Forschung

Raus aus dem Elfenbeinturm: Citizen Science an der WU

10. Februar 2025

Die WU ist nun Mitglied im Citizen Science Network Austria – erste spannende Forschungsprojekte sind schon in Arbeit.

Sie zählen Schmetterlinge und Vögel, helfen bei archäologischen Ausgrabungen mit oder sammeln Daten zu ihrem Ess- und Mobilitätsverhalten: In den unterschiedlichsten Forschungsprojekten von österreichischen Universitäten leisten Citizen Scientists einen Beitrag – also Menschen aus der Allgemeinbevölkerung, die mit ihrem freiwilligen Engagement dabei helfen, wissenschaftliche Erkenntnisse zu gewinnen.

Citizen Science – manchmal auch Bürger*innenforschung genannt – ist eine spannende Art, Wissenschaft hautnah zu erleben. Dabei arbeiten Forschende mit Menschen außerhalb der Uni-Welt zusammen, um gemeinsam Daten zu sammeln, Beobachtungen auszuwerten oder sogar neue Ideen zu entwickeln.

Auf Initiative der BOKU University haben sich 2017 mehrere österreichische Universitäten und Forschungseinrichtungen zum Citizen Science Network Austria zusammengeschlossen. In dem Online-Portal „Österreich forscht“ bündeln sie ihre Aktivitäten im Bereich Citizen Science und stellen Interessierten neue Forschungsprojekte zum Mitmachen vor.

Nun ist auch die WU dem Citizen Science Network Austria beigetreten – und ist damit Teil dieser wachsenden Gemeinschaft von Universitäten und Forschungseinrichtungen, die Wissenschaft für alle zugänglich machen wollen.

Managementwissenschaft: Neuland für Citizen Science

Die Initiative für den Beitritt der WU kam von Jurgen Willems, Professor für Public Management & Governance im Department Management: „Im Vergleich zu anderen Disziplinen wie der Biologie ist Citizen Science in den Sozialwissenschaften noch nicht sehr weit verbreitet – und gerade im Bereich Managementwissenschaft stoßen wir damit in ganz neue Gefilde vor.“

Bei der Umsetzung heißt es also, kreativ zu sein und neue Möglichkeiten bei der Erhebung und Analyse von Daten aus der wachsenden Citizen-Science-Literatur zu adaptieren. In den kommenden Monaten möchte Jurgen Willems gemeinsam mit seinen Departmentkollegen Kai U. Klein und Paul Rameder das erste Forschungsprojekt mit Hilfe von Citizen Science voranbringen: den sogenannten Volunteer Environment Check.

Bei diesem schon seit zwei Jahren laufenden FWF-Projekt untersuchen die Forscher die Managementpraktiken in der Freiwilligenkoordination von Non-Profit-Organisationen. „Wenn Organisationen Freiwillige einsetzen, ist es entscheidend, ihre Arbeit sinnvoll und zielgerichtet zu koordinieren“, erklärt Kai U. Klein. „Schließlich schenken diese Menschen einer Organisation ihre Zeit – und da heißt es, entsprechend sorgsam damit umzugehen.“

Allerdings warten einige Herausforderungen auf Forscher*innen, die diesen Bereich untersuchen. NPOs richten sich oft an marginalisierte Gruppen, die beispielsweise keine genügenden Deutsch- oder Englischkenntnisse haben, um auf herkömmlichem Weg an einer wissenschaftlichen Studie teilzunehmen. Über die institutionalisierte Arbeit in NPOs hinaus engagieren sich Freiwillige zudem oft in einem informellen Kontext. Das wird jedoch aufgrund mangelnder Dokumentation und/oder Sprachbarrieren oft übersehen - sowohl von Forscher*innen als auch von Geldgebern: „Dadurch ist es eine Herausforderung, einen umfassenden Zugang zu dem Feld zu bekommen, das wir erforschen wollen“, sagt Kai U. Klein. „Hier kann uns der Citizen-Science-Ansatz weiterhelfen.“

Crowdsourcing, Participatory Science, Collaborative Science?

Derzeit läuft ein Pilotprojekt mit 25 verschiedenen Non-Profit-Organisationen, bei denen sich einzelne Freiwillige als Citizen Scientists betätigen. In einem ersten Schritt helfen diese Freiwilligen dabei, lebensnahe empirische Daten zu sammeln und die Managementpraktiken in NPOs beziehungsweise die Koordinationsabläufe in ihren Communities im Detail zu durchleuchten.

Diese Art der Datenerhebung mit Hilfe von Freiwilligen wird auch Crowdsourcing oder Citizen Sourcing genannt und gilt als die simpelste Art von Citizen Science. Das Projekt geht aber noch zwei Schritte weiter: Die Ergebnisse werden anschließend mit den Organisationen in interaktiven Workshops besprochen. In einem partizipativen Prozess werden Ideen gesammelt, um die Freiwilligenkoordination zu verbessern – ein Beispiel für einen weiteren Citizen-Science-Ansatz, der sich Participatory Science nennt. In einem dritten Schritt sollen die designierten Citizen Scientists geschult werden, um die wissenschaftlich fundierte Analyse der Managementpraktiken in ihren Organisationen und Communitys selbständig weiterzuführen und zu dokumentieren. Diese Spielart von Citizen Science wird Collaborative Science genannt – also die tatsächliche Einbindung von Freiwilligen in den Prozess der Gewinnung wissenschaftlicher Erkenntnisse.

„Im Idealfall haben am Ende alle etwas davon“, sagt Kai U. Klein. „Die Freiwilligen können sich auf eine neue Art einbringen und sinnvolles Feedback geben, die NPOs können ihr Freiwilligen-Management verbessern – und wir bekommen bessere Daten und belastbarere Ergebnisse.“

In der Pilotstudie mit formellen NPOs soll dieser Prozess bis Ende des Sommers erstmalig durchlaufen werden. „Wenn alles nach Plan läuft, können wir diese Methode problemlos hochskalieren und uns auf die informelle Freiwilligenarbeit fokussieren, die bisher kaum erforscht ist“, sagt Jurgen Willems vom Management-Department der WU. „Auf jeden Fall werden wir dabei spannende Erkenntnisse gewinnen, wie man Citizen Science in den Sozialwissenschaften machen kann – und ich bin auch schon gespannt auf die Ideen von anderen WU Forscher*innen in diesem Bereich.“ Auf dieses erste WU-Projekt im Citizen Science Network Austria werden also hoffentlich noch viele weitere Forschungsprojekte mit Freiwilligenbeteiligung folgen.

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