Betriebsrat für das wissenschaftliche Personal
Betriebsratsarbeit in ungewöhnlichen Zeiten: Rückblick auf die zurückliegende Betriebsratsperiode
Die COVID-19-Epidemie hat auch für Universitäten und damit die Betriebsratsarbeit ungewöhnliche Zeiten gebracht. Gesundheitsschutz wurde zu einem zentralen Thema. In kürzester Zeit erfolgte eine Umstellung auf weitgehendes Home Office, die spätmoderne Form der Heimarbeit, und auf Fernlehre. Der Betriebsrat stellte innerhalb kürzester Zeit nach dem ersten Lock-down eine umfassende Information der KollegInnen über die arbeitsplatzbezogenen Anti-COVID-19-Maßnahmen, die rechtlichen Rahmenbedingungen im Home Office und die verschiedenen Optionen der Fernlehre für alle KollegInnen zusammen.
Mittlerweile ist das Krisenmanagement Teil des Arbeitsalltags geworden. Die Betriebsräte für das wissenschaftliche und allgemeine Personal sind inzwischen in den erweiterten Krisenstab integriert geworden, aber auch bereits zuvor sind zahlreiche Aspekte des Krisenmanagement Gegenstand von Gesprächen zwischen den Betriebsräten und dem Rektorat gewesen. Der Betriebsrat für das wissenschaftliche Personal hat sich besonders für Aspekte des Gesundheitsschutzes, gerade auch in der Lehre, eingesetzt. Bei Home Office und Distanzlehre geht es auch um Fragen, die über die aktuelle und sich noch einige Zeit andauernde akute Gesundheitskrisensituation hinausreichen. In der aktuellen Krise ist eine flexible Form der Home Office ein wichtiges Element des Gesundheitsschutzes. Für das allgemeine Personal, wo der Wunsch nach der Möglichkeit zu mehr Heimarbeit relativ stark ausgeprägt ist, wurde bereits eine generelle Lösung für mobiles Arbeiten gefunden. Beim wissenschaftlichen Personal stellt sich diese Frage für jene Gruppen von WissenschaftlerInnen, bei denen eine grundsätzliche Anwesenheitspflicht am Arbeitsplatz besteht. Bei den Modellen der Distanz- und Hybridlehre ermöglicht das Rektorat unterschiedliche Varianten, was den unterschiedlichen didaktischen Anforderungen wie auch den unterschiedlichen Möglichkeiten bei Lehrenden und Studierenden Rechnung trägt. Der Betriebsrat hat sich für eine gewisse Vielfalt bei den technischen Optionen der Distanzlehre eingesetzt. Da wichtige Formen des Austausches und der wissenschaftlichen Debatte in der Distanzlehre nicht möglich sind, sieht er in dieser Form der Wissensvermittlung kein umfassendes Zukunftsmodell. Krisenmanagement, Fragen des Home Office und der Distanzlehre werden auch das neue Betriebsratsgremium weiter beschäftigen.
Ein strategisch zentrales Thema während der gesamten zurückliegenden Betriebsratsperiode war die Stellenstruktur an der WU. Hier stand im Jahr 2018 die Verabschiedung des neuen Personalentwicklungsplans an. In die Debatte um den Personalentwicklungsplan hat sich der Betriebsrat pro-aktiv eingeschaltet. Er hob den hohen Anteil prekärer Beschäftigung und die starke Segmentierung der Belegschaft hervor. Zur Jahreswende 2016/2017 lag der Anteil der permanent Beschäftigten an der Gesamtzahl der wissenschaftlichen Beschäftigten bei nicht einmal einem Fünftel. Allein die ProfessorInnen („KurienprofessorInnen“, außerordentliche und assoziierte ProfessorInnen) haben fast ausschließlich Dauerstellen. Bei UniversitätsassistentInnen, LektorInnen, TutorInnen sowie – aufgrund der überwiegenden Drittmittelfinanzierung – bei den wissenschaftlichen MitarbeiterInnen ist befristete Beschäftigung eigentlich der Normalfall. Die Durchlässigkeit zwischen zeitlich befristeten Stellen und Dauerstellen ist im wissenschaftlichen Bereich außerordentlich gering. Der vielfach prekäre Charakter der wissenschaftlichen Beschäftigung mindert die Attraktivität der universitären Karrieren stark. Nur eine kleine Gruppe hat das durch langjährige Berufserfahrung gesammelte „Systemwissen“, das für den reibungslosen Ablauf von Forschungs-, Lehr- und Verwaltungsbetrieb nötig ist. Daher forderte der Betriebsrat die Definition von Mindestausstattungen (und nicht nur Maximalgrenzen wie bisher) an Dauerstellen für wissenschaftliche Einheiten, die Zurückdrängung der in der Lehre besonders ausgeprägten prekären Beschäftigung und mehr Durchlässigkeit und Planbarkeit bei den wissenschaftlichen Karrieren. Mit seiner Intervention hat er partiell Erfolg gehabt. Im neuen Stellenentwicklungsplan wird vom Rektorat zumindest eine Mindestausstattung an Dauerstellen für wissenschaftliche Einheiten angestrebt, was einen Perspektivenwechsel darstellt. Hierbei setzt das Rektorat auf Formen einer weichen Governance, nicht auf harte Vorgaben. Auch das Vorziehen von Tenure Track-Stellen wird ins Auge gefasst. Die Problematik der hohen Prekarität in der Lehrbeschäftigung wird im Personalentwicklungsplan nicht thematisiert. Zwar soll laut dem Personalentwicklungsplan für Klarheit hinsichtlich der Perspektiven der jeweiligen Beschäftigung gesorgt werden, an der Diskontinuität der Beschäftigungsverhältnisse ändert sich aber nichts Wesentliches. Kritisch sieht der Betriebsrat, dass bei einer Bewerbung auf eine Dauerstelle mit Qualifizierungsvereinbarung eine frühere Beschäftigung im Ausland zu einer unbedingten Voraussetzung gemacht wird. Diese Regelung zeigt nicht nur eine mangelnde Wertschätzung der Beschäftigung im eigenen Haus bzw. in Österreich, sondern wirkt auch mittelbar diskriminierend gegenüber BewerberInnen mit familiären Verpflichtungen (faktisch vor allem Frauen) und Personen mit dauerhaften gesundheitlichen oder psychischen Beeinträchtigungen. In der aktuellen Krise konnten die Wirkungen prekärer Beschäftigung wenigstens etwas abgemildert werde. Auf Drängen der Gewerkschaft öffentlicher Dienst (GÖD) und der Universitätsleitungen ist österreichweit eine außerordentliche Corona-bedingte Vertragsverlängerungsoption geschaffen worden.
Gehaltsverhandlungen werden auf der ArbeitnehmerInnenseite von der GÖD geführt. Die Betriebsräte können in diese Verhandlungen für sie wichtige Punkte benennen, auf den Verhandlungsverlauf selbst haben sie aber keinen Einfluss. Hingegen sind Leistungsprämien in Betriebsvereinbarungen zwischen dem Betriebsrat und dem Rektorat geregelt. Da es 2018 eine Veränderung der Lehrveranstaltungstypen gab, wurde die Betriebsvereinbarung zu den Leistungsprämien an die neuen Verhältnisse angepasst. Für den Betriebsrat standen hierbei Gerechtigkeitsaspekte und teils auch eine vereinfachte Abwicklung im Vordergrund. Die wichtigsten Veränderungen gab es bei den Großprüfungen. Die Prüfungstaxen wurden etwas angepasst. Nachdem für berufstätige Studierende - und damit auch UniversitätsassistentInnen (Prae-Doc) mit der Dienstpflicht Arbeit an der Dissertation – Studiengebühren eingeführten wurden, vermochte der Betriebsrat eine partielle Kompensation in Form einer Erhöhung der für den guten oder sehr guten Abschluss der Dissertation vorgesehenen Leistungsprämie auszuhandeln.
Das Arbeitsumfeld ist – nicht erst seit der COVID-19-Krise – durch eine zunehmende Digitalisierung geprägt. Aspekte der Digitalisierung und des Datenschutzes sind daher eine ständig an Bedeutung gewinnender Aspekt der Betriebsratsarbeit. Zum Glück kann der Betriebsrat hier auf eine starke eigene Expertise zurückgreifen. Bestehende Betriebsvereinbarungen zu den digitalen Diensten müssen immer wieder angepasst werden. Hier setzt sich der Betriebsrat für hohe Standards im Datenschutz ein. Mit Sicherheitserfordernissen begründete das Rektorat perspektivische Veränderungen des Mobile-Device-Managements. Dem Rektorat ging es hierbei darum, dass für den mobilen Zugriff auf WU-Mail-Adressen und dienstliche Daten bzw. für Synchronisierungen des Outlook-Kalenders bzw. der WU-Kontakte in absehbarer Zeit eine MDM-Software hochgeladen werden müsse. Dies soll unabhängig davon sein, ob es sich um ein WU- oder privates Gerät handelt. Eine solche Software kann beispielsweise das Setzen eines Pin- oder Passwords erzwingen. Dem Betriebsrat war es wichtig, dass es ein Leben ohne MDM geben muss. Diese Option ist – allerdings in einem weniger komfortablen Umweg über den Webzugriff – in der entsprechenden Betriebsvereinbarung vorgesehen. Da sich die technischen Systeme rasch wandeln, war dem Betriebsrat ein institutionalisierter Austausch über Digitalisierungsfragen wichtig. Dieser konnte über die Einführung eines regelmäßigen mindestens zweimal jährlich stattfindenden Jour-Fix zu Digitalisierungsfragen auch erreicht werden. Dieses relativ neue Austauschformat hat uns jetzt im Frühjahr auch ermöglicht, relativ rasch die entsprechenden Regelungen für die Erweiterungen der Kommunikationstools MS Teams und Zoom zu entwickeln.
Die Regelung und Handhabung von Arbeitszeiten sind ein wichtiges Thema im Arbeitsalltag – insbesondere für Personen, die nicht Vollzeit beschäftigt sind Hierbei geht es auch um die Aufteilung der Arbeitszeiten, z.B. zwischen Forschung und Lehre. Hierzu hat der Betriebsrat regelmäßig informiert. Auch in verschiedene Foren zu Arbeitszufriedenheit und –gesundheit hat sich der Betriebsrat aktiv eingebracht. So haben in dieser Funktionsperiode eine weitere Welle einer umfassenden MitarbeiterInnenbefragung stattgefunden und das umfassende Projekt des betrieblichen Gesundheitsmanagements wurde gestartet. Die aktuell laufende ABI-Plus-Befragung ist u.a. ein Teil dieses Projektes.
Letztes Jahr gewann die Bewegung für den Klimaschutz auch in Österreich stark an Sichtbarkeit. Die beiden Betriebsräte für das wissenschaftliche und allgemeine Personal haben diese Debatte aufgegriffen und auf das Arbeitsleben an der WU heruntergebrochen. Gemeinsam führten sie eine Reihe von Diskussionsveranstaltungen durch, die in eine „Roadmap für gute Arbeit an einer klimaneutralen WU“ mündeten. Diese enthält konkrete Vorschläge zu Bereichen wie Mobilität und Ernährung. Sie konnte auch bereits mit dem Rektorat diskutiert werden.
Der Betriebsrat ist im institutionalisierten Austausch mit anderen universitären Betriebsräten und der Gewerkschaft öffentlicher Dienst (GÖD) sowie in den entsprechenden Gremien vertreten. Die GÖD hat in den letzten Jahren eine aktivere Politik im universitären Bereich entwickelt. Sie spielt vor allem bei den Kollektivvertragsverhandlungen, aber auch bei Gesetzgebungsinitiativen eine Schlüsselrolle. Mit den anderen Betriebsräten und der Gewerkschaft gibt es auch einen institutionalisierten Austausch über arbeits- und universitätsrechtliche Fragen.
Der Betriebsrat bietet eine individuelle Rechtsberatung in Arbeitsangelegenheit, die auch zunehmend wahrgenommen wird. Dies werten wir auch als ein Zeichen der gestiegenen Sichtbarkeit des Betriebsrats. Über wichtige Entwicklungen an der WU, arbeitsrechtliche Fragen, seine Arbeit und Veränderungen im breiteren universitätspolitischen Umfeld berichtet der Betriebsrat im regelmäßig erscheinenden BR-Info.
Diese hier angeführten Themen sind die Top-Themen, die die Arbeit des wissenschaftlichen Betriebsrats in der vergangenen Periode ausgemacht haben. Die jeweils 14 Haupt- und Ersatzmitglieder haben in den vergangenen vier Jahren sich fast 50 Mal in mehrstündigen Sitzungen über aktuelle Regelungen ausgetauscht, in einer jährlich stattfindenden Klausur Themenschwerpunkte proaktiv herausgearbeitet und in unzähligen Zusammenhängen die Positionen der wissenschaftlichen Belegschaft der WU eingebracht.
Die Stimmen der Belegschaft mit dem Blick auf die Errichtung und Erhaltung von guten Arbeitsbedingungen – insbesondere im Hinblick auf Forschung und Lehre – zu erheben, war unser Leitprinzip und wird auch in Zukunft ein zentraler Treiber für die Aktivitäten des wissenschaftlichen BR sein.
05.11.2020