Seitlicher Blick auf das D2 Gebäude.

Betriebsrat für das wissenschaftliche Personal

Aktuelle europäische Rechtssprechung in Fragen des Universitätsdienstrechts

In letzter Zeit musste sich der EuGH zweimal mit Fragen des österreichischen Universitätsdienstrechts befassen. In einem Fall ging es um die Frage, ob die Befristungsregelungen des § 109 Abs 2 UG mit dem Unionsrecht vereinbar sind. Im anderen Fall hatte das europäische Höchstgericht zu beurteilen, ob die bloß eingeschränkte Anrechnung von Vordienstzeiten eine Beeinträchtigung der Arbeitnehmerfreizügigkeit bedeutet. Unseres Erachtens zeigen diese beiden Entscheidungen die dringende Notwendigkeit der Überarbeitung des § 109 UG sowie der Gehaltstafel des Universitäten-Kollektivvertrags v.a. im B1-Schema auf.

Befristungsregeln des § 109 UG unionsrechtskonform?

Im Fall der Befristungsregeln des § 109 UG war der EuGH aufgefordert zu beurteilen, ob die in § 109 Abs 2 UG vorgesehenen zeitlichen Grenzen, bis zu denen aufeinanderfolgende befristete Verträge mit Projektmitarbeiter/inne/n, Ersatzkräften oder ausschließlich in der Lehre beschäftigten Personen zulässigerweise abgeschlossen werden dürfen, einerseits einen Verstoß gegen die EU-Teilzeitrichtlinie darstellen bzw. ob sie andererseits auch eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts verwirklichen.

Die unzulässige Ungleichbehandlung könnte aus der Annahme resultieren, dass es für betroffene Arbeitnehmer/inn/en günstiger ist, wenn der Zeitraum, innerhalb dessen befristete Verträge aneinandergereiht werden dürfen, kürzer ist, da es die Universitäten früher dazu verpflichtet, einen unbefristeten Arbeitsvertrag abzuschließen. Da nun für vollzeitbeschäftigte Projektmitarbeiter/inne/n diese Grenze gem § 109 Abs 2 UG bei maximal 10 Jahren und bei Teilzeitbeschäftigten bei maximal 12 Jahren liegt, sind Teilzeitbeschäftigte hier benachteiligt. Und weil statistisch gesehen mehr Frauen als Männer in Teilzeit arbeiten, wurde vorgebracht, dass sich mit diesen unterschiedlichen zeitlichen Grenzen eine mittelbare Frauendiskriminierung verwirklicht.

Der EuGH hat nunmehr entschieden, dass nur dann ein Verstoß gegen die Teilzeitrichtlinie vorliegt, wenn es für die unterschiedliche Behandlung von Voll- und Teilzeitkräften keine sachliche Rechtfertigung gibt, die in einem angemessenen Verhältnis mit der Unterscheidung steht. Dies ist nach dem EuGH nur anzunehmen, wenn im konkreten Fall eine besondere Beziehung zwischen der Art der ausgeübten Tätigkeit und der Erfahrung, die durch die Ausübung dieser Tätigkeit nach einer bestimmten Anzahl geleisteter Arbeitsstunden erworben wird, besteht. Zusätzlich muss dann aber auch noch geprüft werden, ob die Zeit, die erforderlich ist, um Forschungsarbeiten abzuschließen und allenfalls die Publikation von deren Ergebnissen zu gewährleisten, die von § 109 Abs 2 UG getroffene Unterscheidung rechtfertigt und zwischen der Regelung selbst und dem durch sie verfolgten Ziel ein angemessenes Verhältnis besteht. Diese Prüfung obliegt allerdings dem nationalen Gericht, im konkreten Fall dem Arbeits- und Sozialgericht Wien, das sich an den EuGH gewandt hat.

Hinsichtlich der Frage der mittelbaren Frauendiskriminierung hielt der EuGH ebenfalls bloß fest, dass das vorlegende Gericht zu prüfen habe, ob der Anteil der benachteiligten weiblichen Beschäftigten signifikant höher ist als der der benachteiligten männlichen Beschäftigten. Nur wenn dies der Fall wäre und keine sachliche Rechtfertigung für die unterschiedliche Behandlung vorliegt, wäre die Regelung des § 109 Abs 2 UG nicht mit den Grundsätzen des Unionsrechts vereinbar.  

In der Frage der grundsätzlichen Zulässigkeit der in § 109 UG enthaltenen Ausnahmen zum an sich geltenden Verbot des Abschlusses von Kettendienstverträgen, hat sich der EuGH nicht geäußert, weil das vorlegende Gericht nicht um Klärung dieses Punktes ersucht hat. Anders argumentierten die Kommission und in seinem Schlussantrag der Generalanwalt. Sie vertraten ganz grundsätzlich die Ansicht, dass die Aneinanderreihung von befristeten Arbeitsverträgen bis zu zwölf Jahren nur dazu diene, den ständigen und dauerhaften Personalbedarf von Universitäten zu decken und nicht nur einen zeitweiligen Arbeitsbedarf, weshalb eine Unvereinbarkeit mit den Grundsätzen des Unionsrechts angenommen werden kann.

Bloß begrenzte Anrechnung von Vordienstzeiten mit dem Unionsrecht vereinbar?

In der zweiten EuGH-Entscheidung, die hier kurz vorgestellt werden soll, hatte der OGH die Frage zu beantworten, ob einer Regelung der Universität Wien, bei der – übrigens entgegen der in § 49 Abs 3 lit b Uni-KV vorgesehenen gänzlichen Nichtanrechnung von Vordienstzeiten – Vordienstzeiten im Ausmaß von bis zu vier Jahren angerechnet werden, eine Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit bzw. eine Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit darstellt.

Die erste Frage verneinte der EuGH, da die Regelung nicht danach differenziert, ob es sich um im Inland oder im Ausland zurückgelegte Vordienstzeiten handelt. Die zweite Frage bejahte der EuGH hingegen, da er in der bloß teilweisen Anrechnung von gleichwertigen Vordienstzeiten ein Mobilitätshindernis für Arbeitnehmer/innen sieht, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch machen und nach einer Erwerbstätigkeit im Heimatstaat eine berufliche Tätigkeit in einem anderen EU-Mitgliedstaat aufnehmen wollen. Gleichzeitig betont das europäische Höchstgericht, dass es mit dem Unionsrecht vereinbar ist, wenn Vordienstzeiten, die für die neue Tätigkeit bloß nützlich sind, nicht angerechnet werden. Damit ist zumindest für EU-Bürger/inn/en, die vom EU-Ausland nach Österreich kommen und an einer österreichischen Hochschule eine Tätigkeit als Senior Lecturer/Postdoc aufnehmen, klargestellt, dass ihre gleichwertigen, im Heimatstaat zurückgelegten Vordienstzeiten zur Gänze bei der Einstufung in die Gehaltstafel des Uni-KV zu berücksichtigen sind, da wohl die im Uni-KV vorgesehene gänzliche Nichtanrechnung von gleichwertigen Vordienstzeiten ebenfalls eine unzulässige Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit darstellt.

Für Arbeitnehmer/innen, die ausschließlich an österreichischen Hochschulen gearbeitet haben, hat dieses EuGH-Urteil allerdings keine Auswirkungen. Diese daraus resultierende sogenannte Inländerdiskriminierung, deren Zulässigkeit im Rahmen des Unionsrechts unstrittig ist, wird allerdings am verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz zu prüfen sein, weshalb eine unsachliche Ungleichbehandlung von Vordienstzeiten, je nachdem von wem (Inländer oder EU-Ausländer) bzw. in welchem Land sie zurückgelegt wurden, schwer aufrecht zu erhalten sein wird.

Die konkreten Auswirkungen dieser beiden EuGH-Urteile sind noch nicht vollständig absehbar. Sie zeigen allerdings den dringenden Korrekturbedarf hinsichtlich der Kettenvertragsregelung des § 109 UG bzw. untermauern den Anspruch auf eine Adaptierung der kollektivvertraglichen Gehaltstafel im sogenannten B1-Schema.

28.11.2019

zurück zur Übersicht