sonderregelungen gegenüber dem sonstigen Arbeitsrecht vor. Dieses Sonderrecht ermöglicht erst die im Vergleich zu anderen Branchen unüblich hohe Zahl an befristeten Arbeitsverhältnissen an Universitäten von aktuell rund 80%. Das UG gibt Universitäten nämlich das Recht, befristete Arbeitsverträge wiederholt und über einen Zeitraum von bis zu zwölf Jahren (in Einzelfällen sogar bis zu 18 Jahren) abzuschließen, ohne dass damit ein unbefristetes Arbeitsverhältnis begründet wird. Dabei handelt es sich aber bloß um eine Möglichkeit und keinesfalls um eine Verpflichtung Mitarbeitende standardmäßig befristet anzustellen. Im Lichte der Überlegungen zu Karrieremodellen an Universitäten und der Kritik am hohen Anteil prekärer Arbeitsverhältnisse, stellt sich auch die Frage nach der Begründung und Notwendigkeit dieses Sonderrechts. An der WU fand dazu am 27. April 2023 eine von Vize-Rektor (VR) Michael Lang, der Rechtsabteilung der WU und der Anwaltskanzlei CMS organisierte Tagung statt.

Eingeleitet wurde die Tagung mit einer Keynote von VR Lang unter dem Titel „Notwendigkeit und Rechtfertigung eines Sonderarbeitsrechts für Universitäten.“ Darin gab VR Lang zwei Gründe für befristete Stellen an, nämlich Generationengerechtigkeit und Raum für neue Impulse. Ähnlich hat er bereits in seinem Gastkommentar im Standard am 23. März 2023 argumentiert. Generationengerechtigkeit wäre aber wohl in jeder Branche und Personalkategorie wünschenswert und sinnvoll. Neue Impulse sind nicht nur an Universitäten, sondern auch in vielen anderen Branchen und Unternehmen für deren Fortbestand und Erfolg zwingend erforderlich. Dennoch kennt kaum eine andere Branche in Österreich oder auch in der EU ein so hohes Maß an befristeten Beschäftigungen wie jene der Universitäten. Ein Blick in die Statistiken weist im Jahr 2021 aus, dass rund 6 % aller in Österreich unselbständig Beschäftigten befristete Verträge hatten. Im EU-Schnitt waren es im selben Zeitraum um die 10 %, wobei in speziellen Bereichen, wie der Landwirtschaft, Kunst-, Unterhaltungs- und Freizeitbranche bzw. im Gastgewerbe auch schon einmal zwischen 20 und 30 % aller Beschäftigten befristet sein können. Für die Branche Universität geben die österreichischen Erhebungen allerdings ganz andere Zahlen her. So weist der Universitätsbericht 2020 beim wissenschaftlichen Personal eine Befristungsquote von rund 79 % aus. Diese hohe Anzahl an Befristungen wird aber selbst im österreichischen Universitätssystem nicht in allen Personalkategorien angewendet, sondern vor allem nur in jenen, die unterhalb der Professor*innen angesiedelt sind. Warum führen die Argumente Generationengerechtigkeit und Raum für neue Impulse nicht auch dort zu einer Mehrheit an befristeten Verträgen? Schaffen Universitäten die Herstellung dieser Ziele auf Professor*innen-Ebene auf andere Weise? Falls dem so ist, warum wird dies nicht auch bei allen anderen Personalkategorien angewendet und auf Befristungen verzichtet? Generell stellt sich die Frage, ob die genannten Ziele („Generationsgerechtigkeit“, „Impulskraft“) im Lichte der vorhandenen, typischen Personalfluktuation im internationalen Wissenschaftsbetrieb nicht auch durch gelindere Mittel, wie eine aktive und nachhaltige Personalplanung, erreicht werden können.

Dabei sollten auch die negativen Auswirkungen des Sonderrechts betrachtet werden. Mag. Jöchtl von der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD) wies in seinem Tagungsbeitrag u.a. auf die sozialen Implikationen für Betroffene und die Selektion des wissenschaftlichen Nachwuchses auf Basis von sozioökonomischen Kriterien bzw. der Risikoeinstellung der Betroffenen hin, die wesentliche Folgen des Sonderrechts sind. Kurz gesagt, aufgrund dieses Sonderrechts muss man sich eine wissenschaftliche Karriere erst einmal leisten können. Darüber hinaus sind Mitarbeiter*innen in befristeten Arbeitsverhältnissen, die auf einen weiteren Arbeitsvertrag an ihrer Universität hoffen, stark von ihren unmittelbaren Dienstvorgesetzten abhängig. Diese Abhängigkeit hemmt wohl eher die Innovationskraft, die eigentlich gefördert werden soll. Zusätzlich können persönliche Abhängigkeiten im Arbeitsleben zu vielfältigen Problemen und Konflikten führen. All diese negativen Auswirkungen müssen auch im Lichte der gesellschaftlichen Verantwortung einer Universität bei der Bewertung des Sonderrechts berücksichtigt werden.

Immer wieder wird im Zusammenhang mit dem Sonderrecht des UG auch von einer befürchteten „Versteinerung“ der Universitäten gesprochen. Würde sich diese insbesondere in der derzeitigen Lage des Arbeitsmarktes tatsächlich ergeben? Einerseits wird bei der Kritik am Sonderrecht des UG nicht gefordert, dass an Universitäten nur noch unbefristete Verträge vergeben werden sollen. Andererseits ist auch auf unbefristeten Stellen von einer laufenden Fluktuation auszugehen, die sich bereits bei QV-Stellen an der WU beobachten lässt. Dazu wurde in der Vergangenheit immer wieder thematisiert, wie Universitäten exzellente Mitarbeiter*innen in allen Personalkategorien finden und halten können werden. Wohl auch aus dieser Überlegung heraus hat sich die WU das Karrieremodell „Full Professorship“ gegeben (siehe dazu unseren Beitrag in dieser Newsletter-Ausgabe), wenngleich dieses auch nur eine kleine Gruppe betreffen wird. Eine umfassende Attraktivierung und einen systematischen Rückbau von Befristungen in der wissenschaftlichen Arbeit an der WU für alle Personalkategorien ersetzt dieses nicht.

Ein weiterer interessanter Vortrag auf der genannten Tagung behandelte das Thema Arbeitszeit an Universitäten. Professorin Auer-Mayer vom Institut für Österreichisches und Europäisches Arbeitsrecht und Sozialrecht ging dabei insbesondere auf die für Wissenschaftler*innen bestehenden Sonderregelungen im Bereich des Arbeitszeitrechts ein, wobei sie unter anderem Fragen zum erlaubten Ausmaß von Arbeitszeit, zur Festlegung der Lage der Arbeitszeit sowie bezüglich eventuell zusätzlich zustehender Entgeltansprüche thematisierte.

Ganz grundsätzlich wurde dabei festgehalten, dass selbst dann, wenn im Rahmen der wissenschaftlichen Tätigkeit auch private Interessen bzw. Interessen von Dritten verfolgt werden, wie etwa bei Vortrags- und Publikationstätigkeiten, davon ausgegangen werden muss, dass es sich dabei um geleistete Arbeitszeit handelt. Bezüglich der Grenzen und der Lage der Arbeitszeit für Wissenschaftler*innen führte Professorin Auer-Mayer aus, dass die Normalarbeitszeit grundsätzlich 40 Stunden pro Woche beträgt, allen wissenschaftlichen Mitarbeitenden grundsätzlich das Recht der freien Zeiteinteilung zukommt und nur bei wichtigen dienstlichen Gründen ein Recht auf Seiten der Arbeitgeberin besteht, eine bestimmte Arbeitszeit anzuweisen. Selbst in diesem Fall müssen aber wichtige Interessen auf Seiten der Mitarbeitenden beachtet werden, wie z.B. Kinderbetreuungspflichten. Samstage, Sonntage und Feiertage sind grundsätzlich dienstfrei zu halten. Mitarbeitende können Leistungen, die außerhalb der vereinbarten Arbeitszeiten oder außerhalb der vom Universitäten-Kollektivvertrag vorgegebenen Grenzen (Wochenende, Feiertag, Lehre nach 21 Uhr, etc.) verlangt werden, genauso ablehnen, wie Arbeitsleistungen durch die die Höchstarbeitszeiten überschritten werden. Diese betragen 13 Stunden pro Tag bzw. 60 Stunden pro Woche, wobei durchschnittlich max. 48 Stunden pro Woche innerhalb von zwölf Monaten erlaubt sind. Bei Teilzeitbeschäftigung ist die max. zulässige Mehrarbeit außerdem mit 10% des vereinbarten Beschäftigungsausmaßes begrenzt.

Wird mehr als die Normalarbeitszeit geleistet, erfolgt der Ausgleich (bei Vollzeitanstellung auf 40 nicht auf 48 Stunden!) durch Zeitausgleich. Und auch bei vereinbarter Teilzeitbeschäftigung erfolgt der Ausgleich auf die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit. Werden die im Kollektivvertrag genannten Grenzen für die maximale Lehre pro Semester überschritten (z.B. in der Gehaltsstufe B1 01 max. 2 SWS, ab B1 02 max. 4 SWS), gebührt ein zusätzliches Entgelt, da diese Mehrleistungen dann nicht mehr vom All-In-Gehalt abgegolten sind. Dies sieht die WU in Form der diversen Lehrzulagen auch vor, wobei deren Valorisierung aus Sicht des wissBR dringend erforderlich ist (siehe dazu bereits unseren Beitrag im letzten Newsletter).

Festgehalten wurde letztlich, dass es für das wissenschaftliche Personal sehr wohl Arbeitszeitgrenzen zu beachten gibt. Eine gänzliche Ausnahme aus dem Arbeitszeitschutz kann nur bei jenen Universitätsangehörigen angenommen werden, die als leitende Angestellte im Sinne des Arbeitszeitrechts gelten. Davon kann allerdings nur bei Rektoratsmitgliedern, Dekanen und u.U. auch Departmentvorständ*innen ausgegangen werden.

22.05.2023

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