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Betriebsrat für das wissenschaftliche Personal

Social Distancing und Lehre – wie geht das zusammen?

Distanzlehre

Unter großem persönlichem Engagement und dem Zurückstellen vieler weiterer (privater wie beruflicher) Pflichten ist es den Lehrenden und ihren studentischen HelferInnen in kürzest möglicher Zeit gelungen, die Lehrprogramme der WU auf Distanzlehre umzustellen. Wie mehrfach von VR Rammerstorfer in den letzten Tagen hervorgehoben, ist das eine ganz besonders tolle Leistung von uns allen!

Digitale Optionen und deren Grenzen

In ganz vielen Bereichen beobachten wir, dass die Lehrveranstaltungen interaktiv zu den angekündigten Lehrveranstaltungszeiten stattfinden und das Ziel darin besteht, den Studierenden die Durchführung ihres Studiums im laufenden Sommersemester entsprechend ihren Planungen zu ermöglichen. Die Umsetzungswege, die dafür gewählt werden, sind vielfältig.

Es gibt Lehrveranstaltungstypen, die für das Selbststudium auf „besprochene Konserven" (also Folien mit Audiospur unterlegt) ausweichen können. Diese Audiospuren gut aufzubereiten erfordert allerdings auch eine gute Vorbereitung und hohe Aufmerksamkeit der Lehrenden. Der überwiegende Teil der Lehrveranstaltungen findet jedoch als prüfungsimmanente Lehrveranstaltungen statt. Bei diesen Formen ist erforderlich, dass für die Lehrveranstaltungen interaktive Konferenz- bzw. Webinarsysteme genutzt werden und diese stabil und in guter Dienstqualität zur Verfügung gestellt werden. Mit MS Teams, MS Skype oder Adobe Connect werden hier entsprechende Systeme zur Verfügung gestellt – das ist eine ganz wichtige Unterstützung, die ua auch durch eine kurzfristige Erweiterung der entsprechenden Betriebsvereinbarungen durch die beiden BR-Gruppen ermöglicht wurde.

Leider gibt es bei diesen Anwendungen auch immer wieder Problembereiche, von denen Lehrende und Studierende berichten und die den Erfolg von Lehrveranstaltungen beeinträchtigen, beispielsweise, wenn Studierende gar nicht beitreten können, unzureichende oder keine beständige Ton- bzw. Bildqualität haben, nicht fragen können oder gar aus der Sitzung fliegen. Technische Probleme treten auch bei Lehrenden auf, die keine IT-Hardware von der WU zur Verfügung gestellt bekommen und die Systeme auf ihren privaten Geräten und über ihre privaten Internetanbindungen nutzen (müssen).

Von den Studierenden kommt sehr oft das Feedback, dass sie sehr froh über die Weiterführung der Lehre sind. Vereinzelt fordern Studierende allerdings auch Optionen, die für die Lehrenden nicht realisierbar sind. Hier müssen die Grenzen des jeweils Machbaren klar kommuniziert werden. Weit überwiegend ist den Studierenden bewusst, dass wir uns alle in einer Ausnahmesituation befinden. Sie sind dankbar über den Einsatz und die vielen Improvisierungsinitiativen der Lehrenden und sind daher auch gewillt, Verständnis für technische Mängel und Aussetzer aufzubringen. An manchen Stellen beginnen die Studierenden, bei Problemen Alternativen aus ihren gewonnenen Erfahrungen in anderen Lehrveranstaltungen mit alternativen Konferenzsystemen vorzuschlagen, aber bis dato durchwegs in einer konstruktiven Art und Weise. In diesem Zusammenhang möchten wir anmerken, dass das VR Lehre bei der Umsetzung der Distanzlehre ganz bewusst verschiedene Wege aufgezeigt hat und es entsprechend auch eine Vielzahl an unterschiedlichen Umsetzungsformen gibt.

Nach den ersten 14 Tagen des breiten Ausrollens der Distanzlehre zeigen sich aber noch weitere Effekte. Studierende nützen die Möglichkeit, sich mit ihren Fragen und Problemen über ganz verschiedene Kanäle an die Lehrenden zu wenden. Dazu kommt noch ein erhöhtes Aufkommen in der Betreuung über E-Mail, das sehr zeitintensiv werden kann. Den wissenschaftlichen MitarbeiterInnen  bleibt damit deutlich weniger Zeit für andere, ebenfalls zu erledigende Aufgaben, bei LektorInnen werden weit höhere als die üblichen Zeitbudgets beansprucht, die der Entlohnung zu Grunde liegen.

Digitale Infrastruktur – notwendige Flexibilität

Damit diese Umstellung so gut funktionieren konnte und kann, ist aus unserer Sicht maßgeblich, dass sich die bestehende WU-Infrastruktur, allen voran die Lernplattform LEARN, in dieser Ausnahmesituation unglaublich gut für die Lehrenden bewährt hat und auch wirklich erstaunlich stabil und performant über diese ganze Zeit geblieben ist. Die Funktionalitäten dieses Systems wurden in den mannigfachen Informationen zur Umstellung der Lehre auf Distanzlehre mehrfach herausgehoben und diese Hinweise sind für die Lehrenden der WU absolut wesentlich, damit hier diese Unterstützung für die eigene Lehrveranstaltung erschlossen werden kann.

Neben der Lernplattform und all ihren Spielarten sind die schon erwähnten Konferenzsysteme zu einem zentralen Anker geworden. Aufgrund interner Regelungen werden von der WU vor allem die Systeme von Microsoft (MS Teams, Skype for Business) und Adobe (Connect) empfohlen. Es wurden in diesem Zusammenhang in kürzester Zeit Anleitungen für Lehrende und Studierende erstellt – trotzdem war und ist es für eine Vielzahl der Beschäftigten Neuland und viele sind in die vollkommen unerwartete Situation gekommen, sich innerhalb weniger Tage mit diesen Tools vertraut machen zu müssen.

Es geht jedoch nicht nur um die Vertrautheit mit dem virtuellen „Klassenraum“ – egal welches System gewählt wird. Der Unterricht auf Distanz, in einem virtuellen Raum hat ganz andere Anforderungen und braucht eine andere Form der Vor- und Nachbereitung, als dies die übliche Präsenzlehre mit sich bringt. Diese neuen Anforderungen zu erkennen und entsprechend die Unterrichtssequenzen und Unterlagen anzupassen, dem erhöhten Koordinations- und Kommunikationsbedarf zu entsprechen, ist eine große Herausforderung – unabhängig davon wie groß der Erfahrungsschatz der Lehrenden ist.

Kapazitätsrechnungen an Hochschulen 1, in Nichtkrisenzeiten und unter idealen Rahmenbedingungen (lange Vorlaufzeiten, maximale Unterstützung und begleitende Weiterbildungsmaßnahmen), gehen selbst bei einem niederschwelligen Einsatz von eLearning-Techniken in der Distanzlehre bzw. im „Blended Learning“ von 45% mehr Arbeitszeit für eine LV-Stunde im virtuellen „Klassenraum“ aus als für eine vergleichbare Präsenzstunde. In der aktuellen Ausnahmesituation wird diese Mehrarbeit nun in einem noch dazu ungemein kleinen Zeitraum von nur wenigen Wochen schlagend. In der didaktischen Umsetzung passiert sehr viel und es ist wunderbar, wie viel kreatives Potenzial hier frei wird. Die Umsetzung vieler dieser Ideen ist aber auch mit entsprechender Rüstzeit und besonderen Bedürfnissen der Lehrenden verbunden.

Identifizierte Problembereiche

Neben der Herausforderung einer anderen, neuen didaktischen Aufbereitung der Lehreinheiten erscheint aus unserer Sicht der ganze Bereich der Leistungsfeststellungen noch ungelöste Probleme aufzuwerfen. Der gesamte Prüfungsbereich ändert sich unter den gegebenen Bedingungen. Teilweise ist es möglich, Prüfungen durch alternative, schriftliche Lösungen zu ersetzen. Für andere Fälle schlägt das Rektorat sogenannte „Take-Home-Exams“, unbeaufsichtigte Onlineprüfungen auf LEARN oder mündliche Prüfungen via Microsoft Teams vor. Dies setzt eine entsprechende Infrastruktur sowie Kompetenz bei Lehrenden und Studierenden voraus. Der zusätzliche Aufwand für Lehrende, kritische Fälle von technischen Problemen während der Prüfungszeit zu dokumentieren und zu würdigen, Ersatzleistungen einzuräumen, sowie Erschleichungsversuche zu unterbinden (etwa durch neue, aufwändige Prüfungsdesigns) erscheint beachtlich. All dies sicherzustellen, in allen Fällen und in der Kürze der Zeit, dürfte kaum möglich sein. Bereits bei der Lehre treten infrastrukturelle Probleme auf, bei Prüfungen sind diese ungleich relevanter, da sie direkt auf die (dann nicht-) ordnungsgemäße Prüfungsabwicklung, auf das Leistungsergebnis, die Note und auch auf die Möglichkeiten zur Beeinspruchung negativer Beurteilungen Einfluss haben. Großprüfungen sind bereits im Präsenzmodus eine große organisatorische Herausforderung. Zudem ist es ein Problem, sicherzustellen, dass die Leistung ohne Beiziehung unerlaubter Hilfsmittel erstellt worden ist. Identitätsfeststellungen sind eine Herausforderung. Und die Frage, wie Beanstandungsgründen bei schriftlichen Prüfungsleistungen, die durch technische oder andere Störungen in eAssessments entstehen, begegnet wird, ist ebenfalls zu klären. Bei all den angedachten Möglichkeiten ist aus unserer Sicht der Aufwand dafür in Relation zur Einmaligkeit der gefundenen Lösung zu setzen, wenn in Präsenzmodi diese Möglichkeiten dann nicht mehr eingesetzt werden.

Alle Prüfungsformate sind durch den deutlich höheren technischen Vorbereitungsaufwand bzw die steigenden Feedback-Notwendigkeiten mit hohem, zusätzlichem Zeitaufwand verbunden. Dieser Zusatzaufwand ist auch in Beziehung zu setzen zu jenen Prüfungszeiträumen (eine Prüfungswoche, ein Semester, ein Studienjahr?), die im aktuellen Distanzmodus als Notbetrieb abgehalten werden müssen.

Auch wenn wir uns natürlich bemühen, dass wir den Umständen geschuldet geeignete alternative Formen für Prüfungen finden, wäre es toll, gelänge es dem VR Lehre - vielleicht durch Bündeln aller Kräfte und kreativen Ideen dafür an der WU - möglichst viele Lösungsansätze und Lösungsalternativen zu finden, die wir Lehrenden im Kontext von "Distanzlehre" für die Durchführung von Prüfungen kommunizieren könnten. Eventuell müssten Prüfungen auf einen Zeitraum verlegt werden, wo das physische Zusammenkommen mit den Studierenden an der WU wieder erlaubt ist, damit die Prüfungen wie gehabt beaufsichtigt und ordnungsgemäß durchgeführt werden können.

Die nun erzwungene Distanzlehre ist in vielen Fällen eine improvisierte Notlösung. Didaktik und Prüfungsmodus müssen vielfach gravierend geändert werden. Von daher können die Lehrveranstaltungen weder an ihren ursprünglichen Lernzielen noch an der Normalität gemessen werden. Entsprechend kann eine Standardevaluierung von Lehrveranstaltungen nur freiwillig erfolgen. Dies ist ein Gebot der Fairness. Wir plädieren in diesem Zusammenhang dieses Semester als eine Art „neutrales“ Semester einzustufen und es somit nicht in Vergleiche mit früheren oder zukünftigen Semestern miteinzubeziehen. Situationsadäquater erscheint uns vielmehr in diesem Semester eine eigene, stärker offen gestaltete Befragung von Lehrenden und Studierenden zu konzipieren, in der Feedback eingeholt werden könnte, wie die Beteiligten dieses „Ausnahmesemester“ erlebt haben, was sehr gut / weniger gelaufen ist, wo gilt es  für mögliche Wiederholungen von solchen Ausnahmesituationen sich besonders vorzubereiten bzw. Vorsorge zu treffen etc.

Wir sehen, wie derzeit alle Lehrenden, aber hier insbesondere die jungen NachwuchswissenschaftlerInnen all ihre Kraft und ihr Engagement aufbringen, um die Lehre an der WU zu ermöglichen, aufrecht zu erhalten und nach Menschenmöglichkeit den Studierenden einen bestmöglichen Unterricht zu bieten, wobei die Heimarbeitssituation die Qualitätssicherung von Distanzformaten zum Teil erschwert. Das alles unter den besonderen Umständen geschuldeten, widrigen Rahmenbedingungen und unter hohem persönlichen Einsatz und verstärktem Arbeitsaufwand. Wir beobachten aber gleichzeitig auch, wie sehr sie dabei ihre eigenen Bedürfnisse zuhause (Jungfamilien, teils mit Kindern) sowie ihre für sie so wichtige Forschungsarbeit zum Abschluss ihrer angestrebten akademischen Grade hintanstellen, weshalb im Einzelfall befürchtet wird, dass die restliche Vertragslaufzeit nicht mehr ausreicht, die in der Forschung verlorene Zeit aufzuholen.  Das alles um der WU und ihren Studierenden so gut wie derzeit möglich zu helfen. Je nachdem wie lange der Ausnahmezustand noch andauern wird möchten wir anregen, dass sobald hier der Notfall in der Lehre bereinigt ist und sich alles wieder im halbwegs normalen Rahmen bewegt, all diesen Personen ihre über dann Wochen andauernde Überlast so gut wie möglich abgegolten wird.

Als wissenschaftlicher Betriebsrat laden wir ein, uns Erfahrungsberichte mit der Umsetzung der Distanzlehre, insbesondere den diversen Konferenzsystemen zu übermitteln und wir freuen uns auf entsprechende Rückmeldungen per Email. Abschließend wünschen wir uns allen für die weitere, erfolgreiche Bewältigung dieser Krise in der "Distanzlehre" viel Erfolg und alles Gute!

1 Referenz: https://his-he.de/fileadmin/user_upload/Publikationen/Forum_Hochschulentwicklung/fh-200806.pdf

27.03.2020

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