Betriebsrat für das wissenschaftliche Personal
Karrieremodelle in der Wissenschaft und an der WU im Überblick
Der März 2023 wurde vom „Netzwerk Unterbau Wissenschaft“ (NUWiss) zum Aktionsmonat an österreichischen Universitäten ausgerufen. Ausgangspunkt für diesen Aktionsmonat ist eine Universitäts-Arbeitswelt, die - insbesondere im wissenschaftlichen Bereich - von prekären Beschäftigungsmodellen geprägt ist (konkret von befristeter Teilzeitbeschäftigung). So sind derzeit auch an der WU rund 80% der wissenschaftlichen Mitarbeitenden im Rahmen von befristeten Arbeitsverträgen beschäftigt, und mehr als 70% befinden sich in einer Teilzeitbeschäftigung. Die Situation an den anderen österreichischen Universitäten ist ähnlich. Die Hauptforderung der NUWiss ist daher die verstärkte Anwendung durchgängiger Karrieremodelle, die auch bei wissenschaftlichen Beschäftigten an Universitäten zu unbefristeten Arbeitsverträgen führen. Aus Sicht des Betriebsrats für das wissenschaftliche Personal an der WU bräuchte es durchgängige, planbare und transparente Karrieremodelle, bei denen jene Wissenschaftler*innen, die eine entsprechende Leistung erbringen, auch bis in die höchste Verwendungsgruppe aufsteigen können bzw. mit dieser völlig gleichgestellt sind. Nach Gehaltsstufen im Kollektivvertrag (KV) wäre das A1, nach Personalgruppen im Universitätsgesetz (UG) wären das die Universitätsprofessor*innen.
Was tut sich dazu an der WU?
Karrieremodelle gibt es im Postdoc-Bereich im Rahmen einer Entwicklungsvereinbarung (EV) oder einer Qualifizierungsvereinbarung (QV). Zu den Unterschieden und den aus Sicht des wissBR bestehenden Kritikpunkten im Rahmen dieses WU-Modells haben wir uns bereits an anderer Stelle geäußert (siehe dazu hier).
Für einen kleinen Teil dieser Gruppe wurde an der WU zuletzt ein weiterer Schritt gesetzt, indem ein so genanntes „Full Professorship“ Modell entwickelt wurde. Dabei handelt es sich wiederum (so wie auch schon bei der EV) um eine Eigenentwicklung der WU, die nicht im Universitätsgesetz (UG) oder Kollektivvertrag (KV) vorgesehen ist. Im Kern geht es hierbei um eine „aufgewertete“ Variante des QV-Modells. Eine genaue Darstellung dieses neuen Modells geben wir in diesem Newsletter in einem eigenen Beitrag. Diese Eigenentwicklungen der WU (EV, QV) erfüllen die Kriterien des Betriebsrats für die anzustrebenden Karrieremodelle bisher nicht. Weder ist eine beidseitige Durchlässigkeit gegeben, noch erfolgt am Ende dieser Karriereleitern eine vollständige organisations- und arbeitsrechtliche Gleichstellung (etwa beim Gehalt). Gleichzeitig sind diese Modelle (QV, „Full Professorship“) durch formalisierte Evaluierungsmechanismen ausgezeichnet, die es so für Berufungen oder die fünfjährigen Evaluierungen von Universitätsprofessor*innen nicht gibt. Zudem ist eine große Beschäftigtengruppe an der WU von diesem Karriereweg ausgeschlossen (siehe dazu unten).
Welche Alternativen würde das UG ermöglichen? Und was wäre notwendig, um die Forderungen nach durchgängigen, planbaren und transparenten Karrieremodellen zu erfüllen?
Beim Erreichen der Qualifizierung eines „QV neu“-Vertrages (Unterzeichnung des Arbeitsvertrags nach dem 1. Oktober 2016) erfolgt organisationsrechtlich schon kraft UG eine Gleichstellung mit Universitätsprofessor*innen. Die derzeitige Diskrepanz liegt darin, dass der KV diese Gleichstellung nicht nachvollzogen hat. Es bräuchte daher eine zusätzliche Regelung im KV, die eine Überleitung in die Gehaltsgruppe A1 und die Verwendungsgruppe der Universitätsprofessor*innen und somit auch eine arbeitsrechtliche Gleichstellung ermöglicht. Das könnte der Schlussstein eines durchgängigen Karrieremodells sein. Das „Full Professorship“ Modell hingegen führt zu keiner vollständigen arbeitsrechtlichen Gleichstellung.
Das UG sieht darüber hinaus im § 99 Abs 4 einen weiteren Karriereweg in die Gruppe der Universitätsprofessor*innen vor. Dieser steht im Gegensatz zum „Full Professorship“ Modell neben den „QV neu“-Mitarbeiter*innen auch den assoziierten Professor*innen mit „QV alt“ (Unterzeichnung des Arbeitsvertrags vor dem 1. Oktober 2016) sowie den beamteten außerordentlichen Professor*innen offen und wird auch vom Ministerium als „Schlussstein eines durchgängigen Karrieremodells an österreichischen Universitäten“ bezeichnet. Dieses Modell ist zwar mit einer kompetitiven Ausschreibung verbunden, hat aber den Vorteil, dass Personen in einem vereinfachten Verfahren zu Universitätsprofessor*innen berufen werden können und danach völlig gleichgestellt sind. Aktuell wurden bereits an 17 der 22 österreichischen Universitäten Mitarbeiter*innen über diesen zusätzlichen Karriereweg berufen. Das Rektorat der WU stand einer Nutzung von § 99 Abs 4 UG seit Einführung dieser Möglichkeit mit der UG-Novelle 2015 zurückhaltend gegenüber. Dennoch war bisher im Entwicklungsplan vorgesehen, diese Möglichkeit nach der laufenden Leistungsvereinbarungsperiode zu nutzen. Im Rahmen der Aufnahme des „Full Professorship“ Modells in den aktualisierten Entwicklungsplan findet sich darin nunmehr keine Bezugnahme auf § 99 Abs 4 UG (obwohl diese beiden Modelle parallel eingesetzt werden können). Aus Sicht des wissBR ist dies sehr bedauerlich und ein Rückschritt. Nicht nur, weil die wichtigen Gruppen der assoziierten Professor*innen mit „QV alt“ und der außerordentlichen Professor*innen dadurch an der WU überhaupt kein Karrieremodell angeboten bekommen, sondern weil dadurch auch Mitarbeiter*innen mit „QV neu“ die Möglichkeit einer völligen Gleichstellung mit berufenen Universitätsprofessor*innen verwehrt bleibt (das „Full Professorship“ Modell erreicht das nicht!).
Weiters muss man darauf hinweisen, dass aus den eingangs erwähnten Forderungen der NUWiss hervorgeht, dass wissenschaftliche Mitarbeiter*innen nicht nur Karrieremodelle anstreben, die in die höchste Verwendungsgruppe führen. Es sollen auch Karrieremodelle auf anderer Ebene und bezüglich anderer Tätigkeitsprofile, wie Senior Scientists oder Senior Lecturers, angeboten werden. Auch für solche Modelle sind Durchgängigkeit, Planbarkeit und Transparenz die wesentlichen Kriterien, die für eine hohe Akzeptanz und eine Verbesserung der Arbeitssituation notwendig wären. Zusätzlich wäre aber bei Vergleich der Lebenseinkommen dieser im Uni-Kollektivvertrag in B1 eingestuften Stellen bspw. mit AHS-Lehrer*innen, eine Attraktivierung der Vergütung angebracht.
Senior-Scientist-Positionen werden laut Personalentwicklungsplan der WU für Mitarbeitende vorgesehen, die „für eine nicht nur vorübergehende wissenschaftliche Verwendung aufgenommen werden.“ Insbesondere werden an dieser Stelle Mitarbeitende erwähnt, die an Drittmittelprojekten arbeiten und die aufgrund der dauerhaften Verwendung unbefristete Arbeitsverträge erhalten sollen. Darüber hinaus spricht der Personalentwicklungsplan auch die Möglichkeit der Schaffung einer Karriereperspektive im Rahmen des unbefristeten Senior Scientist Vertrags an. Bisher gibt es an der WU dennoch kein Karrieremodell, um ein unbefristetes Arbeitsverhältnis als Senior Scientist zu erhalten und auch keine Entwicklungsmöglichkeiten innerhalb der vorhandenen Beschäftigungsverhältnisse. Hier wäre eine Umsetzung der im Personalentwicklungsplan angesprochenen Maßnahmen sehr wünschenswert.
Bei den Senior-Lecturer-Positionen werden zumindest die Postdoc-Stellen im Personalentwicklungsplan als Laufbahnstellen („tenure track“) geführt. In der Vergangenheit wurden diese Postdoc-Stellen daher auch bereits in der Ausschreibung explizit als Laufbahnstellen ausgewiesen. Von dieser Praxis hat sich die WU allerdings verabschiedet und schreibt diese Stellen – laut Auskunft aus dem Rektorat aus „Transparenzgründen“ – nun ohne einen Hinweis auf Entfristungsmöglichkeit aus. Für beide Tätigkeitsprofile, Senior Scientist und Senior Lecturer, gibt es daher in Bezug auf die oben genannten Kriterien Durchgängigkeit, Planbarkeit und Transparenz deutlichen Verbesserungsbedarf an der WU. Darüber hinaus sollten aber auch weitere Entwicklungsangebote innerhalb der Beschäftigungsverhältnisse vorgesehen werden.
Im Kontext von Verbesserungen prekärer Beschäftigungsverhältnisse ist zusätzlich auch das Beschäftigungsausmaß eine wesentliche Stellschraube. Mit der Einführung des Kollektivvertrags 2009 wurde an österreichischen Universitäten von der Praxis abgegangen Praedoc-Stellen als Vollzeitstellen auszuschreiben. Bis dahin war es an der WU üblich in Arbeitsverträgen maximal 20 Stunden für Arbeiten für die Universität bzw. das Institut und die restliche Arbeitszeit, also mindestens 20 Stunden für die eigene Dissertation vorzusehen. Seit 2009 wurde die im Arbeitsvertrag exklusiv vorgesehene Zeit für die Dissertation auf 10 Stunden reduziert und werden Stellen nur noch mit 30 Stunden ausgeschrieben. Eine Rückkehr zu Vollzeitstellen würde die Prekarität der größten Gruppe im wissenschaftlichen Personal zumindest mit Bezug auf die Beschäftigungsdauer abmildern.
22.05.2023