Universität

Nationalsozialistischer Bücherraub

27. Juli 2021

Restitution eines Buches aus den Beständen der WU Universitätsbibliothek

Am 22. Juli 2021 war die WU zu Gast im Jüdischen Museum Wien. Im Mittelpunkt einer öffentlichen Veranstaltung stand ein Buch aus dem Jahr 1881, das in der NS-Zeit im Zuge der „Arisierung“, also des staatlich gelenkten Raubes von jüdischem Eigentum, in die Bibliothek ihrer Vorgängerinstitution, der Hochschule für Welthandel, gekommen ist. Bei dem Buch handelt es sich um den Bericht des damaligen Vizebürgermeisters von Wien Julius Ritter von Newald über die Wiener Gemeindeverwaltung in den Jahren 1877 bis 1879. Das Exemplar hatte dem angesehenen Wiener Textilunternehmer Sigmund Mayer (1831–1920) gehört, der ab 1880 ein Mandat im Wiener Gemeinderat hatte.

Dass die Hochschule für Welthandel das Buch mit Datum vom November 1942 in ihren Bestand aufnahm, dürfte mit der Verfolgung der Nachfahren von Sigmund Mayer durch die Nationalsozialisten zusammenhängen. Konkret ging es um die beiden Erben von dessen Bibliothek, nämlich um den Sohn Felix und die Tochter Helene: Felix sah sich gezwungen, nach dem „Anschluss“ Österreichs (März 1938) in die USA zu flüchten, um sich vor der Verfolgung der jüdischen Bevölkerung in Sicherheit zu bringen. Und Helene wurde im Ghetto von Łódź ermordet.

Mit Unterstützung des Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus gelang es dem Team Provenienzforschung der WU, die Rechtsnachfolge zu ermitteln: Dr. Karina Urbach. An sie konnte Bibliotheksdirektor Nikolaus Berger nun das Buch, das einst ihrem Urgroßvater Sigmund Mayer gehört hatte, übergeben.

Damit hat die WU mittlerweile zum siebten Mal eine Restitution durchgeführt. Wie Vizerektorin Tatjana Oppitz in ihrem Grußwort deutlich machte, gehört die Provenienzforschung neben dem Gedenkprojekt und Einzelveranstaltungen wie zur „Affäre Borodajkewycz“ zu den Bemühungen der WU, ihre Vergangenheit selbstkritisch aufzuarbeiten.

Eine besondere Note erhielt die Veranstaltung im Jüdischen Museum durch die Kombination mit der Präsentation der Neuerscheinung „Das Buch Alice“, die Karina Urbach im Vorjahr veröffentlicht hat. Hierin weist die Historikerin nach, dass unter dem Nationalsozialismus ein Kochbuch, das ihre Großmutter Alice 1936 publiziert hatte, unter einem anderen Autorennamen neu herausgegeben wurde. Auch nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs weigerte sich der Ernst Reinhardt-Verlag, den Raub geistigen Eigentums anzuerkennen. Erst 37 Jahre nach dem Tod von Alice Urbach (1983) gab dieser Verlag das Buch „So kocht man in Wien!“ wieder unter dem Namen seiner Autorin Alice Urbach heraus – wenn auch in einer ausgesprochen limitierten Version.

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