NPO-Governance Kodex - die Managementsicht
Beim Thema Governance geht um das Thema Macht und deren Kontrolle. Konkret steht die Verteilung von Macht in einer (Nonprofit) Organisation im Mittelpunkt. Zu diesem Zweck wird in jeder Organisation eine Reihe von expliziten Institutionen, etwa allgemeine Organisationsregeln und Anreizsysteme, entwickelt.
Weiters wirken implizite und explizite Institutionen von außen, wie die Rechtsordnung, Brancheregeln, Medien und die Wettbewerbssitutation auf die Abläufe und Struktur der (Nonprofit) Organisation. Nicht zuletzt sind es auch die Unternehmenskultur, die Mission und die Strategien, die beeinflussen wo in welchem Umfang Macht verortet ist.
Was ist NPO-Governance?
Inhaltich ist der Begriff Governance bei weitem nicht klar abgegrenzt. Bezogen auf Organisationen steht Steuerung im Mittelpunkt, wobei ein Steuerungsverständnis vorherrscht, das stärker Rechenschaftsbezogen ist als jenes hinter Management bzw. Controlling. Governance darf aber nicht mit Accountability gleichgesetzt werden. Entscheidungsfindung und -durchsetzung sowie Überwachung stehen hierfür zu stark im Vordergrund. Wer in einer Organisation darf wann, was und muss wem darüber wie berichten und wer darf es allenfalls nicht, könnte salopp und knapp zusammengefasst die Essenz von Governance lauten. Etwas formaler die Definition, die auch dem Österreichischen NPO-Governance-Kodex zu Grunde liegt: Governance ist "die Gesamtheit aller steuerungswirksamen Strukturen in einer Organisation, welche die Erfüllung von Rechenschaftspflichten und den Schutz von Stakeholderinteressen sicherstellen (Maier/Meyer 2013 S.492).
Gibt es einen einzelnen klar definierten NPO-Governance Ansatz?
Nein. Es existieren eine Reihe unterschiedlicher Ansätze, wie Nonprofit Governance ausgestaltet sein kann. Für eine Übersicht siehe Pfaffenzeller (2004). Die meisten Ansätze können unter einer prozessorientierten Perspektive verortet werden und grob zwischen einer normativen und analytischen Herangehensweise unterteilt werden.
Die normativen Ansätze gehen davon aus, dass die finale Autorität durch das sogenannte Board verkörpert wird. Das Board ist jenes Organ, demgegenüber alle weiteren Akteure der Organisation verantwortlich sind und das selbst die Verantwortung für das Verhalten der NPO gegenüber der Gemeinschaft trägt. Entsprechend widmet sich die meiste Literatur dem Thema wie dieses Aufsichts- und/oder Leitungsorgan möglichst effektiv gestaltet werden kann (z.B. Bradshaw 2002; Murray 1998).
Als wesentliches Problem wird bisweilen gesehen, dass die Boards ihre Governance Funktion aufgrund zu starker Beschäftigung mit Managementaufgaben nicht adäquat wahrnehmen Carver (1997; 2001). Entsprechend wird vorgeschlagen, dass die Boards sich ausschließlich mit Governance-Fragen beschäftigen sollen. Hierzu zählen die Festlegung der Mission und zentralen Werte der Organisation, die Mittel mit denen diese erreicht werden sollen und die Definition von Prozessen zum hauptamtlichen Management und den MitarbeiterInnen. Die analytischen Konzepte fokussieren nicht ausschließlich auf das Board, sondern Stellen das Zusammenspiel verschiedener organisationsspezifischer Akteure, der Stakeholder in den Mittelpunkt der Betrachtung. Dennoch ist das Board immer die Referenzgröße: Wie stark ist es im Vergleich zum hauptamtlichen Management? Segnet es primär Entscheidungen ab oder trifft es diese aktiv und selbstbestimmt? Welche Rolle und Macht haben die MitarbeiterInnen, hauptamtlich wie ehrenamtlich sowie das Management in der NPO?
Das Stakeholder-Modell der Governance, geht davon aus, dass Organisationen gegenüber verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen, sogenannten Stakeholdern oder Interessenträgern, verantwortlich sind. Diese Verantwortung wird konzeptionell durch eine Repräsentation der Stakeholder im Board umgesetzt. Es wird erwartet, dass die Einbindung verschiedener Stakeholder in den Entscheidungsprozess eine Wahrnehmung und Bearbeitung breiter, gesellschaftlicher Anliegen befördert. Im Board sollen auch potenziell konfliktträchtige Interessen ausgeglichen werden. Der Stakeholder-Ansatz findet sich auch im Österreichischen NPO-Governance Kodex wieder. Als Vorzüge des Modells können die breite Partizipationsmöglichkeit, die Dezentralisierung der Macht, die Einbindung von Stakeholdersichtweisen in die Vision und die Förderung der Kommunikation genannt werden. Damit einher gehen erhöhte Kommunikationsanforderungen und als Risiko die Möglichkeit der Verwässerung der Vision, mangelhafte Konfliktlösung und rein interessengetriebene Entscheidungen.
Governance kann allerdings auch aus einer dynamischen Perspektive betrachtet werden. Verknüpft mit einer Organisationsentwicklungsperspektive zeigt sich, dass je nach Entwicklungsstadium einer Organisation Governance-Modelle unterschiedlich gut geeignet sind. Hiermit einher gehen Untersuchungen beispielsweise Untersuchungen, die den Einfluss der Organisationsgröße einer NPO auf die Governance betrachten (z.B. Cornforth/Simpson 2002).
Der Dreh- und Angelpunkt der meisten Nonprofit-Governance Betrachtungen ist das Aufsichtsorgan (governing board), zumindest in jenen Nonprofit Organisationen, die managerialistisch geführt werden und grundsätzlich einem hierarchischen Aufbau folgen, der gewinnorientierten Unternehmen ähnelt. NPOs orientieren sich jedoch teilweise an anderen Organisationslogiken als gewinnorientierte Unternehmen, was sich in spezifischen Governance-Logiken niederschlägt. Maier/Mayer (2011) führen hier die in nachfolgender Tabelle skizzierten fünf Typen organisationaler Governance in NPOs an.
Folgende Leitfragen stehen hierbei im Mittelpunkt:
Wem gegenüber ist die Organisation rechenschaftspflichtig?
Über welche Mechanismen wird die Rechenschaftspflicht erfüllt?
Welche Kriterien werden für die Rechenschaft angelegt?
Alltagspraktische Verständnisse organisationaler Governance in NPOs Quelle: Maier/Meyer 2013, S.503
Zusammengefasst zeigt sich also, dass ein breites Feld an Ansätzen und Logiken exisitert und die "richtige" Governance wohl immer von der konkreten Situation der (Nonprofit)Organisation abhängt. Nichtsdestotrotz können aus einer rationalen Leitungs- und Steuerungsperspektive grundlegende Empfehlungen für Good Practice abgeleitet werden, wie es der Österreichische NPO-Governance Kodex versucht.
Wo findet sich Governance in Organisationen wieder?
Minimalregelungen sind gesetzlich vorgegeben. Zusätzlich müssen eine Satzung bzw. Statuten existieren, die wiederum Mindeststandards zu erfüllen haben. Diese sind somit erster Ausdruck einer formalen organisationalen Governance von NPOs . Darüber hinausgehende formale Regelungen finden sich beispielsweise in Geschäftsordnungen, Verhaltenkodizes und Pouvoirregelungen. Abgesehen davon beeinflusst ein dichtes Netz gelebter informeller Beziehungen und Machtverhältnisse in jeder Organisation die formale Governance. Deren Auswirkungen zu erfassen und allenfalls zu verändern ist weit schwieriger als offizielle Regelungen zu analysieren und zu adaptieren. Hier liegt dann auch die Schnittstelle zwischen Governance, Führung und Management in der organisationalen Realität.
Weiterführende Literatur
Bradshaw, Patricia (2002): Reframing Board-Staff Relations, in: Nonprofit Management and Leadership, Volume 12, Number 4 (Summer), S. 471-484
Maier, Florentine/Meyer Michael (2013). Nonprofit-Governance In: Handbuch der Nonprofit Organisation - Strukturen und Management Simsa, Ruth/Meyer, Michael/Badelt Christoph (Hrsg.). Stuttgart, Schäffer-Poeschel 5. überarbeitete Auflage: 491-508
Maier, Florentine/Meyer, Michael (2011): Managerialism and beyond: Discourses of civil society organization and their governance implications. voluntas, 22 (4). pp. 731-754.
Murray, Vic (1998): Governance of Nonprofit Organizations, in: Shafritz, J.M. (Hrsg.) (1998): The International Encyclopedia of Public Policy and Administration, Westview Press, Boulder/Oxford
Pfaffenzeller, Herwig (2003): Die Governance von Nonprofit-Organisationen. Ein institutionenökonomischer Ansatz. Dissertation WU Wien.