Staatliche Unternehmen auf Steuervermeidungskurs
Auch staatliche Unternehmen versuchen Steuern zu vermeiden. Sie brauchen Anreize, um Steuervermeidung zu unterbinden.
Dass große internationale Konzerne wie Apple oder Google nach Steuervermeidungsstrategien suchen und beispielsweise Tochtergesellschaften in sogenannten „Steueroasen“ gründen, ist längst keine Neuigkeit mehr. Unerwarteter ist hingegen die Tatsache, dass auch staatliche Unternehmen immer wieder Steuervermeidungsstrategien verfolgen — und das, obwohl man davon ausgehen würde, dass der Staat in seiner Rolle als Aktionär die Nutzung von Steuervermeidungsstrategien unterbindet. WU-Professorin Eva Eberhartinger erklärt: „Beispielhaft dafür sind die niederländische staatliche Eisenbahn, die als Spar-Schlupfloch eine niederländisch-irische Steuerkonstruktion nutzte, oder auch deutsche Gemeinden, die versuchten, durch Leasingvereinbarungen mit US-Investoren Steuern zu sparen.“ In ihrer neuesten Studie ging die Professorin und Leiterin der Abteilung für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre (https://www.wu.ac.at/steuerlehre) an der Wirtschaftsuniversität Wien dieser Thematik nach und untersuchte gemeinsam mit ihrem Kollegen David Samuel, unter welchen Umständen staatliche Unternehmen Steuern vermeiden.
Auch staatliche Eigentümer brauchen Anreize
In ihrer Untersuchung analysierten die WissenschaftlerInnen die Jahresabschlüsse deutscher Firmen, die sich im Besitz der öffentlichen Hand (z.B. Gemeinden, Länder oder Bund) befinden. Durch Analyse der Gewinn- und Verlustrechnungen konnten Eberhartinger und Samuel jene Firmen identifizieren, die ein ähnliches Steuervermeidungsverhalten aufweisen wie vergleichbare private Firmen. „Wir stellten fest, dass nicht alle staatlichen Unternehmen Steuern vermeiden. Stattdessen ist dies in jenen Firmen zu finden, die durch den staatlichen Eigentümer nicht ausreichend beaufsichtigt werden, weil darin kein Mehrwert für diesen besteht“, so Eberhartinger. „Das Ausmaß, in dem ein Unternehmen aktiv Steuern vermeidet, hängt weitgehend von der Aktionärsstruktur und von den Führungsmechanismen ab. Auch staatliche Eigentümer brauchen einen Anreiz – wie die Teilhabe an den Steuereinnahmen –, um sicherzustellen, dass das Unternehmen einen angemessenen Steuerbetrag zahlt. Andernfalls wird es auch in staatlichen Unternehmen zu Steuervermeidung kommen.“
Aktionärsanreize statt Steuerplanung
Die Studie macht deutlich, dass finanzielle Anreize eine wichtige Determinante der Steuerplanungsaktivitäten staatlicher Unternehmen sind. Nur jene Unternehmen, in denen die staatlichen Anteilseigner von den Steuereinnahmen profitieren, betreiben weniger Steuerplanung. „Unsere Studie gibt generell einen Hinweis darauf, dass Aktionärsanreize eine relevante Determinante der Steuerplanungsaktivitäten sind. Im Bereich staatlicher Unternehmen sind die Aktionärsanreize außergewöhnlich, da Aktionäre gleich zweierlei Ansprüche auf den Gewinn des Unternehmens haben, nämlich die Steuerzahlung und die Dividende. Wenn staatliche Anteilseigner jeweils 100 Prozent dieser Ansprüche erhalten, sollte es ihnen gleichgültig sein, ob dieser Anspruch als Steuer oder als Dividende gezahlt wird. Doch nicht jeder staatliche Eigentümer profitiert direkt von den Steuereinnahmen. Anhand dieser unterschiedlichen Anreize stellen wir fest, dass jene staatlichen Eigentümer, die einen direkten Anspruch auf die Steuereinnahmen haben, darin auch einen Anreiz sehen, für geringere Steuerplanungsaktivitäten der staatlichen Unternehmen zu sorgen.“, erklärt Eberhartinger. Gerade auch für die aktuelle Diskussion rund um Verstaatlichungen im Zuge der Corona-Krise leistet die Studie einen wichtigen Beitrag. Die Studienergebnisse informieren die politischen EntscheidungsträgerInnen über die potenziellen Auswirkungen von Verstaatlichungen auf die unternehmerischen Steuerplanungsaktivitäten.
Eberhartinger, Eva and Samuel, David, Monitoring and Tax Planning – Evidence from State-Owned Enterprises (June 20, 2020). WU International Taxation Research Paper Series No. 2020-08.
Die Studienautorin Eva Eberhartinger
Eva Eberhartinger ist Professorin am Institute for Accounting & Auditing der WU, leitet die Abteilung für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre und ist Ko-Vorsitzende des Doktoratsprogramms International Business Taxation (DIBT). Die gebürtige Oberösterreicherin studierte Betriebswirtschaftslehre an der Johannes Kepler Universität in Linz und promovierte und habilitierte an der WU – beides ausgezeichnet mit mehreren Preisen und Stipendien. Vor ihrer Tätigkeit an der WU war sie ordentliche Professorin für Unternehmensbesteuerung an der Universität Münster (Deutschland). Internationale Erfahrung sammelte sie auch durch Gastprofessuren an der Universität Exeter (Großbritannien), der University of Illinois at Urbana-Champaign (USA), der HEC Paris (Frankreich), der McGill University (Kanada), der HEC Montréal (Kanada), der Universität Malta sowie der Macquarie University in Sydney (Australien). In ihrer Forschung konzentriert sie sich auf die Auswirkungen von Steuern auf Unternehmensentscheidungen, insbesondere in multinationalen Konzernen. Zu ihren aktuellen Projekten gehören der Einfluss von Heuristiken auf den Entscheidungsfindungsprozess in der internationalen Steuerplanung, die Relevanz der Offenlegung der Einkommensteuer in Jahresabschlüssen, die Steuervermeidung bei staatlichen Unternehmen sowie die Auswirkungen von kooperativen Compliance-Programmen und von Steuerprüfungen auf Unternehmen. Von 2006 bis 2011 war sie Vizerektorin für Finanzen an der WU. Abseits der akademischen Karriere hat Eva Eberhartinger mehrere Positionen als Aufsichtsrätin inne und ist ordentliches Mitglied des Österreichischen Beirats für Rechnungslegung und Abschlussprüfung (AFRAC).
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