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Industrie 5.0: Eine Kollegin namens KI

14. November 2023

Künst­li­che In­tel­li­genz könn­te in Zu­kunft dabei hel­fen, die Ar­beit in In­dus­trie­be­trie­ben si­che­rer, ein­fa­cher und pro­duk­ti­ver zu ma­chen. Das ist die Vi­si­on des eu­ro­päi­schen For­schungs­pro­jekts PERKS, an dem auch die Wirt­schafts­uni­ver­si­tät Wien (WU) be­tei­ligt ist.

Damit ein In­dus­trie­be­trieb rund läuft, ist viel pro­ze­du­ra­les Wis­sen nötig: So wer­den die Hand­grif­fe und Pro­zes­se be­zeich­net, die es für die kor­rek­te Be­die­nung und War­tung von Ma­schi­nen braucht – und die im Ar­beits­all­tag meis­tens wie au­to­ma­tisch pas­sie­ren. Wie viel Know-​how hin­ter jedem Ar­beits­schritt steckt, wird erst klar, wenn Mit­ar­bei­ter*innen aus­fal­len oder neu an­ge­lernt wer­den müs­sen: „Die­ses Know-​how ist oft schwer zu er­klä­ren und nicht immer do­ku­men­tiert“, sagt Marta Sabou, Lei­te­rin des In­sti­tu­te for Data, Pro­cess and Know­ledge Ma­nage­ment an der WU. „Und selbst wenn es ir­gend­wo auf­ge­schrie­ben wurde, ist die Frage, ob man es auch fin­det, wenn man es braucht.“

Die­ses Know-​how bes­ser zu do­ku­men­tie­ren und es ein­fa­cher ver­füg­bar zu ma­chen, ist das Ziel des eu­ro­päi­schen For­schungs­pro­jekts PERKS. Neben der WU sind acht wei­te­re Part­ner aus In­dus­trie und For­schung daran be­tei­ligt, dar­un­ter Sie­mens und Whirl­pool. Ihr ge­mein­sa­mer Plan: die Mög­lich­kei­ten Künst­li­cher In­tel­li­genz nut­zen, um die Ar­beit in In­dus­trie­be­trie­ben ein­fa­cher, pro­duk­ti­ver und si­che­rer zu ma­chen.

„Alexa, hilf mir bei der War­tung“

Wie genau das funk­tio­nie­ren soll, er­klärt Marta Sabou an­hand eines Bei­spiels aus der Weißware-​Fabrik von Pro­jekt­part­ner Whirl­pool in Ita­li­en: „Die rie­si­gen Ma­schi­nen, die dort in der Pro­duk­ti­on ein­ge­setzt wer­den, müs­sen kor­rekt ab­ge­schal­tet wer­den, wenn man sie rei­nigt, war­tet und re­pa­riert. Dafür gibt es die so­ge­nann­te LOTO-​Prozedur, also Log-​Out-Tag-Out, bei der eine ge­naue Ab­fol­ge von Ar­beits­schrit­ten ein­ge­hal­ten wer­den muss, um die Si­cher­heit der Ar­bei­ter*innen zu ga­ran­tie­ren.“ Die An­lei­tun­gen für die­ses Pro­ze­de­re seien manch­mal auf Pa­pier do­ku­men­tiert, manch­mal in PDFs oder in an­de­ren Da­tei­en – und ent­schei­den­de De­tails sind oft nur im Kopf von Ar­bei­ter*innen ge­spei­chert, die jah­re­lan­ge Er­fah­rung mit einer Ma­schi­ne haben.

Marta Sabou und ihre PERKS-​Kolleg*innen ent­wi­ckeln nun eine Künst­li­che In­tel­li­genz, die mit­tels Na­tu­ral Lan­guage Pro­ces­sing (NLP) alle diese In­for­ma­tio­nen sam­melt und ord­net. „Das funk­tio­niert so ähn­lich, wie man es von ChatG­PT kennt, aber spe­zi­ell op­ti­miert für pro­ze­du­ra­les Wis­sen.“

Im nächs­ten Schritt soll die­ses Wis­sen in mög­lichst ein­fa­cher Form für In­dus­trie­ar­bei­ter*innen ver­füg­bar ge­macht wer­den. Das ös­ter­rei­chi­sche Un­ter­neh­men Onlim ent­wi­ckelt dafür etwa einen Chat­bot, den neue Be­schäf­tig­te be­fra­gen kön­nen, wenn sie bei der Be­die­nung einer Ma­schi­ne Hilfe brau­chen. „Ge­nau­so vor­stell­bar wäre aber auch ein As­sis­tenz­sys­tem, das einen mit einer Stim­me wie von Alexa oder Siri durch die ein­zel­nen Ar­beits­schrit­te führt“, er­gänzt Marta Sabou – „oder viel­leicht sogar ein Ro­bo­ter, der in ei­ge­nen Wor­ten er­klä­ren kann, wie er ge­war­tet wer­den muss.“

Der Mensch im Mit­tel­punkt

Damit ge­hört das Pro­jekt PERKS zu einem neuen For­schungs­ge­biet, das mit dem Schlag­wort „In­dus­trie 5.0“ be­zeich­net wird: „Als vor etwa zehn Jah­ren die In­dus­trie 4.0 aus­ge­ru­fen wurde, ging es vor allem um Au­to­ma­ti­sie­rung und Ef­fi­zi­enz­stei­ge­rung – also darum, den Men­schen mög­lichst aus den Pro­zes­sen her­aus­zu­neh­men“, sagt Marta Sabou von der WU. In­dus­trie 5.0 will das Ge­gen­teil er­rei­chen und den Men­schen in den Mit­tel­punkt stel­len. Das Ziel von PERKS ist also nicht nur bes­se­rer Wis­sens­trans­fer und damit hö­he­re Ef­fi­zi­enz. Es geht auch darum, die Un­fall­ge­fahr stark zu re­du­zie­ren und läs­ti­gen Pa­pier­kram zu ver­mei­den: „Wir wol­len Tech­no­lo­gie nut­zen, um den Men­schen zu un­ter­stüt­zen und seine Ar­beit si­che­rer und an­ge­neh­mer zu ma­chen.“  

Ob diese Ziele er­reicht wer­den kön­nen, wird sich am Ende der 30-​monatigen Pro­jekt­dau­er zei­gen. Mit ers­ten Er­geb­nis­sen ist also im Jahr 2025 zu rech­nen.  

Wei­te­re In­for­ma­tio­nen zum Pro­jekt
Web­site des eu­ro­päi­schen For­schungs­pro­jekts PERKS

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