NPO-Institut (Verein)

Vereins- und Steuerrecht

Inhalt dieses Kapitels

Höhne, In der Maur & Partner | Die Informationspflicht des Leitungsorgans

Von Thomas Höhne
 

§ 20 Vereinsgesetz stellt ein wesentliches Recht der Mitglieder dar, das ernst zu nehmen und vom Leitungsorgan nicht nur pro forma, sondern so zu erfüllen ist, dass dem berechtigten Informationsinteresse der Mitglieder auch tatsächlich Rechnung getragen wird. Die Informationspflicht des Leitungsorgans in der Mitgliederversammlung besteht unabhängig davon, ob Mitglieder einschlägige Fragen stellen. Das Leitungsorgan hat von sich aus vollständig, umfassend und mit der für das Verständnis der Situation des Vereins erforderlichen Tiefe zu berichten. Mangels vorhergehender Information werden die Mitglieder in vielen Fällen gar nicht in der Lage sein, zielführende Fragen zu stellen. Eines ausdrücklichen Punktes in der Tagesordnung bedarf es nicht, damit Mitglieder Fragen an das Leitungsorgan richten dürfen, ist dieses Recht doch ausdrücklich im Gesetz vorgesehen. Schikanöse und querulatorische Anfragen müssen nicht beantwortet werden. Nur weil dem Leitungsorgan eine Frage nicht gefällt oder unangenehm ist, darf sie noch nicht als querulatorisch abqualifiziert werden. Grundsätzlich ist von einer unumschränkten Auskunftspflicht auszugehen, die nur in besonderen Einzelfällen, in denen die Interessen des Vereins klar überwiegen, durchbrochen werden kann. So ist es denkbar, dass der Verein im Begriff ist, ein Geschäft abzuschließen, das zunichte gemacht würde, wenn es vorzeitig bekannt würde. Dasselbe gilt, wenn die offenbare Gefahr besteht, dass das Mitglied die Information zu vereinsfremden Zwecken verwenden würde.

Jedem Mitglied, insbesondere im Rahmen der Diskussion von Tätigkeits- und Rechnungsbericht, steht das Recht zu, dazu Fragen zu stellen. Und auch wenn (oder gerade wenn!) Tätigkeits- und Rechnungsbericht des Leitungsorgans nicht umfassend sind, so steht den Mitgliedern ein umfassendes, alle Aspekte der Tätigkeit und der Gebarung des Vereins betreffendes Fragerecht zu. Nicht selten versucht ein Vereinsvorstand, derartige Fragen „abzuwürgen“ – dann ist es eben die Frage, wie viel sich die Mitglieder gefallen lassen, und ob ihr Interesse mehr an den Vereinsdetails oder an dem in Aussicht gestellten Buffet besteht. Um einen unwilligen Vorstand zu mehr Auskunft zu motivieren, kann ihn die Mitgliederversammlung natürlich auch per Beschluss zur Herausgabe bestimmter Informationen auffordern. Da § 20 die Informationspflicht des Leitungsorgans nicht von irgendwelchen Tagesordnungspunkten abhängig macht, ist das damit korrespondierende Recht der Mitglieder anlassunabhängig und auch nicht näher zu begründen.

Bei rechtsmissbräuchlicher Inanspruchnahme (wenn damit vereinsfremde, den Verein schädigende Interessen verfolgt werden) besteht das Informationsrecht nicht. Im Zweifelsfall ist ein Beschluss der Mitgliederversammlung herbeizuführen. (Der Mitgliederversammlung den Grund für die Auskunftsverweigerung plausibel zu machen, ohne damit schon die Auskunft zu geben, mag im Einzelfall schwierig werden, ist aber dennoch die sicherste Lösung.) Verschwiegenheitspflichten aufgrund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung gehen dem Auskunftsrecht von Mitgliedern ebenso vor wie ein gerechtfertigtes Geheimhaltungsinteresse anderer Mitglieder an deren persönlichen Daten. Natürlich kann in dieser schwierigen Situation auch die interne Schlichtungseinrichtung des Vereins angerufen werden. Und letztlich (nach Anrufung des vereinseigenen Schlichtungsorgans) können die informationsheischenden Mitglieder ihr Recht bei den staatlichen Gerichten durchsetzen.

Die Konfrontation zwischen wissbegierigen Mitgliedern und einem nicht ganz so auskunftsfreudigen Vorstand ist eine Standardsituation in Vereinsversammlungen – und es gibt keine Standardantwort auf die Frage, was der Vorstand seinen Mitgliedern erzählen muss und was nicht. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, gibt es nichts, was das Leitungsorgan seinen Mitgliedern vorenthalten dürfte. Die Grenze zwischen legitimem Informationsinteresse und schikanöser Erbsenzählerei zu erahnen, verlangt Erfahrung und Fingerspitzengefühl; und wie man weder interessierte Mitglieder vergrämt noch jene, die nicht den berüchtigten „Eisenhintern“ für eine Open-End-Sitzung mitgebracht haben, verlangt oft kreative Lösungen: Verweis auf anschließendes Gespräch in einer Kleingruppe, auf spätere Einsicht in die Unterlagen, auf Veröffentlichung von Unterlagen auf der Website des Vereins (für einen geschlossenen Nutzerkreis), Einsetzung eines Ausschusses etc.

Durchdachte Statuten werden vorsehen, in welcher Form das Leitungsorgan seiner Auskunftspflicht nachzukommen hat. Sofern die Statuten das nicht ausdrücklich regeln, steht den Mitgliedern ein selbstständiges Einsichtsrecht in Vereinsunterlagen nicht zu. Komplexere Geschäftsvorgänge werden allerdings nur durch Vorlage von Unterlagen durch das Leitungsorgan kommunizierbar sein, und das Informationsrecht der Mitglieder darf nicht zum leeren Recht verkümmern. Demokratisch gesinnte Vereine werden vorsehen, dass wesentliche Dokumente via Internet einsehbar sind – es empfiehlt sich die Beschränkung auf den geschlossenen Nutzerkreis der Mitglieder.

Erstreckt sich die Informationspflicht des Leitungsorgans auch auf Beteiligungsgesellschaften? Grundsätzlich ja– oft findet ein wesentlicher Teil des wirtschaftlichen Vereinsgeschehens in Tochtergesellschaften statt, und es kann nicht sein, dass dieses vom Vorstand an den Mitgliedern „vorbeimanövriert“ wird. Was in den Tochtergesellschaften geschieht, betrifft auch den Verein, sei es dessen Vermögen oder dessen guten Ruf. Bei 100%igen Beteiligungen steht dies außer Frage, bei Mehrheitsbeteiligungen wird bei der Auskunftserteilung auf die Interessen der Mitgesellschafter Rücksicht zu nehmen sein, und bei Minderheitsbeteiligungenwird diese Auskunftspflicht spürbar zu reduzieren sein, soweit diese in Kollision mit den Interessen der Gesellschaft und der anderen Gesellschafter treten könnte. Schuldner des Informationsanspruchs ist jedenfalls der Verein und nicht das verbundene Unternehmen; dieses kann nicht unmittelbar zur Auskunftserteilung an die Vereinsmitglieder gezwungen werden. Soweit sich das Recht auf Information auch auf eine Tochtergesellschaft bezieht, ist es Pflicht des Vereins (= des Leitungsorgans) sich die zur Erfüllung des Informationsanspruchs erforderlichen Auskünfte aus seinem eigenen Recht als Gesellschafter der Tochter zu beschaffen. Grundsätzlich beinhaltet das Recht auf Auskunft nicht auch ein Recht auf Einsicht in die Geschäftsunterlagen.

Haben Mitglieder die Information in der Mitgliederversammlung verlangt, so ist sie, auch wenn sie nur von einem Teil der Mitglieder gefordert wird, immer an alle Mitglieder zu richten, und zwar, so das Gesetz ausdrücklich, in der Mitgliederversammlung. Ist dies ausnahmsweise nicht oder nicht zur Gänze möglich, so ist jene Kommunikationsart zu wählen, die einerseits der Struktur des Vereins und andererseits dem Inhalt des Berichts angemessen ist. Dies kann bei einem Verein, dessen Vereinslokal regelmäßig von allen Mitgliedern frequentiert wird, das „schwarze Brett“ sein, unter der Voraussetzung eines Internetzugangs aller Mitglieder auch das „virtuelle schwarze Brett“, also die Website des Vereins. Weitere Möglichkeiten sind die Vereinszeitung, ein Rundbrief oder E-Mail (wieder unter der Voraussetzung eines entsprechenden Zugangs aller Mitglieder) an alle Mitglieder.

Von der Informationspflicht in der Mitgliederversammlung ist die Pflicht zur Informationserteilung gegenüber einem Zehntel der Mitglieder gemäß § 20 Satz 2 VerG zu unterscheiden. Verlangt diese Minderheit unter Angabe von Gründen Information über Tätigkeit und finanzielle Gebarung des Vereins, so hat das Leitungsorgan diese Information diesen (aber nicht allen) Mitgliedern binnen vier Wochen zu geben – diesen Minderheitsmitgliedern steht es ja dann frei, die Information an die anderen Mitglieder weiterzugeben. Dieses Informationsrecht kann außerhalb der Mitgliederversammlung (was der zitierte Satz 2 mit „auch sonst“ meint) geltend gemacht und auch erfüllt werden. Das Leitungsorgan kann zum Zweck der Informationserteilung auch eine Mitgliederversammlung einberufen. Großzügigerweise nehmen einige Autoren an, dass es genüge, dass nur die Einberufung dieser Versammlung binnen vier Wochen geschehen müsse (nicht aber dann die Informationserteilung, die dementsprechend auch später stattfinden könne) – durch das Gesetz ist das jedenfalls nicht gedeckt.