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Internationale Wertschöpfungsketten beeinflussen europäische Konjunkturerwartung

30. Jänner 2018

Für die Konjunkturprognose befragen die Europäische Kommission und nationale Forschungsinstitute monatlich rund 135.000 europäische Unternehmen zu ihrer aktuellen Geschäftslage und ihren Einschätzungen für die nächsten Monate. Für Österreich sind die aktuellen Prognosen gut, die Wirtschaft soll weiter wachsen. Eine Studie von WU und WIFO zeigt nun, wie stark die Abhängigkeit der Konjunktureinschätzung von den Verknüpfungen innerhalb der einzelnen Wirtschaftszweige und deren Wertschöpfungsketten ist. Außerdem wird deutlich, dass die konjunkturelle Stimmung auch stark von konjunktur- und wirtschaftspolitischen Maßnahmen abhängt.

Die Konjunkturerwartungen von Unternehmen gelten allgemein als gute Frühindikatoren zur Einschätzung von kurz- und mittelfristigen Wirtschaftsentwicklungen. WU-Wissenschafterin Anja Kukuvec und WU-Professor Harald Oberhofer, auch wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO), untersuchten in einer aktuellen Studie nun die maßgeblichen Bestimmungsfaktoren für die Konjunkturerwartungsbildung in der europäischen Wirtschaft. Dabei berücksichtigten sie vor allem die Tatsache, dass sich Unternehmen in Wirtschaftsbranchen, die in einer Zulieferbeziehung zueinander stehen, in ihrer Erwartungsbildung beeinflussen können. Darüber hinaus analysierten sie auch die Reaktion von Konjunkturerwartungen auf wirtschaftspolitische Maßnahmen, im Konkreten auf Veränderungen von Lohnnebenkosten. Hierfür verwendeten die Studienautoren die vierteljährlichen Daten der EU-Kommission für den Zeitraum von 2005 bis 2014 auf Branchenebene. Die Studie wurde gefördert durch den Jubiläumsfonds der Oesterreichischen Nationalbank.

Wirtschaftliche Verflechtungen verstärken Einschätzungen um 16 Prozent

Die Konjunkturerwartungen innerhalb eines Wirtschaftszweiges werden maßgeblich von anderen Wirtschaftsbranchen beeinflusst, für welche der Wirtschaftszweig Vorleistungen erbringt. Werden Unternehmen in einem Wirtschaftszweig pessimistischer, wirkt sich das somit im Durchschnitt negativ auf die Einschätzungen der vorleistenden Branchen aus, was wiederum die Erwartungen des ursprünglich betroffenen Wirtschaftszweiges beeinflussen kann. Über solche Wechselwirkungen werden Veränderungen der Einschätzungen noch im gleichen Quartal um ca. 16 Prozent verstärkt. So sind beispielsweise die wirtschaftlichen Erwartungshaltungen der österreichischen Zulieferindustrie im Automobilsektor von jenen der deutschen Autohersteller und von anderen Industrien innerhalb dieser Wertschöpfungskette abhängig. Die Ergebnisse zeigen zudem eine starke Persistenz der Konjunkturerwartungen über den Zeitverlauf. Von einem auf das nächste Quartal verändern sich die Erwartungen im Durchschnitt somit relativ wenig. „Die empirischen Ergebnisse zeigen klar, dass sich die Konjunkturerwartung über verschiedene europäische Wertschöpfungsketten hin entwickelt. Von Modellen unerklärte Veränderungen von unternehmerischen Erwartungen werden somit verstärkt, was wiederum zu Wellen an Optimismus bzw. Pessimismus führen kann“, so Kukuvec und Oberhofer, „Diese Erkenntnis kann unser Verständnis hinsichtlich der Entstehung und Ausbreitung von Krisen bzw. wirtschaftlichen Aufschwüngen verbessern.“

Niedrige Erwartungen trotz steigender Nachfrage

Zuwächse in der Herstellung von Zwischen- sowie Endprodukten sind mit optimistischeren Konjunktureinschätzungen in der entsprechenden Wirtschaftsbranche verbunden. Auch die Erwartungen von vorleistenden Wirtschaftsbranchen reagieren positiv auf Zuwächse in der Herstellung von Zwischenprodukten (positive Externalitäten). Im Gegensatz dazu zeigen Zuwächse der Nachfrage nach Endprodukten durchschnittlich negative Effekte auf die Erwartungshaltung aller anderen Wirtschaftszweige: Firmen sorgen sich dabei möglicherweise um einen Rückgang ihrer Wettbewerbsfähigkeit im europäischen Binnenmarkt. „Eine gestiegene Nachfrage nach Produkten von Wettbewerbern aus derselben Branche aber in einem anderen EU-Mitgliedsland deutet daraufhin, dass die heimischen Unternehmen an Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt haben. Zusätzlich gehen wir davon aus, dass Wirtschaftszweige negativ auf die Entwicklung in anderen aber ähnlichen Branchen reagieren. Das heißt beispielsweise, wenn die Nachfrage an Fahrrädern steigt, ist zwar die Prognose dieses Industriezweiges positiv, hingegen korrigiert beispielsweise die Motorrad-Industrie ihre Einschätzung nach unten. Dies löst wiederum weitere Welleneffekte aus“, präzisiert Kukuvec dieses Argument.

Senkung der Lohnnebenkosten sorgt für Optimismus

Konjunktureinschätzungen sind auch von wirtschaftspolitischen Maßnahmen abhängig. Eine Reduktion der Lohnnebenkosten, beispielsweise, beflügelt nicht nur die Erwartungen zur Geschäftslage im betroffenen Wirtschaftszweig, sondern stimmt auch alle anderen Branchen innerhalb derselben Wertschöpfungskette optimistischer. Hier zeige sich laut Oberhofer auch die Wichtigkeit wirtschaftspolitische Maßnahmen speziell auf bestimmte Wirtschaftszweige und Länder abzustimmen. Die Studienergebnisse legen nahe, dass diese effektiver zu sein scheinen als europäische Universalprogramme, um die Widerstandsfähigkeit der gesamten EU zu stärken. „Bei der Ausgestaltung der individuellen Politikmaßnahmen in den einzelnen Mitgliedsländern sollten allerdings auch deren Effekte auf Wirtschaftszweige in anderen EU-Staaten berücksichtigt werden. Das ‚Europäische Semester‘ erscheint somit als sinnvoller institutioneller Rahmen um nationale Politikmaßnahmen innerhalb der EU effektiv koordinieren und die europäischen Wertschöpfungsketten in der Politikgestaltung berücksichtigen zu können.“

ZUR STUDIE

Pressekontakt:
Mag. Anna Maria Schwendinger
PR-Referentin
Tel: + 43-1-31336-5478
E-Mail: anna.schwendinger@wu.ac.at

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