Hitzebelastung in Städten: Neue Methode hilft, besonders gefährdete Stadtviertel zu identifizieren
Forscher*innen haben eine neue Methode entwickelt, um die Hitzebelastung in verschiedenen Vierteln einer Stadt zu messen. Denn urbane Hitzeinseln werden in Europa zunehmend zur Gefahr: Angesichts immer länger anhaltender Hitzewellen gilt es, besonders gefährdete Stadtviertel zu identifizieren und Anpassungsstrategien zu entwickeln.
„Der durch den Klimawandel verursachte Hitzestress ist ein großer Risikofaktor für die menschliche Gesundheit, insbesondere in Städten, wo immer mehr Menschen im Sommer immer höheren Temperaturen ausgesetzt sind. In Städten ist es in der Regel heißer als in den umliegenden ländlichen Gebieten, da dunkle und undurchdringliche Oberflächen mehr Wärme absorbieren“, erklärt die Forscherin Iulia Marginean vom CICERO Center for International Climate Research, die Erstautorin der Studie, die in der Fachzeitschrift Earth's Future veröffentlicht wurde.
Geht es um die Auswirkungen des Klimawandels, sei Hitzebelastung in Städten bisher verhältnismäßig wenig erforscht. Bei der Frage, wie zunehmende Hitze sich auf die öffentliche Gesundheit auswirkt, könnte sie aber eine Schlüsselrolle spielen, betonen die Autor*innen.
„Wir haben einen neuen Ansatz zur Schätzung der Hitzebelastung in Städten entwickelt, der demografische Daten wie Alter, Geschlecht und Bildung in sehr feiner geografischer Auflösung nutzt, um den zukünftigen Hitzestress der Bevölkerung in verschiedenen Teilen einer Stadt vorherzusagen“, so Jesús Crespo Cuaresma von der WU. Die Studie wurde von Forschern des CICERO, der Universität Oslo, der WU Wirtschaftsuniversität Wien, des Internationalen Instituts für angewandte Systemanalyse (IIASA), der Universität Bologna und der Universität Delaware durchgeführt.
Jesús Crespo Cuaresma ist Professor für Makroökonomie am WU Department für Volkswirtschaft. Zu seinen Forschungsinteressen zählt unter anderem die Entwicklung von Modellen, um den menschengemachten Klimawandel besser zu verstehen und seine Folgen einzudämmen.
Effektivere Anpassungsstrategien sind gefragt
„Die wachsende Sorge über hitzebedingte Todesfälle und Gesundheitsprobleme erfordert wirksamere Maßnahmen, die auf die am stärksten gefährdeten Gruppen und Einzelpersonen abzielen“, betont Roman Hoffmann vom International Institute for Applied Systems Analysis (IIASA), ein weiterer Autor der Studie.
Im Jahr 2023 starben in Europa mehr als 47 000 Menschen an den Folgen von Hitze. „Die Bewertung von Hitzerisiken wird oft nur auf der Ebene von Städten vorgenommen und bezieht nur selten das Risiko der jeweiligen Bevölkerung mit ein, die je nach Bevölkerungsgruppe und Gebiet unterschiedlich sein kann“, erklärte Raya Muttarak, Mitautorin von der Universität Bologna.
So sind beispielsweise Menschen über 65 Jahre, Menschen mit niedrigem sozioökonomischem Status und Frauen anfälliger für hitzebedingte Erkrankungen und Sterblichkeit. Außerdem kann die Intensität der Hitzebelastung stark von einem Viertel zum anderen und sogar innerhalb von Stadtvierteln variieren.
Heißes Pflaster: Dieser Stadtplan von Madrid zeigt (a) die durchschnittlichen Maximaltemperaturen im Juni, Juli und August in den Jahren 1970–2000 und gewichtet diese (b) nach Alter und (c) nach Bildungsstand. (Quelle: Marginean, I., Crespo Cuaresma, J. et al. (2024). High-resolution modeling and projecting local dynamics of differential vulnerability to urban heat stress. Figure 3)
Hitzebelastung in Madrid als Fallbeispiel
Spanien ist eines der Länder mit der höchsten hitzebedingten Sterblichkeitsrate in Europa. In diesem Jahr gab es in vielen spanischen Städten, darunter auch in der Hauptstadt Madrid, längere Perioden extremer Hitze. In der Studie wird Madrid als Fallbeispiel herangezogen – und die Ergebnisse zeigen, dass die Hitzebelastung in verschiedenen Stadtteilen und selbst innerhalb desselben Stadtviertels stark schwanken kann.
Die Studie zeigt, dass die am stärksten gefährdeten Bevölkerungsgruppen in einigen der strukturschwächsten Stadtteile Madrids wohnen. In den zentralen und nördlichen Bezirken Madrids ist die Bevölkerung aufgrund ihres relativ hohen Alters besonders durch Hitze gefährdet. Im Stadtteil El Goloso sind 73 Prozent der Einwohner*innen 65 Jahre oder älter, womit dieser Stadtteil das höchste Risiko in Bezug auf das Alter aufweist. In den südöstlichen Stadtteilen Madrids ist die Hitzebelastung aufgrund des relativ niedrigen sozioökonomischen Status und niedrigen Bildungsniveaus der Bevölkerung besonders hoch. Dies gilt insbesondere für den 18. Bezirk, Villa de Vallecas.
Die Forscher*innen haben zudem verschiedene Zukunftsszenarien entwickelt, um Projektionen der Hitzebelastung mit hoher räumlicher Auflösung zu erstellen. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass Stadtteile, die heute durch Hitzestress gefährdet sind, in Zukunft voraussichtlich noch stärker gefährdet sein werden.
„Wirksamere Anpassungsstrategien, die auf die am stärksten gefährdeten Stadtviertel abzielen, sind erforderlich, um den zunehmenden Hitzestress zu bewältigen, mit dem Städte, insbesondere in Südeuropa, heute schon konfrontiert sind. Der wirksamste Weg, die Hitzebelastung zu verringern, ist jedoch ein nachhaltiger Entwicklungskurs mit einer raschen Reduktion der Emissionen“, so Iulia Marginean.
Weitere Informationen
Marginean, I., Crespo Cuaresma, J., Hoffmann, R., Muttarak, R., Gao, J., & Daloz, A. S. (2024). High-resolution modeling and projecting local dynamics of differential vulnerability to urban heat stress. Earth's Future, 12, e2024EF004431.