Volkswirtschaft

Hitzebelastung in Städten: Neue Methode hilft, besonders gefährdete Stadtviertel zu identifizieren

29. Oktober 2024

For­scher*innen haben eine neue Me­tho­de ent­wi­ckelt, um die Hit­ze­be­las­tung in ver­schie­de­nen Vier­teln einer Stadt zu mes­sen. Denn ur­ba­ne Hit­ze­in­seln wer­den in Eu­ro­pa zu­neh­mend zur Ge­fahr: An­ge­sichts immer län­ger an­hal­ten­der Hit­ze­wel­len gilt es, be­son­ders ge­fähr­de­te Stadt­vier­tel zu iden­ti­fi­zie­ren und An­pas­sungs­stra­te­gien zu ent­wi­ckeln.

„Der durch den Kli­ma­wan­del ver­ur­sach­te Hit­ze­s­tress ist ein gro­ßer Ri­si­ko­fak­tor für die mensch­li­che Ge­sund­heit, ins­be­son­de­re in Städ­ten, wo immer mehr Men­schen im Som­mer immer hö­he­ren Tem­pe­ra­tu­ren aus­ge­setzt sind. In Städ­ten ist es in der Regel hei­ßer als in den um­lie­gen­den länd­li­chen Ge­bie­ten, da dunk­le und un­durch­dring­li­che Ober­flä­chen mehr Wärme ab­sor­bie­ren“, er­klärt die For­sche­rin Iulia Mar­gi­ne­an vom CI­CE­RO Cen­ter for In­ter­na­tio­nal Cli­ma­te Re­se­arch, die Erst­au­torin der Stu­die, die in der Fach­zeit­schrift Earth's Fu­ture ver­öf­fent­licht wurde.

Geht es um die Aus­wir­kun­gen des Kli­ma­wan­dels, sei Hit­ze­be­las­tung in Städ­ten bis­her ver­hält­nis­mä­ßig wenig er­forscht. Bei der Frage, wie zu­neh­men­de Hitze sich auf die öf­fent­li­che Ge­sund­heit aus­wirkt, könn­te sie aber eine Schlüs­sel­rol­le spie­len, be­to­nen die Autor*innen.

„Wir haben einen neuen An­satz zur Schät­zung der Hit­ze­be­las­tung in Städ­ten ent­wi­ckelt, der de­mo­gra­fi­sche Daten wie Alter, Ge­schlecht und Bil­dung in sehr fei­ner geo­gra­fi­scher Auf­lö­sung nutzt, um den zu­künf­ti­gen Hit­ze­s­tress der Be­völ­ke­rung in ver­schie­de­nen Tei­len einer Stadt vor­her­zu­sa­gen“, so Jesús Cres­po Cua­res­ma von der WU. Die Stu­die wurde von For­schern des CI­CE­RO, der Uni­ver­si­tät Oslo, der WU Wirt­schafts­uni­ver­si­tät Wien, des In­ter­na­tio­na­len In­sti­tuts für an­ge­wand­te Sys­tem­ana­ly­se (IIASA), der Uni­ver­si­tät Bo­lo­gna und der Uni­ver­si­tät De­la­ware durch­ge­führt.

Portraitfoto von Jesús Crespo Cuaresma

Jesús Cres­po Cua­res­ma ist Pro­fes­sor für Ma­kro­öko­no­mie am WU De­part­ment für Volks­wirt­schaft. Zu sei­nen For­schungs­in­ter­es­sen zählt unter an­de­rem die Ent­wick­lung von Mo­del­len, um den men­schen­ge­mach­ten Kli­ma­wan­del bes­ser zu ver­ste­hen und seine Fol­gen ein­zu­däm­men.  

Ef­fek­ti­ve­re An­pas­sungs­stra­te­gien sind ge­fragt

„Die wach­sen­de Sorge über hit­ze­be­ding­te To­des­fäl­le und Ge­sund­heits­pro­ble­me er­for­dert wirk­sa­me­re Maß­nah­men, die auf die am stärks­ten ge­fähr­de­ten Grup­pen und Ein­zel­per­so­nen ab­zie­len“, be­tont Roman Hoff­mann vom In­ter­na­tio­nal In­sti­tu­te for Ap­p­lied Sys­tems Ana­ly­sis (IIASA), ein wei­te­rer Autor der Stu­die.

Im Jahr 2023 star­ben in Eu­ro­pa mehr als 47 000 Men­schen an den Fol­gen von Hitze. „Die Be­wer­tung von Hit­ze­ri­si­ken wird oft nur auf der Ebene von Städ­ten vor­ge­nom­men und be­zieht nur sel­ten das Ri­si­ko der je­wei­li­gen Be­völ­ke­rung mit ein, die je nach Be­völ­ke­rungs­grup­pe und Ge­biet un­ter­schied­lich sein kann“, er­klär­te Raya Mut­tarak, Mit­au­torin von der Uni­ver­si­tät Bo­lo­gna.

So sind bei­spiels­wei­se Men­schen über 65 Jahre, Men­schen mit nied­ri­gem so­zio­öko­no­mi­schem Sta­tus und Frau­en an­fäl­li­ger für hit­ze­be­ding­te Er­kran­kun­gen und Sterb­lich­keit. Au­ßer­dem kann die In­ten­si­tät der Hit­ze­be­las­tung stark von einem Vier­tel zum an­de­ren und sogar in­ner­halb von Stadt­vier­teln va­ri­ie­ren.

Landkarte von Madrid, die Höchsttemperaturen im Sommer zeigt und diese mit Alter und Bildungsstand der Bevölkerung in Verbindung setzt.

Hei­ßes Pflas­ter: Die­ser Stadt­plan von Ma­drid zeigt (a) die durch­schnitt­li­chen Ma­xi­mal­tem­pe­ra­tu­ren im Juni, Juli und Au­gust in den Jah­ren 1970–2000 und ge­wich­tet diese (b) nach Alter und (c) nach Bil­dungs­stand. (Quel­le: Mar­gi­ne­an, I., Cres­po Cua­res­ma, J. et al. (2024). High-​resolution mo­de­ling and pro­jec­ting local dy­na­mics of dif­fe­ren­ti­al vul­nera­bi­li­ty to urban heat stress. Fi­gu­re 3)

Hit­ze­be­las­tung in Ma­drid als Fall­bei­spiel

Spa­ni­en ist eines der Län­der mit der höchs­ten hit­ze­be­ding­ten Sterb­lich­keits­ra­te in Eu­ro­pa. In die­sem Jahr gab es in vie­len spa­ni­schen Städ­ten, dar­un­ter auch in der Haupt­stadt Ma­drid, län­ge­re Pe­ri­oden ex­tre­mer Hitze. In der Stu­die wird Ma­drid als Fall­bei­spiel her­an­ge­zo­gen – und die Er­geb­nis­se zei­gen, dass die Hit­ze­be­las­tung in ver­schie­de­nen Stadt­tei­len und selbst in­ner­halb des­sel­ben Stadt­vier­tels stark schwan­ken kann.

Die Stu­die zeigt, dass die am stärks­ten ge­fähr­de­ten Be­völ­ke­rungs­grup­pen in ei­ni­gen der struk­tur­schwächs­ten Stadt­tei­le Ma­drids woh­nen. In den zen­tra­len und nörd­li­chen Be­zir­ken Ma­drids ist die Be­völ­ke­rung auf­grund ihres re­la­tiv hohen Al­ters be­son­ders durch Hitze ge­fähr­det. Im Stadt­teil El Go­lo­so sind 73 Pro­zent der Ein­woh­ner*innen 65 Jahre oder älter, womit die­ser Stadt­teil das höchs­te Ri­si­ko in Bezug auf das Alter auf­weist. In den süd­öst­li­chen Stadt­tei­len Ma­drids ist die Hit­ze­be­las­tung auf­grund des re­la­tiv nied­ri­gen so­zio­öko­no­mi­schen Sta­tus und nied­ri­gen Bil­dungs­ni­veaus der Be­völ­ke­rung be­son­ders hoch.  Dies gilt ins­be­son­de­re für den 18. Be­zirk, Villa de Valle­cas.

Die For­scher*innen haben zudem ver­schie­de­ne Zu­kunfts­sze­na­ri­en ent­wi­ckelt, um Pro­jek­tio­nen der Hit­ze­be­las­tung mit hoher räum­li­cher Auf­lö­sung zu er­stel­len. Sie kom­men zu dem Er­geb­nis, dass Stadt­tei­le, die heute durch Hit­ze­s­tress ge­fähr­det sind, in Zu­kunft vor­aus­sicht­lich noch stär­ker ge­fähr­det sein wer­den.

„Wirk­sa­me­re An­pas­sungs­stra­te­gien, die auf die am stärks­ten ge­fähr­de­ten Stadt­vier­tel ab­zie­len, sind er­for­der­lich, um den zu­neh­men­den Hit­ze­s­tress zu be­wäl­ti­gen, mit dem Städ­te, ins­be­son­de­re in Süd­eu­ro­pa, heute schon kon­fron­tiert sind. Der wirk­sams­te Weg, die Hit­ze­be­las­tung zu ver­rin­gern, ist je­doch ein nach­hal­ti­ger Ent­wick­lungs­kurs mit einer ra­schen Re­duk­ti­on der Emis­sio­nen“, so Iulia Mar­gi­ne­an.

Wei­te­re In­for­ma­tio­nen

Mar­gi­ne­an, I., Cres­po Cua­res­ma, J., Hoff­mann, R., Mut­tarak, R., Gao, J., & Daloz, A. S. (2024). High-​resolution mo­de­ling and pro­jec­ting local dy­na­mics of dif­fe­ren­ti­al vul­nera­bi­li­ty to urban heat stress. Earth's Fu­ture, 12, e2024EF004431.

Link zur Stu­die

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