Stefanie Peer
Stefanie Peer
Researcher of the Month
Höhere Zahlungsbereitschaft für kürzere Reisezeit im Auto
Über eine Stunde sind Österreicherinnen und Österreicher täglich unterwegs. WU-Verkehrsökonomin Stefanie Peer untersuchte in einer aktuellen Studie, wie Personen mobilitätsbezogene Entscheidungen, insbesondere hinsichtlich Verkehrsmittel und Ankunftszeitpunkt treffen. Dabei zeigte sich, dass Österreicherinnen und Österreicher eher für die Verkürzung der Reisezeit im Auto bereit sind zu bezahlen, als für die Verkürzung der Reisezeit im Öffentlichen Verkehr.
In mehreren Studien untersuchte Stefanie Peer, Wissenschaftlerin am Institut für Multi-Level Governance and Development der WU, wie sich die Bewertung von Reisezeit zwischen Verkehrsmitteln (Auto, Bahn, Öffentlicher Verkehr/Nahverkehr, Fahrrad, zu Fuß), Zeitdimensionen (kurz- bzw. langfristig) und für unterschiedliche Personengruppen unterscheidet. Im Fokus stand dabei die Bewertung der Reisezeit. „Die Bewertung der Reisezeit bildet ab, wieviel Personen dafür bereit sind zu zahlen, dass sich die Reisezeit verkürzt, sodass sie somit mehr Zeit für andere Aktivitäten zur Verfügung haben. Aktuelle Studien zeigen, dass, wenn der Reisekomfort relativ hoch ist, die Zahlungsbereitschaft geringer als bei niedrigem Reisekomfort ist“, so die Studienautorin.
Hoher Komfort im öffentlichen Verkehr, weniger Zahlungsbereitschaft
Für ihre Studien nutzte Peer Daten, die individuelles Entscheidungsverhalten hinsichtlich Mobilität abbilden wie Befragungen oder GPS-Aufzeichnungen via Smartphones. Außerdem erhob die Wissenschaftlerin Daten in hypothetischen Entscheidungsexperimenten sowie in Real-Life-Experimenten, in denen Personen Anreize erhielten, ihr Mobilitätsverhalten zu ändern. Basierend auf diesen Daten entwickelte Peer ökonometrische Modelle, um das beobachtete Mobilitätsverhalten zu erklären. Entgegen früherer Studien zeigten Peers Untersuchungen unter anderem, dass ÖsterreicherInnen eine höhere Zahlungsbereitschaft für eine Reduktion der Reisezeit im Auto haben als im ÖV. „Davon kann man ableiten, dass die Menschen – bei gleicher Reisezeit – lieber Zeit im Öffentlichen Verkehr als im Auto verbringen. Dieses Ergebnis finden wir für alle untersuchten Bevölkerungssegmente, egal welchen Alters, Geschlechts oder Einkommens“, so Peer. Erklärbar sind die Ergebnisse mit der hohen Qualität des öffentlichen Verkehrs und den verbesserten Möglichkeiten durch Smartphones, Laptop etc. Reisezeiten in öffentlichen Verkehrsmitteln produktiv und angenehm zu nutzen. Zudem zeigen die Studien, dass die Reisezeit in längerfristigen Entscheidungen zu Mobilitätsroutinen höher bewertet wird als in situationsbezogenen kurzfristigen Entscheidungen zu Abfahrtszeitpunkten. Eine wahrscheinliche Erklärung dafür ist, dass bei Entscheidungen zu Mobilitätsroutinen die bei Reisezeitverkürzungen freiwerdende Zeit aufgrund ihrer Regelmäßigkeit besser genutzt werden kann als in kurzfristigen Entscheidungen.
Wichtige Basis für verkehrspolitische Entscheidungen
Die Bewertung von Reisezeiten und Reisekomfort sind ausschlaggebende Faktoren dafür, ob Investitionen in Infrastrukturprojekte und andere verkehrspolitische Maßnahmen volkswirtschaftlich sinnvoll sind. „In solchen sogenannten Kosten-Nutzen-Analysen werden die Bewertungen von Reisezeit- und Komfort einerseits für die monetäre Bewertung von Änderungen in Reisezeit und Komfort herangezogen, und anderseits für Prognosen, inwiefern sich solche Änderungen auf die NutzerInnenzahlen, das heißt die Nachfrage, auswirken“, so Peer, „Unsere Forschungsergebnisse zeigen auf, dass diese Bewertungen unter anderem vom Verkehrsmittel und der Zeitdimension abhängen und daher auch in Kosten-Nutzen-Analysen kontext-spezifisch eingesetzt werden sollen.“
Mangelnde Herangehensweise bei Projektplanungen
Als problematisch sieht die Verkehrsökonomin, dass die Daten für Infrastrukturprojekte entweder gar nicht genutzt oder nicht optimal behoben werden. „Beispielsweise werden oft alle Verkehrsmittel gemeinsam, obwohl es bekannterweise deutliche Unterschiede in der Reisezeitbewertung gibt, oder es werden nur kurzfristige Bewertungen erhoben, obwohl bei vielen Projekten eher die langfristigen relevant wären“, kritisiert Peer, „ Außerdem werden Bewertungen nicht ordentlich eingesetzt, das heißt, es gäbe entsprechende Bewertungen, aber sie werden für Kosten-Nutzen-Analysen nicht verwendet; Daher werden gewisse Effekte wie zum Beispiel Veränderungen im Komfort gar nicht mitgerechnet."