Finance

Zwischen Greenwashing und echter Verantwortung – Unternehmen in der Pflicht

08. November 2022

Sol­len Un­ter­neh­men ihre Um­welt­ver­träg­lich­keit ver­pflich­tend of­fen­le­gen? Die Kli­ma­kri­se rückt ein wenig be­ach­te­tes Feld in den Fokus: Die Be­richt­erstat­tungs­pflicht von Un­ter­neh­men. Kat­rin Hum­mel, Lei­te­rin der Ab­tei­lung für Ac­coun­ting & Re­por­ting an der WU Wien, un­ter­sucht ge­mein­sam mit ihrer Kol­le­gin Emira Ja­sa­ri (Uni­ver­si­tät Zü­rich) in Ihrer neuen Stu­die, wel­che Fol­gen eine Pflicht zur Kli­ma­be­richt­erstat­tung hätte.

Die Er­geb­nis­se zei­gen, dass eine ver­pflich­ten­de Of­fen­le­gung kei­nen Zu­sam­men­hang mit der tat­säch­li­chen Kli­ma­per­for­mance der Un­ter­neh­men hat. Für die frei­wil­li­ge Of­fen­le­gung fin­den die For­sche­rin­nen al­ler­dings einen po­si­ti­ven Zu­sam­men­hang mit der Höhe der Treib­haus­gas­emis­sio­nen – je kli­ma­schäd­li­cher die Un­ter­neh­men sind, desto eher er­stat­ten sie Be­richt. Diese Un­ter­neh­men ver­su­chen of­fen­bar ge­ra­de durch zu­sätz­li­che frei­wil­li­ge Be­richt­erstat­tung „grü­ner“ zu er­schei­nen, als sie tat­säch­lich sind. Die Ana­ly­se zeigt zu­gleich, dass die In­ves­tor*innen diese Stra­te­gie durch­schau­en und le­dig­lich die ge­setz­lich vor­ge­schrie­be­nen, ver­pflich­ten­den In­for­ma­tio­nen po­si­tiv be­wer­ten.

Die For­sche­rin­nen un­ter­such­ten, wel­che Kli­ma­in­for­ma­tio­nen Un­ter­neh­men in einem re­gu­lier­ten Be­richt­erstat­tungs­um­feld of­fen­le­gen und wie In­ves­tor*innen diese In­for­ma­tio­nen be­wer­ten. Hier­für kon­zen­trier­ten sich die For­sche­rin­nen auf eine Re­gu­lie­rung in Groß­bri­tan­ni­en, die be­reits seit dem Ge­schäfts­jahr 2013 ver­bind­li­che An­ga­ben zur Kli­ma­be­richt­erstat­tung für große, bör­sen­no­tier­te Un­ter­neh­men vor­sieht. Diese Re­gu­lie­rung ist sehr spe­zi­fisch und er­laubt somit eine ge­naue Auf­tei­lung der of­fen­ge­leg­ten In­for­ma­tio­nen in ver­pflich­ten­de ver­sus frei­wil­li­ge Of­fen­le­gung.

Be­richt­erstat­tung staat­lich re­gu­lie­ren?

Die Stu­die lie­fert erste em­pi­ri­sche Er­kennt­nis­se zu einer re­gu­lier­ten Kli­ma­be­richt­erstat­tung. Dabei zeigt sich, dass eine prä­zi­se und ge­naue Re­gu­lie­rung das Po­ten­ti­al für Green­wa­shing teil­wei­se re­du­zie­ren und den In­for­ma­ti­ons­ge­halt für In­ves­tor*innen er­hö­hen kann. Bei­des ist wich­tig für den Weg zu einer kli­ma­neu­tra­len Wirt­schaft.

Zum Hin­ter­grund: Kli­ma­be­richt­erstat­tung in Ös­ter­reich

Immer mehr Staa­ten pla­nen Un­ter­neh­men in die Pflicht zu neh­men und Kli­ma­be­richt­erstat­tung ana­log zur Fi­nanz­be­richt­erstat­tung ver­pflich­tend vor­zu­schrei­ben. An­ge­sichts des Kli­ma­wan­dels ge­winnt die Kli­ma­be­richt­erstat­tung zu­neh­mend auch für In­ves­tor*innen an Be­deu­tung. Gleich­zei­tig hat sich in der Ver­gan­gen­heit ge­zeigt, dass ins­be­son­de­re in der Nach­hal­tig­keits­be­richt­erstat­tung das Po­ten­ti­al für Green­wa­shing groß ist.

In Ös­ter­reich müs­sen ka­pi­tal­markt­ori­en­tier­te Un­ter­neh­men mit durch­schnitt­lich mehr als 500 Mit­ar­bei­ter*innen auf­grund des Nachhaltigkeits-​ und Di­ver­si­täts­ver­bes­se­rungs­ge­set­zes (Na­Di­VeG) seit dem Ge­schäfts­jahr 2017 über ihre Um­welt­ver­träg­lich­keit be­rich­ten – zur Zeit etwa 100 Un­ter­neh­men. Al­ler­dings sind die im Ge­setz de­fi­nier­ten An­for­de­run­gen sehr all­ge­mein for­mu­liert, was die Ver­gleich­bar­keit der of­fen­ge­leg­ten In­for­ma­tio­nen er­schwert. Ak­tu­ell wird in der EU daher eine Ver­schär­fung der Ge­setz­ge­bung dis­ku­tiert, wel­che auch ver­bind­li­che Stan­dards der Nachhaltigkeits-​ und ins­be­son­de­re Kli­ma­be­richt­erstat­tung vor­sieht.

Laut einer Un­ter­su­chung von EY pu­bli­ziert nur 46 Pro­zent von Ös­ter­reichs Top-​Unternehmen einen Nach­hal­tig­keits­be­richt und etwas mehr als ein Drit­tel der ös­ter­rei­chi­schen be­richts­pflich­ti­gen Un­ter­neh­men lässt ihre Nach­hal­tig­keits­in­for­ma­tio­nen ex­tern prü­fen – deut­lich we­ni­ger als in Deutsch­land (73 Pro­zent).

Über Kat­rin Hum­mel

Kat­rin Hum­mel ist seit 2021 Pro­fes­so­rin für Ac­coun­ting & Re­por­ting an der WU Wien. Sie pro­mo­vier­te in Be­triebs­wirt­schafts­leh­re an der Uni­ver­si­tät Stutt­gart und setz­te dann ihre wis­sen­schaft­li­che Kar­rie­re als Post­doc an der Uni­ver­si­tät Zü­rich fort. In ihrer For­schung be­schäf­tigt sie sich mit Fra­ge­stel­lun­gen an der Schnitt­stel­le zwi­schen Ac­coun­ting und Nach­hal­tig­keit mit einem be­son­de­ren Fokus auf Nach­hal­tig­keits­be­richt­erstat­tung und Nach­hal­tig­keits­per­for­mance. Ihre For­schung wurde in zahl­rei­chen re­nom­mier­ten in­ter­na­tio­na­len Zeit­schrif­ten pu­bli­ziert, unter an­de­rem im Eu­ropean Ac­coun­ting Re­view, Ac­coun­ting and Busi­ness Re­se­arch, Jour­nal of Busi­ness Ethics und Jour­nal of Ac­coun­ting and Pu­blic Po­li­cy.

Kat­rin Hum­mel ist Mit­glied des Her­aus­ge­ber­bei­rats der Zeit­schrift Ac­coun­ting Forum, Mit­glied der Ar­beits­grup­pe Sus­tai­na­bi­li­ty Re­por­ting des Aus­tri­an Fi­nan­cial Re­por­ting and Au­di­ting Com­mit­tee (AFRAC), Ju­ry­mit­glied des Aus­tri­an Sus­tai­na­bi­li­ty Re­por­ting Awards (ASRA) und Mit­glied des wis­sen­schaft­li­chen Bei­rats des In­sti­tuts ös­ter­rei­chi­scher Wirt­schafts­prü­fer:innen (iwp).

Re­se­ar­cher of the Month

Mit dem „Re­se­ar­cher of the Month“ stellt die WU her­aus­ra­gen­de Ar­bei­ten von For­scher*innen vor, die mit ihrer For­schung maß­geb­lich zur Lö­sung wirt­schaft­li­cher, ge­sell­schaft­li­cher und recht­li­cher Fra­gen bei­tra­gen. Das mo­nat­li­che Video „Re­se­ar­cher of the Month“ prä­sen­tiert die Ar­beit der For­scher*innen und ge­währt einen Blick hin­ter die Ku­lis­sen der viel­fäl­ti­gen WU-​Forschung.

Wei­ter­füh­ren­de In­for­ma­tio­nen

Kat­rin Hum­mel und ihre For­schung im Film

Kat­rin Hum­mel, Emira Ja­sa­ri: GHG Emis­si­ons, GHG Dis­clo­sure and Firm Value: Di­sent­ang­ling the Man­da­to­ry and Vol­un­ta­ry Com­po­n­ents of Dis­clo­sure. On­line ab­ruf­bar unter http://dx.doi.org/10.2139/ssrn.4232142

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