Betriebsrat für das wissenschaftliche Personal
Substanzielle und problematische Novelle des Universitätsgesetzes
Mitten in der Pandemiezeit hat die Bundesregierung eine substanzielle Novellierung des Universitätsgesetzes (hier Link) in Angriff genommen. Sie betrifft das Personalrecht, vor allem im Bereich der weit verbreiteten Kettenverträge, sowie das Organisations- und Studienrecht.
Besonders relevant für die wissenschaftlich Beschäftigten sind die geplanten Veränderungen der Kettenvertragsregelungen in § 109 UG. Diese Veränderungen reagieren zum Teil auf ein Urteil des EUGH. Grundsätzlich soll künftig für das gesamte wissenschaftliche und künstlerische Personal eine maximale Gesamtdauer von befristeten Verträgen an einer Universität von acht Jahren gelten. Hierauf sollen aber künftig Beschäftigungen, „die auch den Abschluss eines Doktoratsstudiums zum Inhalt haben“ im Ausmaß von höchstens vier Jahren nicht eingerechnet werden (vgl. § 109 Abs 6 UG-Novelle). Diese Regelung würde dazu führen, dass künftig Beschäftigungszeiten als z.B. Univ.-Ass Praedoc bis zum Ausmaß von vier Jahren nicht für die Gesamtdauer einer befristeten Beschäftigung zur Universität berücksichtigt werden. Dies gilt bisher nur für Zeiten als studentische MitarbeiterIn.
Innerhalb dieser acht Jahre sollen eine zweimalige Verlängerung bzw. ein zweimaliger Neuabschluss von befristeten Verträgen möglich sein. Die Höchstdauer der einzelnen Verträge wäre aber mit jeweils sechs Jahren begrenzt. Für bestimmte Beschäftigungsverhältnisse sollen allerdings Ausnahmen gelten. Einerseits ließe die Novelle zu, dass bei Beschäftigungen in Projekten gemäß § 26 und § 27 UG innerhalb der möglichen acht Jahre eine unbegrenzte Zahl an Befristungen abgeschlossen werden können. Dies soll andererseits auch bei LektorInnen möglich sein, allerdings soll eine mehrfache Verlängerung bzw. ein mehrfacher Neuabschluss nur innerhalb von sechs Studienjahren möglich sein.
Anders als bisher sieht die Novelle auch vor, dass die einzelnen Befristungen auch dann für die maximal mögliche Dauer zusammen zu zählen wären, wenn sie nicht unmittelbar aufeinanderfolgen. Wurden daher z.B. im Rahmen von globalbudgetfinanzierten Stellen mehrere Befristungen im Ausmaß von acht (sollten auch Zeiten als Univ.-Ass Praedoc darunter fallen im Ausmaß von zwölf) Jahren zurückgelegt, würde unabhängig von einem direkten zeitlichen Aufeinanderfolgen dieser Befristungen an dieser Universität nur mehr die Möglichkeit bestehen, im Rahmen eines unbefristeten Vertrages beschäftigt zu werden. Eine erneute befristete Beschäftigung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses wäre an dieser Universität für alle Zukunft unzulässig.
Die geplanten Neuregelungen sollen alle Arbeitsverträge betreffen, die ab dem 1. Mai 2021 neu abgeschlossen werden.
Die Gewerkschaft öffentlicher Dienst (GÖD) lehnt in einer Erklärung die vorgeschlagene Neuregelung bei den Kettenverträgen ab. Sie tritt dafür ein, dass eine Aneinanderreihung von Befristungen nur „aufgrund explizit sachlich gerechtfertigter Gründe zulässig ist“. Aus ihrer Sicht müsste die bisher geübte Kettenvertragspraxis speziell in der Lehre durchbrochen werden und eine stärkere Kontinuität forschungsgeleiteter Lehre sichergestellt werden. Sie fordert auch eine „soziale Verantwortung“ für drittmittelfinanziertes Personal ein.
In Deutschland haben Kettenvertragsregelungen, die der geplanten UG-Novelle ähnlich sind, nicht zur Einbremsung des Kettenvertragswesens an Universitäten geführt. Umgehungsstrategien bei den LektorInnen über die verstärkte Vergabe von freien Dienstverträgen, einer besonders prekären Beschäftigungsform, sind denkbar. Bisher haben Universitäten von der Möglichkeit der Entfristung der Beschäftigung von bereits längerfristig beschäftigten LektorInnen kaum Gebrauch gemacht. Dies wäre aber geboten. Entfristungsmodelle wären notwendig. In vielen Fällen dürfte die Deckelung der Höchstbeschäftigungsdauer an einer Universität für die meisten weiterhin mit Kettenverträgen Beschäftigten auf ein universitätsbezogenes Arbeitsverbot hinauslaufen.
Organisationsrechtlich sieht die geplante Novelle eine weitere Stärkung der Rektorate und der Universitätsräte vor. Umgekehrt würde dies eine Schwächung der demokratischen Selbstverwaltungsorgane bedeuten. Dies steht in Kontinuität mit der Entwicklung der Universitätsgesetzgebung seit fast drei Jahrzehnten. Ihren konkreten Ausdruck findet diese Tendenz unter anderem im Bestellungsmodus für RektorInnen. Hier soll die Findungskommission zwar aufgestockt werden, VertreterInnen der Belegschaft bzw. des Arbeitskreises für Gleichbehandlungsfragen (AKG) wären allerdings weiterhin nicht vorgesehen. Bei der ersten Wiederbestellung ohne Ausschreibung wäre zwar eine Zweidrittelmehrheit des Universitätsrates erforderlich, der Senat würde aber nur angehört. Erst bei einer zweiten Wiederbestellung ohne Ausschreibung müsste sowohl der Universitätsrat als auch der Senat mit Zweidrittelmehrheit zustimmen. Positiv ist die geplante Präzisierung zu bewerten, dass ein/e RektorIn über „Kenntnisse des österreichischen Universitätssystems“ verfügen muss. Auch eine Altersgrenze von 70 Jahren für die Tätigkeit als RektorIn soll eingezogen werden.
Gestärkt werden soll das Rektorat in Curricula-Angelegenheiten. In § 22 UG würden die Rektorate sowohl ein Initiativrecht für Curriculumsänderungen als auch eine Richtlinienkompetenz bei der Ausgestaltung der Curricula erhalten. Auch dies ist als eine Einschränkung der Kompetenzen des Senats zu werten. Eine gestärkte Rolle des Rektorats sieht der Entwurf der Gesetzesnovelle auch bei Berufungsverfahren vor. So könnte der/die RektorIn laut der geplanten Neufassung von § 98 UG ProfessorInnen bzw. Personen aus der Universitätsverwaltung mit der Begleitung von Berufungsverfahren betrauen. Eine oder einer der so beauftragten UniversitätsprofessorInnen wäre berechtigt, der Kommission als nicht-stimmberechtigtes Mitglied anzugehören. Der/Die RektorIn wäre vorab zu informieren, welche Bewerbungen an die GutachterInnen weitergeleitet werden. Wenn sieben Monate nach dem Ende der Bewerbungsfrist kein begründeter Besetzungsvorschlag vorläge, könnte der/die RektorIn aufgrund der vorliegenden Unterlagen die Auswahlentscheidung selbst treffen.
An einigen der von der österreichischen Bundesregierung benannten Mitglieder von Universitätsräten hat sich in der Vergangenheit erheblich Kritik entzündet. Dieser trägt die geplante Novelle jetzt zumindest insofern Rechnung, als der zuständige Minister bzw. die zuständige Ministerin ihre Vorschläge für die durch die Bundesregierung zu benennenden Universitätsräte zumindest begründen müssen soll. Analoges soll für die Senatsvorschläge gelten.
Geplante organisationsrechtliche Änderungen betreffen auch den Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen (AKG). Dieser soll künftig gewählt werden. Als problematisch ist einzuschätzen, dass laut dem Gesetzesänderungsvorschlag Mitglieder des AKG künftig nicht mehr dem Senat angehören dürfen. Sofern dies auch abgeleitete Senatskommission, wie Berufungskommissionen beträfe, würde der AKG in Personalangelegenheiten stärker an den Rand gedrängt.
Studienrechtlich hat vor allem die geplante Einführung einer Mindeststudien- und –prüfungsleistung von 24 ECTS-Punkten in den ersten vier Semestern Kritik ausgelöst, vor allem im Hinblick auf die Probleme erwerbstätiger Studierender. Andere vorgeschlagene Vorhaben im Bereich des Studienrechts betreffen unmittelbar auch die wissenschaftlichen Beschäftigten. So soll das Wintersemester künftig strikt mit dem 28. bzw. 29. Februar, das Sommersemester mit dem 30. September enden. Die bisherige Nachfrist soll entfallen. Damit würde es wohl zu einem noch stärkeren Termindruck bei den Abschlussarbeiten kommen. Deutlich bürokratisiert und inflexibler würden laut geplanter Novelle die Ankündigungen von Lehrveranstaltungen werden.
Der Entwurf der Gesetzesnovelle beinhaltet mithin einige sehr problematische Punkte, bei denen auf Abänderungen gedrängt werden muss.
18.12.2020