Arbeitsmarktintegration jenseits von Vermittlungsquoten
Am 30. Juni 2021 veranstaltete das NPO Kompetenzzentrum eine Onlinekonferenz zum Thema Arbeitsmarktintegration. Wir nutzten dabei Zoom, um möglichst vielen Personen aus dem deutschsprachigen Raum eine niederschwellige und einfache Teilnahme ohne Anreise und Kosten zu ermöglichen. Über 90 Personen haben sich angemeldet, knapp 80 haben letztlich den Weg in den virtuellen Konferenzraum gefunden.
Was war das Thema?
Beschäftigung und Arbeitsmarkt stehen in Europa derzeit vor neuen Herausforderungen – nicht zuletzt auch aufgrund der Covid-19-Pandemie. Auf der einen Seite gibt es einen Fachkräftemangel, auf der anderen Seite Arbeitslosigkeit in unterschiedlichsten Facetten. Welche Veränderungen kommen künftig auf uns zu und wie können wir damit umgehen? Erfahrungen aus unserem laufenden Interreg Central Europe Projekt „Social Impact Vouchers“ (SIV) zeigen, dass privat finanzierte Arbeitsmarktinstrumente – in Ergänzung zu staatlichen – Teil der Lösung sein können. Partnerorganisationen aus acht Ländern haben in den letzten Monaten Vouchermodelle entwickelt, die den Matchingprozess zwischen Arbeitssuchenden und Unternehmen, je nach Zielgruppe und Bedarf, auf unterschiedliche Weise unterstützen. Dabei haben uns vor allem folgende Fragen beschäftigt:
Für welche Zielgruppen können Beschäftigungsvoucher einen sinnvollen Beitrag neben bestehenden Arbeitsmarktinstrumenten leisten?
Wie können Unternehmen zur Beteiligung an arbeitsmarktrelevanten Projekten motiviert werden, sei es in ihrer Rolle als Arbeitgeber oder als sozial verantwortliche Unternehmen?
Im Hinblick auf die Bedürfnisse und Möglichkeiten verschiedener sozial benachteiligter Gruppen regen wir dazu an, das Verständnis von erfolgreicher Arbeitsmarktintegration nicht nur auf Indikatoren wie Vermittlungsquoten zu reduzieren, sondern weiter zu denken. Wie ist, beispielsweise, die Arbeitsmarktintegration von Menschen mit Behinderung zu verstehen? Und welche Stellung nehmen hybride Arbeitsformen, die Elemente von Ehrenamt und Erwerbsarbeit verbinden, im Kontext der Arbeitsmarkintegration ein? In diesem Zusammenhang spielen, neben klassischen ökonomischen Effekten, wie etwa erfolgreiche Jobvermittlungen, auch soziale Wirkungen eine zentrale Rolle. Zum Beispiel sind die Förderung der sozialen Teilhabe von Personen in Arbeitsmarktprogrammen sowie die Verbesserung deren Lebensqualität bedeutsame Ergebnisse, die den Erfolg dieser Programme ebenfalls mitbestimmen können.
Diesen und weiteren Themen haben wir uns im Rahmen unserer Veranstaltung gewidmet, indem wir über Erfahrungen aus der Forschung und Praxis berichtet und diese mit den Teilnehmer*innen unserer Onlinekonferenz diskutiert haben. Nach der Vorstellung des SIV-Projekts zu Beginn der Veranstaltung stand in den Breakoutsessions der Austausch zu verschiedenen Themenschwerpunkten im Vordergrund. Im Anschluss wurden die Highlights im Plenum vorgestellt.
Die Veranstaltung war in drei Teile gegliedert und beinhaltete folgende Punkte:
Teil 1 – Impulsvorträge:
Kurzpräsentation des Interreg SIV Projektes – Grundidee und ausgewählte Beispiele (Eva More-Hollerweger, Bereichsleiterin NPOs & Zivilgesellschaft, NPO Kompetenzzentrum)
Vouchermodelle als flexible Möglichkeit zur Förderung von Arbeitsmarktintegration durch Ausbildungsangebote, Schaffung von Beschäftigung oder Unterstützung der sozialen Teilhabe
Verwendung von privaten Finanzierungsmöglichkeiten in Ergänzung zu staatlichen zur Förderung der Arbeitsmarktintegration
Gesellschaftliche Wirkungen von Social Impact Vouchers – ein stakeholderorientierter Ansatz (Flavia-Elvira Bogorin, Researcher, NPO Kompetenzzentrum)
Erste Erkenntnisse aus der Wirkungsanalyse der Vouchermodelle im Rahmen des Interreg SIV Projektes – was bringen diese unterschiedlichen Stakeholdern?
Teil 2 – Thematische Gruppendiskussionen in Breakouts:
Gruppe 1: Privatfinanzierte Arbeitsmarktinstrumente als Ergänzung zu staatlichen Instrumenten (geleitet von Marc Hentschke, Geschäftsführer, Neue Arbeit Stuttgart)
Die Rolle und das Potenzial von kirchlichen Finanzierungsmitteln im Bereich der Arbeitsmarktintegration
Möglichkeiten, private Finanzierungsmittel für die Förderung von Arbeitsmarktintegration einzusetzen
Beitrag der Arbeitgeber:innen zur Förderung der Arbeitsmarktintegration
Nutzung von Synergien zwischen staatlichen und privaten Instrumenten zur Förderung der Arbeitsmarktintegration
Gruppe 2: Arbeitsmarktintegration von Menschen mit Behinderung (geleitet von Selma Sprajcer, Senior Researcher, NPO Kompetenzzentrum)
Ermöglichen Unternehmen eine berufliche Inklusion?
Muss die Rolle der Trägerorganisationen bei der Arbeitsmarktinklusion neu gedacht werden?
Wo und wie können private Finanzierungsmittel ansetzen, um die Arbeitsmarktintegration zu fördern?
Gruppe 3: Stellenwert von sozialen und ökonomischen Wirkungen im Arbeitsmarktkontext (geleitet von Olivia Rauscher, Bereichsleiterin Wirkungsanalyse, NPO Kompetenzzentrum)
Stärken und Schwächen von traditionellen Erfolgsindikatoren zur Bestimmung von Arbeitsmarktintegration
Zusätzliche Aspekte der Arbeitsmarktintegration durch Aufzeigen von sozialen Wirkungen unter Berücksichtigung der Bedürfnisse verschiedener Zielgruppen
Erkenntnisse aus Wirkungsanalysen des NPO-Kompetenzzentrums zur Bedeutung von sozialen Wirkungen im Zusammenhang mit Arbeitsmarktintegration
Gruppe 4: Gesellschaftliche Teilhabe durch Arbeit – zwischen Ehrenamt und bezahlter Erwerbsarbeit (geleitet von Nicole Pitteroff, Referentin Arbeitslosenhilfe, Diakonisches Werk der evangelischen Kirche in Württemberg e. V.)
Zielsetzungen und Potenzial von Programmen zur Förderung der gesellschaftlichen Teilhabe anhand des Beispiels der Voucherprogramme des Diakonischen Werkes Baden-Württemberg
Gesellschaftliche Teilhabe als Zwischenschritt für nachhaltige Arbeitsmarktintegration
Wirkungen der Voucherprogramme für die Betroffenen und die Gemeinde
Gruppe 5: Arbeitskräftemangel im Pflegebereich (geleitet von Petra Schmidt, Leiterin Gesundheits- und Soziale Dienste, Österreichisches Rotes Kreuz)
Bedarfe im Pflegebereich mit Hinblick auf Beschäftigung
Rolle von Arbeitsmarktmobilität im Pflegebereich unter Berücksichtigung regionaler Unterschiede in den benötigten Angeboten (z.B. in Schulen, Ausbildungsstätten)
Noch benötigte Anreize zur Förderung der Beschäftigung im Pflegebereich (z.B. Ausbildungen, Vorqualifizierungsmaßnahmen)
Gruppe 6: Arbeitskräftemangel im IT-Bereich (geleitet von Clemens Foschi, Leiter Kooperationen und Zivilgesellschaft, Caritas Wien & Stefan Steinberger, Geschäftsführer, everyone codes)
Bedarfe im IT-Bereich, die durch das Ausbildungsprogramm von everyone codes adressiert werden
Hürden bei der Schaffung von Beschäftigung im IT-Bereich (z.B. Arbeitsmarktmobilität, Qualifizierung, Informationsdefizite)
Unterscheidung des everyone codes Ausbildungsprogramms für Arbeitslose von anderen Angeboten zur Förderung der Beschäftigung im IT-Bereich durch Fokus auf Community Building und Aufbau von Kooperationen
Gruppe 7: Offene Runde mit Themen aus dem Publikum (geleitet von Christian Grünhaus, wissenschaftlicher Leiter, NPO Kompetenzzentrum)
In dieser Gruppe konnten die Teilnehmer*innen eigene Themen mit Arbeitsmarktbezug einbringen und zur Diskussion stellen.
Teil 3 – Kurzpräsentation der Gruppenarbeiten
Präsentation zu den Impulsvorträgen
Ausgewählte Mural Boards aus den Gruppendiskussionen
Vortragende und Diskussionsleiter:innen
Kurzbiografien der Vortragenden und Workshopleiter:innen
Constanze Beeck ist wissenschaftliche Projektmitarbeiterin am Kompetenzzentrum für Nonprofit Organisationen und Social Entrepreneurship der WU. Sie ist für die Durchführung von Wirkungsanalysen, insbesondere Social-Return-on-Investment Analysen, in verschiedensten Bereichen im öffentlichen und Nonprofit-Sektor zuständig. Sie hat Internationale Entwicklung, Soziologie und Sozioökonomie studiert und engagierte sich im Sozialbereich im In- und Ausland. Ein aktuelles Projekt zum Themenschwerpunkt der Veranstaltung von ihr ist die Wirkungsanalyse der BBE Joboffensive Niederösterreich.
Flavia-Elvira Bogorin ist seit 2016 als Researcherin am NPo Kompetenzzentrum tätig. Im Rahmen Ihrer bisherigen Tätigkeit hat sie an rund 20 Forschungsprojekten und Studien mitgewirkt. Schwerpunkte sind dabei vor allem die Wirkungsmessung, Evaluation und die wissenschaftliche Begleitung von NPOs & Social Businesses sowie von Programmen und Maßnahmen der öffentlichen Hand. Sie absolvierte das Masterstudium Sozioökonomie an der WU Wien. Zuvor hat sie im Bachelorstudium Politikwissenschaft an der Universität Wien studiert. Sie wirkt u.a. maßgeblich am laufenden Interreg SIV Projekt mit, das in der Veranstaltung vorgestellt wird.
Clemens Foschi leitet seit 2015 die Koordinationsstelle für Kooperationen und Zivilgesellschaft der Caritas Wien. Er war davor Geschäftsführer von magdas, der social Business Tochter der Caritas Wien und war dabei u.a. für die Entwicklung von magdas Hotel zuständig. Clemens Foschi hat Handelswissenschaft studiert.
Christian Grünhaus ist wissenschaftlicher Leiter und Senior Researcher des NPO Kompetenzzentrums. Abgesehen von der operativen Führung des Kompetenzzentrums leitet er laufend praxisnahe Forschungsprojekte, die meist von NPOs oder der öffentlichen Hand finanziert werden.Dr. Christian Grünhaus promovierte in der Studienrichtung Handelswissenschaften an der WU Wien und schloss zusätzlich das Studium Betriebswirtschaftslehre ab. Ein aktuelles Projekt zum Themenschwerpunkt der Veranstaltung ist die Wirkungsanalyse der BBE Joboffensive Niederösterreich.
Manuel Kern ist Projektassistent am NPO Kompetenzzentrum und hat Nonprofit-, Sozial- und Gesundheitsmanagement am Management Center Innsbruck studiert. Im Sommer 2021 wird er sein Masterstudium "Management von Gesundheitsunternehmen" an der IMC FH Krems abschließen.
Marc Hentschke ist seit 2001 Geschäftsführer der Neuen Arbeit Stuttgart und war davor in führenden Positionen in Unternehmen mit Schwerpunkt Jugend- und Behindertenhilfe sowie Schule tätig, wo er die Organisationen auch reorganisierte und eine strategische Neuausrichtung erwirkte. Im Fall der Neue Arbeit gGmbH war dies der Umbau von staatlicher Förderung auf Marktfinanzierung. Marc Hentschke ist Diplomökonom, er hat an der Universität Hannover Wirtschaftswissenschaften studiert.
Eva More-Hollerweger ist Senior-Researcherin und Bereichsleiterin der Forschungsschwerpunkte NPOs & Zivilgesellschaft am NPO Kompetenzzentrum und Obfrau von npoAustria. Seit vielen Jahren beschäftigt sie sich mit Freiwilligenarbeit und verschiedensten Themen des Nonprofit Sektors aus betriebs- und volkswirtschaftlicher Perspektive. Eva More-Hollerweger studierte Betriebswirtschaft an der WU, wobei ihre Schwerpunkte auf Wirtschafts- und Verwaltungsführung, Marketing, Umweltökonomie und Nonprofit Forschung lagen. Sie leitet seitens WU das EU-Projekt Interreg SIV, das sich mit neuen Lösungen am Arbeitsmarkt beschäftigt.
Nicole Pitteroff ist gelernte Dipl.-Sozialpädagogin und verfügt über viele Jahre an Erfahrung in der Jugendberufshilfe und in der Jugendhilfe. Seit 2019 arbeit sie als Referentin für Arbeitslosenhilfe beim Diakonischen Werk Württemberg mit Schwerpunkt auf politische Lobbyarbeit mit dem Fokus auf Teilhabe durch Arbeit, insbesondere für langzeitarbeitslose Menschen. Im Rahmen von Interreg (Social Impact Vouchers) beschäftigt sich das Team des Diakonischen Werks Württemberg mit der Weiterentwicklung des erfolgreichen Modells der Beschäftigungsgutscheine, um für Menschen in prekären Lebenslagen soziale Teilhabe und neue Perspektiven zu schaffen.
Olivia Rauscher ist Bereichsleiterin für den Bereich Wirkungsanalyse und Senior Researcherin am NPO Kompetenzzentrum. Sie hat eine Reihe von angewandten Forschungsprojekten und Evaluationen mit Wirkungsfokus abgewickelt und geleitet. Ihre derzeitigen Forschungs- und Arbeitsschwerpunkte liegen im Bereich des Social Impact Measurements mit Fokus auf SROI-Analysen sowie der Durchführung von Evaluationen. Soziale Ungleichheit, Armutsbekämpfung sowie Gesundheitsförderung und Prävention stehen hierbei inhaltlich im Vordergrund.
Petra Schmidt ist DGKP und Diplomsozialarbeiterin und hat mehrere weiterführende Aus- und Fortbildungen im Gesundheits- und Sozialbereich absolviert. Sie hat etliche Jahre sowohl operativ, als auch in Leitungsfunktionen im Gesundheits- und Sozialbereich gearbeitet und bringt viel Erfahrung in der Freiwilligenarbeit mit. Frau Schmidt leitet den Bereich Gesundheit und Soziale Dienste im Österreichischen Roten Kreuz, Generalsekretariat.
Selma Sprajcer ist Senior Researcher und seit 2011 am NPO Kompetenzzentrum tätig. Ihre berufliche Laufbahn im Nonprofit Bereich begann sie am Institut für interdisziplinäre Nonprofit Forschung. Der Fokus ihrer Tätigkeit liegt auf den Bereichen Menschen mit Behinderung sowie Freiwilligenarbeit. Sie studierte Soziologie mit den Schwerpunkten Kultur- und Migrationssoziologie in Kombination mit Politikwissenschaften an der Universität Wien.
Stefan Steinberger ist Gründer und Geschäftsführer von everyone codes und Teach for Austria Alumnus. Seit fünf Jahren beschäftigt er sich mit der Frage, wie man Menschen ohne Erwerbsarbeit die Grundlagen des Programmierens vermitteln und sie auf den Arbeitsmarkt vorbereiten kann. Everyone codes (ehemals refugees code) hat u.a. den Social Impact Award und den Coca-Cola Get Active Social Business Award gewonnen und ist in drei Städten aktiv. Stefan Steinberger hat Volkswirtschaftslehre an der WU Wien studiert.
Julia Wögerbauer ist Researcherin am NPO Kompetenzzentrum. Dort arbeitet sie insbesondere zu Projekten im Bereich Menschen mit Behinderung, Management in Nonprofit Organisationen sowie Jugend und Familie. Darüber hinaus ist sie für ein EU-Projekt zum Thema Demenzversorgung in der Donauregion (INDEED) tätig. Sie hat einen Masterabschluss in International Business and Export Management und absolviert derzeit ihr zweites Masterstudium Politische Bildung an der Johannes Kepler Universität in Linz.