Twitter in der Kundenkommunikation: Individuelle Ansprache statt Standardfloskeln
Twitter zählt zu den einflussreichsten Social-Media-Plattformen weltweit. Rund 500 Millionen Tweets werden täglich verfasst - mehr als 300 Millionen Menschen tauschen sich monatlich öffentlich über Twitter aus. Grund genug für viele Unternehmen, auch ihre Kommunikation besonders im Service-Bereich auf Twitter zu verlagern. WU-Wissenschaftlerin Ursula Lutzky wollte in ihrer Forschung wissen, wie der Austausch zwischen KundInnen und Unternehmen auf dieser Plattform funktioniert und wie er optimiert werden könnte.
Mehr als 80 Prozent der Twitter-UserInnen nutzen die Onlineplattform via Mobiltelefon. Viele davon versuchen auf diesem Weg in den Austausch mit Unternehmen zu treten, insbesondere wenn es um Probleme mit Serviceleistungen geht, die eine rasche Lösung erfordern. In Großbritannien nutzt die Mehrheit der Transportunternehmen, wie Bahngesellschaften und Fluglinien, Twitter als professionellen Servicekanal und ermutigt ihre KundInnen, sie über Twitter zu kontaktieren. Die Unternehmen versprechen z. B. neueste Updates zu Fahrplänen sowie Unterstützung bei den Anliegen der KundInnen – oft sogar 24 Stunden täglich. Ursula Lutzky vom Institut für Englische Wirtschaftskommunikation an der WU erforscht Kommunikation in Blogs und Microblogs und untersucht, wie sich unser Sprachgebrauch an den Online-Kontext anpasst. Sie wollte in ihren Studien nicht nur wissen, worüber sich KundInnen auf Twitter mit Bahngesellschaften unterhalten, sondern auch welche sprachlichen Mittel dabei zum Einsatz kommen und wie die Interaktion auf Twitter passiert. Damit soll es Unternehmen zukünftig möglich gemacht werden, ihre Kundinnen und Kunden besser zu verstehen und die Kommunikation mit ihnen zu verbessern. Hierfür untersuchte Lutzky mit Hilfe von computergestützter Sprachanalyse unter anderem die Reaktion von KundInnen auf Antworten von Unternehmen.
Standardabfertigung – Fehlanzeige
Die Daten, die für dieses Projekt über einen Zeitraum von mehreren Monaten gesammelt wurden, zeigen das Ausmaß, in dem das Medium des Microblogs für die Kundenkommunikation von britischen Bahnunternehmen genutzt wird ‑ alleine im August 2016 beläuft sich die Gesamtwortzahl der Tweets auf 4,5 Millionen Wörter. „Wenn man bedenkt, dass ein Tweet auf maximal 140 Zeichen beschränkt ist, so scheint dies insgesamt nicht den Umfang der Kommunikation zu hemmen“, so Lutzky. Für ihre Analyse zog sie eine Datensammlung von über 18 Millionen Wörtern heran, die all jene Tweets umfasst, die KundInnen an britische Bahngesellschaften richteten sowie deren Antworten. Die Ergebnisse zeigen, dass KundInnen via Twitter eine Reaktion des Unternehmens erwarten – dementsprechend groß ist der Ärger, wenn diese Hoffnung enttäuscht wird. Gerade über Twitter gehen Userinnen und User von einem raschen Feedback auf ihr Anliegen aus. Doch eine hohe Reaktionsgeschwindigkeit alleine reicht nicht aus. Insbesondere die sprachliche Beschaffenheit der Antwort entscheidet darüber, ob sie zufrieden sind. Während Höflichkeit und zugehörige Sprechakte wie Entschuldigungen wichtig sind, so ist ein Hauptfaktor die Relevanz der Antwort. Dies bedeutet, dass Social-Media-ManagerInnen gefordert sind, auf individuelle Anliegen auch individuell einzugehen und dabei auf nichtssagende Standardantworten zu verzichten. Dementsprechend wichtig ist neben der fachlichen auch eine hohe kommunikative Kompetenz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesem Bereich.
Verbesserungspotenzial vorhanden
„Aufgrund der Reichweite von Twitter, der täglichen Verwendungsfrequenz und des öffentlichen Charakters der Plattform ist es für Unternehmen natürlich wesentlich, dass sie adäquat auf die Anliegen ihrer Kunden eingehen, vor allem um die Verbreitung von negativen Nachrichten zu vermeiden und ihr Image zu schützen“, so Ursula Lutzky, „Die computergestützte linguistische Analyse empirischer Daten ermöglicht es, Wörter in ihrem ursprünglichen Verwendungskontext zu untersuchen. Damit erhalten wir bessere Einblicke in die sprachliche Erwartungshaltung von KundInnen auf Twitter, und Unternehmen können ihren Kundenservice gezielter danach ausrichten.“ Während in Großbritannien Bahnunternehmen bereits weitgehend auf den Twitter-Zug in puncto Kundenservice aufgesprungen sind, so ist dies bei österreichischen Unternehmen, wie zum Beispiel den Österreichischen Bundesbahnen, noch nicht der Fall. Derzeit kann man unter "Kundenservice" auf der ÖBB-Homepage nur zwischen den Optionen „Telefonanruf" und „Email" wählen. Die Zukunft wird weisen, ob auch hier der Fahrtwind bald in eine andere Richtung wehen wird.
Zur Person
Ursula Lutzky ist Assistenzprofessorin am WU-Institut für Englische Wirtschaftskommunikation. Während ihres Doktorratsstudiums an der Universität Wien erhielt sie ein DOC-Stipendium der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, welches es ihr ermöglichte, Forschungsaufenthalte an den Universitäten von München und Lancaster (UK) zu verbringen. Ihre erste Monographie (herausgegeben von John Benjamins), die auf ihrer Dissertation basiert, gewann 2014 den Buchpreis der European Society for the Study of English. Vor ihrer Zeit an der WU arbeitete Ursula Lutzky als Studiengangsleiterin an der School of English der Birmingham City University (UK). Ihre Forschungsinteressen umfassen die Analyse von großen Datensammlungen im Bereich der Onlinemedien und deren Verwendung im Wirtschaftskontext, wie zum Beispiel in der Kundenkommunikation. Eine Übersicht über ihre Publikationen finden Sie in der WU–Forschungsdatenbank FIDES.