Studie zum gesellschaftlichen und ökonomischen Nutzen des Zivildienstes in Österreich 2019
Das NPO-Kompetenzzentrum hat im Auftrag der Zivildienstserviceagentur (ZISA) im Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus, den ökonomischen sowie teilweise den sozialen und gesellschaftlichen Nutzen des Zivildienstes erhoben. Als Referenzjahr wurde das Jahr 2019 gewählt.
Diese Studie ist eine Neuauflage einer bereits im Jahr 2012 mit Daten von 2010 durchgeführten Studie (Schober et al. 2012) zum Nutzen des Zivildienstes in Österreich und wurde im grundlegenden Herangehen gleich erstellt. Es wurden jedoch neue Rahmenbedingungen, wie beispielsweise das zwischenzeitlich eingeführte Freiwillige Soziale Jahr, berücksichtigt. Darüber hinaus wurden soziale Wirkungen diesmal teilweise monetär bewertet und in die Berechnungen einbezogen. Dies verstärkt die in der alten Studie unterbeleuchtete gesellschaftliche Relevanz des Zivildiensts. Zudem wurden vereinzelt Aktualisierungen bei Berechnungswegen vorgenommen und der in seiner Gesamtheit sehr bedeutende Ehrenamtseffekt neu aufgesetzt.
Für die erneute Analyse wurde ein Vergleich zwischen einem Zivildienstszenario (Zivildienst existiert) und einem Alternativszenario (Zivildienst wurde Ende 2018 ersatzlos abgeschafft) gezogen. Hierbei wurden mittels einer ökonomischen Evaluation, in Form einer Kosten-Nutzen-Analyse, die entstehenden Kosten oder auch monetär bewerteten negativen Wirkungen den Leistungen bzw. monetär bewerteten positiven Wirkungen gegenübergestellt.
Zusammenfassend zeigt sich gemäß den hier vorgenommenen Berechnungen, dass der Zivildienst entsprechend seiner Form im Jahr 2019 für die Gesellschaft insgesamt vorteilhaft ist. Eine Abschaffung des Zivildienstes verursacht höhere Kosten bzw. negative Wirkungen bei einer gleichzeitigen Reduktion der Leistungen bzw. positiven Wirkungen. Dies ergibt in Summe eine Gesamtdifferenz von 679 Mio. Euro als positiver Gesamteffekt des Zivildienstes. Von diesen 679 Mio. Euro entfielen 564 Mio. Euro auf ökonomische Effekte und 115 Mio. Euro auf soziale Wirkungen.
Den Zivildiensteinrichtungen zufolge waren die 14.660 zugewiesenen bzw. die 10.194 durchschnittlich gleichzeitig eingesetzten Zivildiener im Jahr 2019 hochgerechnet 15.299.161 Stunden im Dienst. Der Großteil der Leistungsstunden wurde dabei im Krankentransport und Rettungsdienst (43%), gefolgt von Mithilfe bei der Pflege und/oder Betreuung von Menschen mit Behinderung (11%) oder alten Menschen (9%) erbracht. Abzüglich der Ausbildungsstunden von knapp 14% und Pausen entfielen etwa 82% (12.588.546 Stunden) der Gesamtstunden auf die Leistungserbringung.
Im Alternativszenario „kein Zivildienst“ würden die Zivildiensteinrichtungen, ihren Angaben zu Folge, durchschnittlich über alle Branchen hinweg die Leistungsstunden, die bisher die Zivildiener erbracht haben, auf 73% reduzieren. Die verbliebenen Stunden müssten vorwiegend durch den vermehrten Einsatz von hauptberuflichen Mitarbeiter:innen sowie Mehr- und Überstunden des vorhandenen Personals ausgeübt werden, was finanzielle Mehrausgaben bei Bund, Bundesländern und Gemeinden zur Folge hätte.
Die Erhebungen bei den Zivildienstleistenden zeigten, dass die Tätigkeit während des Zivildienstes nicht nur positive Wirkungen auf das Umfeld, wie die Einrichtungen selbst bzw. ihre Kund·innen und Klient·innen entfaltet, sondern auch auf die Zivildiener selbst. Bei mehr als der Hälfte der Befragten kam es zu einer Veränderung in ihrer Einstellung zu sozialen- und gesellschaftspolitischen Fragen (51%) sowie einem besseren Verständnis für Probleme benachteiligter Gruppen (69%). Darüber hinaus führte die Tätigkeit bei den Zivildienstleistenden nicht nur zur Aneignung vom Fachwissen, sondern vor allem zu einem Gewinn an Kompetenzen und Fähigkeiten wie Teamfähigkeit und Belastbarkeit und damit einhergehend zu einer gesteigerten Resilienz.
Die Ergebnisse zeigen auch, dass 5,6% der Zivildiener als hauptamtliche und 30,5% als ehrenamtliche Mitarbeiter·innen in den Einrichtungen bleiben. Dieser Ehrenamtseffekt führte im Jahr 2019 dazu, dass hochgerechnet 4.471 Zivildiener als Ehrenamtliche blieben, welche im Laufe von 10 Jahren ca. 4,3 Millionen Stunden leisten. Die Folgekohorten der kommenden Jahre würden zudem bei Abschaffung ebenfalls als Ehrenamtliche wegfallen, was einen enormen Einschnitt in das Freiwilligenwesen in Österreich darstellen würde.
Von einer Beibehaltung des Zivildienstes profitieren in erster Linie die Zivildiensteinrichtungen, die Zivildienstleistenden, deren Familien und soziales Umfeld und die Gesellschaft/allgemeine Bevölkerung.
Printmedienberichte nach der Pressekonferenz
Ausgewählte Onlinemedienberichte nach der Pressekonferenz am 9. November 2021:
Beitrag in der Beilage "Die Republik" der Wiener Zeitung vom 1.12.2021