Kongress in Basel
1. Internationaler freiwirtschaftlicher Kongress in Basel 1923
Als soziale Bewegung war die Freiwirtschaft von Beginn an international ausgerichtet. Die Abbildung oben zeigt in der ersten Reihe (v. l. n. r.) Fritz Trefzer, Johanna Gesell, Silvio Gesell, Fritz Bartels und H. J. Tuerke. Hinter Johanna, der Tochter Silvio Gesells, erkennbar (in weißer Bluse): Berta Heimberg. Sie sollte 1930 die Grabrede für Silvio Gesell halten. Während der NS-Zeit verfolgt, musste Heimberg in England Zuflucht suchen. 1948 kehrte sie nach Deutschland zurück und wirkte weiter im Sinne der Freiwirtschaftslehre.
(Bildquelle: Sonderdruck o. J., Pierre Ramus-Archiv, Wien)
Die Durchsetzung freiwirtschaftlicher Reformen sollte in der Vorstellungswelt Gesells und seiner Anhängerschaft auf möglichst breiter Ebene erfolgen. Zielsetzung war nicht die ökonomische Besserstellung eines einzelnen nationalen Gebildes, sondern die Anwendung des freiwirtschaftlichen Instrumentariums innerhalb von Länderzusammenschlüssen. Im Kern zeichnete sich die Freiwirtschaft durch ihre internationale Orientierung und durch ihre pazifistischen Bestrebungen aus. Als während der 1930er Jahre bereits die Weichen in die Richtung eines neuen Krieges gestellt wurden, war in einer in Wien erschienenen freiwirtschaftlichen Broschüre zu lesen: „Die Verwirklichung der Freiwirtschaft kann nur auf dem Wege der Aufklärung gewaltlos vor sich gehen, denn die Zahl der Gegner des allgemeinen Wohlstandes ist sehr klein. Kennt einmal die Allgemeinheit die Freiwirtschaft und versteht sie auch, dann ist die Entscheidung, die letzte Politik gekommen. … Lernen wir volkswirtschaftlich denken, begreifen wir die Freiwirtschaft und werben wir für sie! Sie bedeutet den einzigen Weg zur dauernden Wirtschaftsblüte und darüber hinaus den ungehemmten Fortschritt des menschlichen Geistes. Sie ist der einzige Weg ohne Krieg und ohne Blut!“ (Bruno Wichtel: FFF löst die soziale Frage, Wien ~1936, 16) Frühzeitig bemühten sich freiwirtschaftliche Länderorganisationen um eine grenzüberschreitende Kooperation. Die verschiedenen Freigeld-Initiativen auf regionaler Ebene während der Weltwirtschaftskrise deuten auf eine rasche Verbreitung freiwirtschaftlichen Gedankengutes hin. Den ersten praktischen Versuch mit umlaufgesichertem Gelde leitete die Wära-Tauschgesellschaft im deutschen Erfurt 1929 ein. Unter Beteiligung verschiedener Betriebe und Einzelpersonen gelang es in kleinem Rahmen, den deflationären Prozess zu durchbrechen und einige Impulse zur Wirtschaftsbelebung zu setzen. In Frankreich und in Spanien, wo die Ideenwelt Pierre-Joseph Proudhons besonders nachhaltig wirkte, wurde über neuartige Formen der Geldschöpfung ebenfalls breit diskutiert. Die in Paris ansässige Tauschgesellschaft Mutuelle national d’échange begann 1933 mit der Ausgabe von Valor-Scheinen. Das im Raume Puerto de la Selva im Nordosten der Iberischen Halbinsel 1935 in Verkehr gesetzte „Dinero libre“ bildete einen Vorläufer zu verschiedenen Regionalgeldern, die während der Spanischen Revolution 1936 bis 1939 emittiert wurden. Selten funktionierten die Freigeld-Experimente ohne innere Widersprüche, doch wurde das Ende in den meisten Fällen durch mehr oder weniger autoritäre zentralstaatliche Instanzen herbeigeführt. Auch für die Gemeinde Triesen in Liechtenstein, wo seit 1932 Freigeld-Scheine im Umlauf gewesen waren, wurde 1935 ein Verbot ausgesprochen. Ein ähnliches Bild zeigt sich in der Schweiz, wo die 1929 gegründete Wära-Tauschgesellschaft nach Interventionen durch die Nationalbank ihren Betrieb einstellen musste. Der 1934 von freiwirtschaftsbewegten Personen ins Leben gerufene Wirtschaftsring (WIR), der eine enge Vernetzung mittelständischer Unternehmen auf mutualistischer Basis zum Zwecke der Kreditverbilligung herbeiführte, besteht allerdings heute noch. Neben dem Experiment von Wörgl 1932/33 gab es also noch eine Reihe von Vorzeigeprojekten, die bis heute beispielhaft wirken (vgl. etwa die Parallelwährungen nach dem Zusammenbruch des Finanzsystems in Argentinien 2001/02).
Literatur:
Georgina M. Gómez: Argentinaʼs Parallel Currency: The Economy of the Poor. London 2009.
Werner Onken: Ein vergessenes Kapitel der Wirtschaftsgeschichte. Schwanenkirchen, Wörgl und andere Freigeldexperimente, in: Zeitschrift für Sozialökonomie, (20) 57-58/1983, 3-20.