Vermögensverteilung: 80 Prozent des Vermögens in den Händen der reichsten 20 Prozent
Bisherige Informationen über Vermögen und Einkommen von Haushalten sind grob und nur bedingt international vergleichbar. Um Verteilungsfragen und Ungleichheit international besser darstellen zu können, schlägt eine Forscherin der WU neue Ansätze vor.
Um die Ungleichheit in Ländern besser abbilden zu können, schlägt Sofie Waltl vom Department of Economics und dem Forschungsinstitut Economics of Inequality an der Wirtschaftsuniversität Wien vor, das weltweit genutzte und einheitliche System der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (ein Buchhaltungssystem, das Vermögens-, Einkommens- und Verbrauchssummen für jedes Land der Welt ausweist) mit Verteilungsdaten zu ergänzen. Verteilungsdaten geben Aufschluss darüber, wieviel Prozent einer wirtschaftlichen Komponente, z. B. des Vermögens, den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen gehören. Dazu können etwa Haushaltserhebungen dienen, die die Struktur der Vermögensbestände der privaten Haushalte aufzeigen.
Diese Methode ermöglicht es, herauszufinden wie viele Haushalte einkommensarm aber vermögend sind und daher viel besser auf Krisenzeiten vorbereitet sind als Haushalte, die sowohl einkommens- als auch vermögensarm sind. Letztere sind etwa der Inflation oder Arbeitslosigkeit nahezu ungeschützt ausgeliefert und nicht in der Lage, selbst kleine Veränderungen ihrer wirtschaftlichen Situation abzufedern.
Sofie Waltl hat Mikrodaten aus Haushaltsbefragungen, Informationen über die vermögendsten Haushalte aus Reichenlisten und Tabellen aus Vermögenssteuerdaten für mehrere europäische Länder zusammengetragen und sie mit den Daten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen abgeglichen. Mittels dieser Methode hat sie die Verteilung von Reichtum in Österreich im Vergleich zu Deutschland, Finnland, Frankreich und Spanien untersucht.
Die wichtigsten Ergebnisse:
Reichtum ist stark an der Spitze konzentriert: Die größte Konzentration liegt in Österreich und Deutschland vor. Dort liegen ca. 80 Prozent des Gesamtvermögens in den Händen der reichsten 20 Prozent.
In den untersuchten Ländern besitzen die einkommensreichsten 20 Prozent zwischen 48 und 62 Prozent des Gesamtvermögens.
In allen Ländern sind bis zu 10 Prozent der Haushalte einkommensarm, vermögensarm und mieten ihren Hauptwohnsitz.
Ihnen gegenüber stehen 4,5 Prozent der Haushalte, die einkommens- und vermögensreich sind, eine eigene Wohnung besitzen und über Kapitaleinkommen verfügen.
Auch das Unternehmensvermögen ist stark an der Spitze konzentriert: mehr als 90 Prozent des gesamten Unternehmensvermögens wird von den reichsten 20 Prozent gehalten.
Über Sofie Waltl
Sofie Waltl forscht und lehrt am Department for Economics und dem Forschungsinstitut Economics of Inequality an der Wirtschaftsuniversität Wien. Zusätzlich ist sie am Forschungsinstitut LISER in Luxembourg beschäftigt. Ihre Forschung fokussiert auf Fragestellungen im Bereich Verteilungsökonomie, Immobilien- und Mietmärkte sowie methodologische und statistische Problemstellungen.
Sie studierte Mathematik an der Universität Graz und der Technischen Universität Graz, und schloss daran ein Doktorat im Bereich Volkswirtschaft in Graz an. Nach Aufenthalten an der University of California Berkeley und der Europäischen Zentralbank in Frankfurt zog es sie zunächst nach Luxembourg und schließlich an die Wirtschaftsuniversität Wien.
Researcher of the Month
Mit dem „Researcher of the Month“ stellt die WU herausragende Arbeiten von Forscher*innen vor, die mit ihrer Forschung maßgeblich zur Lösung wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und rechtlicher Fragen beitragen. Das monatliche Video „Researcher of the Month“ präsentiert die Arbeit der Forscher*innen und gewährt einen Blick hinter die Kulissen der vielfältigen WU-Forschung.
Weitere Informationen
Sofie Waltl und ihre Forschung im Film
Sofie Waltl: Wealth inequality: A hybrid approach toward multidimensional distributional national accounts in Europe, https://doi.org/10.1111/roiw.12519
Sofie Waltl, Robin Chakraborty: Missing the wealthy in the HFCS: Micro Problems with Macro Implications, https://doi.org/10.1007/s10888-021-09519-1
Pressekontakt:
Alexander Vieß
Forschungskommunikation
Wirtschaftsuniversität Wien
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