Sozioökonomie

Der Wert der eigenen Wohnung: Studie zeigt die Bedeutung von Delogierungsprävention

03. Juli 2024

Wenn es um die Vermeidung von Delogierungen geht, zahlt sich Prävention aus – nicht nur für die Betroffenen, sondern für die gesamte Gesellschaft. Das zeigt eine Studie der WU Wirtschaftsuniversität Wien.

Die eigene Wohnung durch eine Delogierung zu verlieren, ist ein schwerer Schicksalsschlag, von dem sich viele Menschen nicht erholen. Schlimmstenfalls rutschen sie dadurch in die Wohnungs- oder Obdachlosigkeit ab. Das zu verhindern ist das Ziel der Wiener Fachstelle für Wohnungssicherung (FAWOS), die bei der Volkshilfe Wien angesiedelt ist. Im Auftrag der Stadt Wien berät und unterstützt sie Menschen, die vom Verlust ihrer Wohnung bedroht sind.

Das Kompetenzzentrum für Nonprofit Organisationen und Social Entrepreneurship der WU Wien hat nun in einer Studie den gesellschaftlichen Mehrwert der FAWOS untersucht. Dabei zeigte sich: Jeder in die Delogierungsprävention investierte Euro macht sich fast hundertfach bezahlt – denn er entfaltet positive gesellschaftliche Wirkungen im Gegenwert von 94,02 Euro. „Wir beschäftigen uns seit Jahren mit den Wirkungen von sozialen Projekten, und derart hohe Werte gibt es nur sehr selten“, resümiert Christian Grünhaus, Leiter des NPO Kompetenzzentrums der WU und Co-Autor der Studie.

Foto der Studienpräsentation

WU-Forscher*innen Christian Grünhaus und Katharina Wankat bei der Präsentation ihrer Studie. (Foto: John Kücükcay)

Prävention wirkt

Die Berechnung dieses Mehrwerts erfolgte mittels einer so genannten „Social Return on Investment“-Analyse, kurz SROI. Sie beruht darauf, die Betroffenen und Stakeholder eines sozialen Projekts zu identifizieren, die positiven (oder auch negativen Wirkungen) auf diese Gruppen zu quantifizieren und sie, wenn möglich, mit einem Geldwert zu beschreiben. Die Investitionen der Stadt Wien in die FAWOS betrugen im Beobachtungszeitraum etwa 930.000 Euro – für diesen Betrag haben die Forscher*innen der WU monetarisierte Wirkungen in Höhe von rund 87,4 Millionen Euro errechnet.

Wie es zu diesem hohen Betrag kommt: „Wohnen ist ein menschliches Grundbedürfnis. Wenn es nicht erfüllt wird, hat das weitreichende Folgen für die psychische Gesundheit, die Lebenserwartung und auch das Umfeld einer Person“, erklärt Co-Autorin Katharina Wankat. „Darum ist Prävention in diesem Fall besonders wirkungsvoll.

Der größte Mehrwert ergibt sich – wenig überraschend – für die Klient*innen der FAWOS. Im Untersuchungszeitraum hat man rund 2.000 Mieter*innen beraten und konnte in etwa 87 Prozent der Fälle eine Delogierung vermeiden. Für die Betroffenen zeitigt das zahlreiche positive und vermiedene negative Wirkungen: Sie vermeiden die Folgekosten der Delogierung, erhalten ihre Privatsphäre und ihr soziales Netzwerk in der Nachbarschaft – und vor allem vermeiden sie Obdachlosigkeit, die sich äußerst negativ auf die Lebenserwartung auswirkt. Laut Statistik Austria gehen mit Obdachlosigkeit etwa 20 verlorene Lebensjahre einher.

Nicht nur Betroffene profitieren

Zu den Leidtragenden einer Delogierung würden auch die Kinder der FAWOS-Klient*innen zählen: Im Durchschnitt leben in den betroffenen Haushalten 0,8 Minderjährige. Der Verbleib in der bisherigen Wohnung bedeutet Stabilität, die sich positiv auf den Schulerfolg und das ganze weitere Leben der Kinder auswirkt. Für sie entsteht der zweitgrößte gesellschaftliche Mehrwert.

Weiters – wenn auch in viel geringerem Ausmaß – profitiert die Stadt Wien, vor allem durch eine verringerte Nachfrage in der Wiener Wohnungslosenhilfe und in sozialpädagogischen Einrichtungen für Kinder und Jugendliche. Und auch für die Vermieter*innen ergeben sich positive Effekte: Zwar können sich Verfahren durch die FAWOS-Beratung verlängern und die Wohnungen nach der Delogierung nicht erneut teurer auf dem privaten Mietmarkt angeboten werden –dies wird aber mehr als kompensiert dadurch, dass Vermieter*innen weiter Mieteinnahmen erhalten sowie Leerstandskosten und zusätzlichen Verwaltungsaufwand vermeiden.

„Zusammengefasst ist die Arbeit der FAWOS ausgesprochen wirkungsvoll“, sagt Christian Grünhaus vom NPO-Kompetenzzentrum der WU. Dieses deutliche Studienergebnis unterstreiche das große Potenzial der Wohnungssicherung: „Wenn es um die Verhinderung von Obdach- und Wohnungslosigkeit geht, ist Prävention das effizienteste Mittel.“

Detaillierte Ergebnisse der Studie und weitere Informationen

Wankat, K., Grünhaus, C., & Pfrendl, J. M. (2024). Studie zum gesellschaftlichen und ökonomischen Mehrwert der Delogierungsprävention der Fachstelle für Wohnungssicherung Wien (FAWOS) mittels einer SROI-Analyse.
Link zur Studie

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