Haben Banken Verluste in der Finanzkrise unterbewertet und deren Offenlegung verzögert?
Politik, Regulierer*innen und Kommentator*innen haben die Finanzberichterstattung der Banken als Verursacher von Problemen in der Finanzkrise 2008 bis 2009 kritisiert und Änderungen gefordert. Aber ist die Kritik tatsächlich berechtigt? Welche Änderungen sind notwendig? Professor Christian Laux vom Institut für Finance, Banking and Insurance an der Wirtschaftsuniversität Wien (WU) und seine Koautoren untersuchen in einer Studie die Offenlegung und Bilanzierung von Verlusten internationaler Banken in der Finanzkrise. Ebenso widmen sich die Autoren den Konsequenzen einer Regulierung, die den Einfluss von Verlusten auf das notwendige regulatorische Eigenkapital der Banken reduziert.
Die Ergebnisse der Studie bestätigen nicht die weit verbreitete Befürchtung, dass die Offenlegung von Verlusten ein wesentlicher Auslöser von Problemen bei Banken war. Vielmehr zeigt sich, dass viele Banken Verluste nur zögerlich ausweisen und dann ebenso zögerlich auf Verluste reagieren. Dieser verzögerte Umgang mit Verlusten kann das Finanzsystem destabilisieren. Die Ergebnisse der Studie sind wichtig für eine Regulierung und Rechnungslegung der Banken, die zu einem nachhaltigen und stabilen Finanzsystem führen.
Während der Krise wurde die Verwendung von „Marktwerten“ bei der Bilanzierung von Finanzinstrumenten („Fair Value Accounting“) angeprangert. Frühere Arbeiten von Professor Christian Laux zeigen, dass diese Kritik an Fair Value Accounting in ihrer Schärfe unangebracht war. In der aktuellen Studie widmen sich Laux und seine Koautoren der Offenlegung und Bilanzierung von Kreditrisiken und Kreditverlusten. Die Ergebnisse zeigen, dass späte und unvollständige Informationen über Verluste und Risikopositionen, sowie eine späte Bilanzierung von Verlusten, Probleme in der Krise verstärkt haben. „Regulierung und Bilanzierung, die mit dem Ziel eingeführt werden, das Finanzsystem zu stabilisieren, können das Gegenteil bewirken und unerwünschte Konsequenzen haben“, erläutert Christian Laux.
Trade-offs der Regulierung und weitere Ergebnisse der Studie
Informationen über Kreditrisiken und Kreditverluste sind wichtig für Anleger*innen und Investor*innen, können aber auch zu negativen Reaktionen des Marktes führen und Probleme von Banken verstärken. „Unsere Analyse zeigt, dass Banken ihre kritischen Positionen und mögliche Verluste sehr spät offengelegt haben“, so Laux. „Wir finden wenig Belege dafür, dass diese Offenlegung die Probleme von Banken verstärkt hat oder zu einer Destabilisierung des Finanzsystems beitrug.“ Vielmehr passt die Evidenz zur Hypothese, dass unzuverlässige und unvollständige Offenlegungen zu einem Vertrauensverlust führen können, der eine Gefahr für das Finanzsystem darstellt.
Ausweis von Kreditverlusten führt zum Sinken des Eigenkapitals
Wenn Banken Kreditverluste in der Bilanz ausweisen, dann hat das nicht nur einen Informationseffekt, sondern das in der Bilanz ausgewiesene Eigenkapital der Banken sinkt entsprechend. Die Ergebnisse zum Ausweis von Kreditverlusten decken sich mit den Ergebnissen zur Offenlegung. Ein Grund hierfür wird in Bilanzierungsstandards gesehen, die Banken beim Ausweis von Kreditverlusten beschränken („Incurred Loss Model“). „Allerdings zeigt unsere Analyse, dass die Standards in vielen Fällen höhere und frühere Verlustausweise durchaus erlaubt hätten“, so Laux. Anreize der Banken Verluste auszuweisen spielen eine wichtige Rolle.
Regulierer verwenden häufig „Filter“, um Banken vor (unrealisierten) Marktwertverlusten von Finanzinstrumenten zu schützen. Solche Filter können Ansteckungsspiralen im Finanzsystem verhindern. Gleichzeitig nehmen sie Banken aber auch den Druck, auf Verluste zu reagieren, und zum Beispiel Dividenden zu reduzieren, Eigenkapital aufzunehmen oder besonders riskante Finanzinstrumente zu verkaufen. Die Autoren zeigen, dass dieser Effekt wichtig ist und Banken in Ländern mit Filtern weniger stark auf Marktwertverluste reagieren.
Über Christian Laux
Dr. Christian Laux ist Professor am WU Institut für Finance, Accounting and Insurance. Er promovierte an der Goethe Universität Frankfurt und habilitierte an der Universität Mannheim. Vor seinem Wechsel an die WU war Christian Laux Professor an der Goethe Universität. Forschungsaufenthalte führten ihn an die Harvard University, die London School of Economics, die Wharton School der University of Pennsylvania und die University of Chicago Booth School of Business. Christian Laux untersucht in seinen Forschungsbeiträgen die Rolle von Anreiz- und Informationsproblemen für die Gestaltung von Finanz- und Versicherungsverträgen, Manager*innenanreizen und Accounting Systemen. In den aktuellen Arbeiten beschäftigt sich Christian Laux vor allem mit der Rolle von Rechnungslegung und Regulierung für die Stabilität von Finanzsystemen und das Verhalten von Banken. Seine Arbeiten wurden in führenden internationalen Fachzeitschriften veröffentlicht, wie dem Journal of Financial Economics, Review of Finance, Journal of Accounting Research, The Accounting Review, Accounting, Organization and Society, Management Science, Rand Journal of Economics und Journal of Economic Perspectives. Christian Laux ist Mitglied des Editorial and Advisory Review Boards von The Accounting Review und des Scientific Committee der UniCredit Foundation. Zudem war er Mitglied im Executive Committee der European Finance Association.
Christian Laux
Researcher of the Month
Weiterführende Links
Accounting for Financial Stability: Bank Disclosure and Loss Recognition in the Financial Crisis," Jannis Bischof, Christian Laux, and Christian Leuz, Journal of Financial Economics 141 (2021), 1188–1217.