Management

Sozialismus und Privatwirtschaft in China: Auf der Suche nach Synergien

04. Oktober 2021

In einer Stu­die der Wirt­schafts­uni­ver­si­tät Wien (WU) wurde un­ter­sucht, wie sich die För­de­rung des Pri­vat­sek­tors im so­zia­lis­ti­schen China Ende der 1970er Jahr auf die Be­völ­ke­rung aus­wirk­te. Zuvor hatte die chi­ne­si­sche Re­gie­rung jahr­zehn­te­lang jede*n, der sich in ir­gend­ei­ner Form mit Pri­vat­ka­pi­ta­lis­mus be­schäf­tig­te, ge­walt­sam un­ter­drückt. Die For­scher*innen kamen zu dem Er­geb­nis: die Ein­glie­de­rung von Ideen in eine In­sti­tu­ti­on, die zuvor als mo­ra­lisch ver­werf­lich ge­gol­ten haben, haben das Po­ten­ti­al star­ke Kon­flik­te aus­zu­lö­sen. Diese blie­ben in China aber auf­grund um­fas­sen­der Maß­nah­men aus.

Das Team um WU As­sis­tenz­pro­fes­so­rin Mia Ray­nard be­schäf­tigt sich in ihrer Stu­die „Bounda­ry work and trans­gres­si­ve in­sti­tu­tio­nal re­form: love, hate, and pri­va­te en­ter­pri­se in chi­ne­se so­cia­lism“ mit den Aus­wir­kun­gen von in­sti­tu­tio­nel­lem Wan­del in China. Zwi­schen 1978 und 2007 be­müh­te sich die chi­ne­si­sche Re­gie­rung den Pri­vat­sek­tor wie­der­ein­zu­füh­ren. Wie kann eine Idee oder Pra­xis, die einst als falsch oder sogar mo­ra­lisch ver­werf­lich an­ge­se­hen wurde und als Wi­der­spruch zum chi­ne­si­schen So­zia­lis­mus galt, von der Be­völ­ke­rung ak­zep­tiert wer­den? Auf der Grund­la­ge einer Längs­schnitt­ana­ly­se po­li­ti­scher, recht­li­cher und his­to­ri­scher Do­ku­men­te un­ter­such­ten Mia Ray­nards und ihr Team die Be­mü­hun­gen der chi­ne­si­schen Re­gie­rung, Kon­flik­te zu ver­mei­den.

Spa­gat zwi­schen So­zia­lis­mus und Pri­vat­sek­tor

In­sti­tu­tio­nen müs­sen sich an Wan­del an­pas­sen, um ihre Re­le­vanz und Le­gi­ti­mi­tät zu be­wah­ren. Die Re­gie­rungs­ar­beit die in China ge­leis­tet wurde, um in­sti­tu­tio­nel­len Wan­del zu er­rei­chen, war kom­plex und her­aus­for­dernd, vor allem, weil sie zwei po­ten­zi­ell wi­der­sprüch­li­che Ziele be­inhal­te­te. Ei­ner­seits die Ein­be­zie­hung einer Pra­xis, die zuvor de­fi­niert hatte, was der chi­ne­si­sche So­zia­lis­mus eben nicht war. An­de­rer­seits die Auf­recht­erhal­tung des chi­ne­si­schen So­zia­lis­mus als In­sti­tu­ti­on mit den damit ver­bun­de­nen Ei­gen­schaf­ten des kol­lek­ti­ven Ei­gen­tums und der Selbst­auf­op­fe­rung für die In­ter­es­sen der Ge­mein­schaft. „Es ist in­ter­es­sant, wie die chi­ne­si­sche Re­gie­rung die ideo­lo­gi­sche Her­aus­for­de­rung der Wie­der­ein­füh­rung des Pri­vat­sek­tors be­wäl­ti­gen konn­te, ohne ihre Le­gi­ti­mi­tät und die des chi­ne­si­schen So­zia­lis­mus zu un­ter­gra­ben. Das ist v.a auf die Maß­nah­men der chi­ne­si­schen Re­gie­rung und die viel­zäh­li­gen Un­ter­schei­dun­gen, wel­che Grup­pen sich in wel­chem Aus­maß im pri­va­ten Be­reich en­ga­gie­ren dür­fen, zu­rück­zu­füh­ren“, so WU For­sche­rin Mia Ray­nard. Die Le­ga­li­sie­rung der gleich­ge­schlecht­li­chen Ehe etwa, ist ein Bei­spiel dafür, wie sich In­sti­tu­tio­nen an den Wan­del an­ge­passt haben und gleich­zei­tig Kon­flik­te nicht ver­mei­den konn­ten, weil das Thema mo­ra­lisch von In­sti­tu­tio­nen, wie etwa der Kir­che, be­setzt wor­den war und be­glei­ten­de Maß­nah­men, um die­sen Wan­del zu er­klä­ren, aus­blie­ben. 

Über Mia Ray­nard

Mia Ray­nard ist As­sis­tenz­pro­fes­so­rin am In­sti­tut für Chan­ge Ma­nage­ment und Ma­nage­ment De­ve­lo­p­ment der Wirt­schafts­uni­ver­si­tät Wien. Sie pro­mo­vier­te an der Uni­ver­si­ty of Al­ber­ta, er­warb einen MBA an der Na­tio­nal Sun Yat-​Sen Uni­ver­si­ty in Tai­wan und einen Ba­che­lor of Com­mer­ce an der Mc­Gill Uni­ver­si­ty. Ihre Haupt­for­schungs­in­ter­es­sen lie­gen an der Schnitt­stel­le zwi­schen Or­ga­ni­sa­ti­ons­theo­rie und Wan­del. Ray­nard ist Re­dak­ti­ons­mit­glied von „Ad­mi­nis­tra­ti­ve Sci­ence Quar­ter­ly”, “Jour­nal of Ma­nage­ment Stu­dies”, “Or­ga­niza­ti­on Stu­dies” und “Fa­mi­ly Busi­ness Re­view”.

Re­se­ar­cher of the Month

Seit 2016 zeich­net die WU mit dem „Re­se­ar­cher of the Month“ her­vor­ra­gen­de For­scher*innen aus, die mit ihrer For­schung maß­geb­lich zur Lö­sung wirt­schaft­li­cher, ge­sell­schaft­li­cher und recht­li­cher Fra­gen bei­tra­gen. Das mo­nat­li­che Video „Re­se­ar­cher of the Month“ zeigt den All­tag der For­scher*innen und ge­währt einen Blick hin­ter die Ku­lis­sen der viel­fäl­ti­gen WU For­schung.

Wei­ter­füh­ren­de Links

Video Re­se­ar­cher of the Month Mia Ray­nard

Mia Ray­nard, Made­li­ne Tou­bia­na, Giu­sep­pe Del­mest­ri: Bounda­ry work and trans­gres­si­ve in­sti­tu­tio­nal re­form: Love, hate, and pri­va­te en­ter­pri­se in chi­ne­se so­cia­lis

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