Forschung

Spitzenplatz bei Einkommensschere

18. Februar 2024

Der Gender Pay Gap ist in Österreich überdurchschnittlich hoch. Das Einkommenstransparenzgesetz soll ab 2026 Abhilfe schaffen.

Die politische Auseinandersetzung im Vorfeld der diesjährigen Nationalratswahl wirft ihre Schatten voraus: Gendern, also der geschlechtergerechte Sprachgebrauch, wird plötzlich wieder zum Thema. Laut Duden bietet die deutsche Sprache eine Fülle von Möglichkeiten, geschlechtergerecht zu formulieren. Das Problem dabei ist, dass es keine Norm gibt und gendern bei vielen Menschen auf Ablehnung stößt. „Die Forschung in Gender Studies und Sprachwissenschaft zeigt klar, dass Sprache nicht ein neutraler Schleier ist, sondern eine mit sprachlicher Äußerung beschriebene Handlung zugleich vollzieht“, erklärt Emanuel List, wissenschaftlicher Mitarbeiter am WU Forschungsinstitut Economics of Inequality. „Sprache ist ein nicht mehr wegzudenkendes Element und kann soziale Gegebenheiten einzementieren oder auch verändern. Deshalb finde ich es auch gut, gendergerechte Sprache zu verwenden.“

Die geringe Beachtung der weiblichen Form im täglichen Sprachgebrauch und die Diskussion um eine mögliche Abschaffung des Genderns ist aber in Hinblick auf die überdurchschnittlich hohen Einkommens- und Verteilungsunterschiede bei Männern und Frauen in Österreich das geringere Problem. Die EU-Kommission geht beim sogenannten Gender Pay Gap in Österreich von 19 Prozent aus (deutlich über dem EU-Schnitt von 12,7 Prozent). Obwohl in den letzten Jahren Verbesserungen umgesetzt und dadurch die Differenz verringert werden konnte, zählt Österreich nach wie vor zu den EU-Ländern mit dem größten Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern.

Eine Frau arbeitet im Büro

Die niedrige Erwerbsbeteiligung bzw. verhältnismäßig hohe Teilzeitquote führt auch dazu, dass in Österreich der Anteil von Frauen am Gesamteinkommen mit ca. 35 Prozent zu den Schlusslichtern in Europa gehört.


© Raimo Rudi Rumpler

Vielfältige Gründe

Ist dies darauf zurückzuführen, dass Frauen häufiger in Teilzeitjobs arbeiten als Männer, oder darauf, dass Frauen in gewissen Branchen tatsächlich für denselben Job mit gleicher Qualifikation weniger verdienen? Laut Alyssa Schneebaum, Assistenzprofessorin am WU Department für Volkswirtschaft, trifft beides zu. Die Lücke entstehe, weil Frauen oft weniger Stunden am Arbeitsplatz verbringen. Bei der Berechnung des Gender Pay Gap wird aber auch der Stundenlohn zum Vergleich herangezogen. Schneebaum: „Da zeigt sich, dass Frauen häufiger in schlecht bezahlten Jobs tätig sind.“

Mehr Verhandlungsmacht

Für die Tatsache, dass unterschiedliche Löhne für die gleiche Arbeit bezahlt werden, sind Daten nur schwer zu finden. Das soll sich spätestens 2026 mit dem Einkommenstransparenzgesetz ändern. Alle Unternehmen, die mehr als 100 Mitarbeiter*innen beschäftigen, müssen dann einen Gender Pay Gap-Bericht schreiben. Die Mitarbeiter*innen können so in Erfahrung bringen, wieviel Frauen und Männer auf vergleichbaren Positionen im Unternehmen verdienen. „Mit solchen Informationen werden Frauen mehr Verhandlungsmacht erhalten“, ist Schneebaum überzeugt. Die niedrige Erwerbsbeteiligung bzw. verhältnismäßig hohe Teilzeitquote führt auch dazu, dass in Österreich der Anteil von Frauen am Gesamteinkommen mit ca. 35 Prozent zu den Schlusslichtern in Europa gehört.

Laut Emanuel List bezahlen Unternehmen, Branchen oder Industrien, in denen Frauen häufiger vertreten sind, schlechter. Zudem sei nicht auszuschließen, dass es reine Diskriminierung von Frauen gebe, die nicht durch Bildungscharakteristika oder ähnliche Ausprägungen erklärt werden. „Weiters ist der Child Penalty in Österreich verhältnismäßig hoch. Das bedeutet, ein Kind zu bekommen, wirkt sich auf das Erwerbsleben und das Einkommen von Frauen in Österreich sehr schlecht aus. Das führt mitunter zu Altersarmut und ökonomischer Abhängigkeit von Partnern“, erläutert List.

Eine Frau arbeitet im Büro und betreut ein Kind

Frauen nehmen oft die schlechter bezahlten Jobs an, weil es gesellschaftlich immer noch als ihre Aufgabe angesehen wird, sich um das Wohl des Kindes zu kümmern.


© Raimo Rudi Rumpler

Wer erledigt unbezahlte Arbeit?

Damit einher geht der Bereich der unbezahlten Arbeit. Die Frage lautet: wer erledigt diese in welchem Ausmaß? Alyssa Schneebaum weiß die Antwort: „Es ist nicht neu, dass Frauen zwei Drittel der unbezahlten Arbeit erledigen. Männer beschäftigen sich beispielsweise mehr mit Kindern, wenn sie größer werden. Da geht es dann eher ums Spielen, als um das Zuhause bleiben, wenn das Kind krank ist. Eine Untersuchung der Arbeiterkammer stellte fest, dass überproportional viele Männer während der Sommermonate in Elternkarenz gehen.“ Auch während der Covid-19-Pandemie haben Frauen viel mehr unbezahlte Arbeit geleistet. Frauen sind aus dem Arbeitsmarkt ausgestiegen, damit sie sich um Kinderbetreuung, wie Home Schooling, kümmern.

Für den Staat ist es eine Gratwanderung, wenn er sich um mehr Gerechtigkeit in der Rollenverteilung einsetzt, ohne sich zu sehr ins familiäre Privatleben der Bürger*innen einzumischen. Das erwähnte Transparenzgesetz gibt Anlass zur Hoffnung. Der Gender Pay Gap hat viel mit sozialen Normen zu tun: Welche Rolle wird Frauen, welche Rolle Männern im Leben zugeschrieben? Frauen nehmen deshalb oft die schlechter bezahlten Jobs an, weil es gesellschaftlich immer noch als ihre Aufgabe angesehen wird, sich um das Wohl des Kindes zu kümmern. Männer wiederum verbringen den Großteil ihres Lebens mit bezahlter Arbeit, weil das die „angestammte“ Rolle für sie ist. Diese Normen ändern sich nur langsam. „Es ist aber der Hebel, wo wir ansetzen müssen. Mehr Frauen sollten häufiger in mathematisch-technischen Berufen und Männer verstärkt auch als Kindergartenpädagogen arbeiten“, ist WU Forscherin Schneebaum überzeugt.

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