Volkswirtschaft

Satellitenbilder: Globale Armut aus dem All erkennen

05. Mai 2022

Weltweit leben fast eine Milliarde Menschen ohne Zugang zu zuverlässiger und erschwinglicher Elektrizität. Die Folgen für Gesundheit und Wohlergehen sind groß, die nachhaltige Entwicklung wird behindert. Es ist von entscheidender Bedeutung zu wissen, wo sich diese Menschen befinden, wenn Hilfe und Infrastruktur sie erreichen sollen. Eine neue Studie unter Beteiligung des WU-Forschers Jesús Crespo Cuaresma schlägt eine neuartige Methode zur Schätzung des globalen wirtschaftlichen Wohlstands anhand von nächtlichen Satellitenbildern vor.

Forscher*innen verwenden seit fast 30 Jahren Satellitenbilder der Erde bei Nacht, um menschliche Aktivitäten zu untersuchen. Diese Bilder – gemeinhin als „nighttime radiance“ oder „nighttime lights“ bezeichnet – können helfen, Wirtschaftswachstum, Armut und Ungleichheit zu erfassen. In Entwicklungsländern weisen nachts unbeleuchtete Gebiete in der Regel auf eine begrenzte Entwicklung hin, während hell erleuchtete Gebiete entwickeltere Gebiete wie Hauptstädte implizieren, in denen reichlich Infrastruktur vorhanden ist. Bisher haben sich die Forscher*innen eher für die Daten aus den beleuchteten Gebieten interessiert, während die unbeleuchteten Gebiete in der Regel unberücksichtigt blieben. In ihrer Studie, die gerade in Nature Communications veröffentlicht wurde, haben sich die Forscher*innen unter der Leitung der IIASA jedoch speziell auf die Daten der unbeleuchteten Gebiete konzentriert, um das globale wirtschaftliche Wohlergehen zu schätzen.

„Die neuartigen Methoden, die wir in dieser Studie entwickeln, werden sich als wichtig für die Messung von Armut auf feingranularer Ebene erweisen. Sie können eingesetzt werden, um die Armutsdynamik zu überwachen und wirksame Strategien zur Verbesserung des Einkommensniveaus der ärmsten Haushalte in Entwicklungsländern zu entwerfen“, so Jesús Crespo Cuaresma, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Wirtschaftsuniversität Wien und Koautor der Studie.

Methode

Die Forscher*innen verwendeten einen harmonisierten georäumlichen Wohlstandsindex für Haushalte in verschiedenen Ländern Afrikas, Asiens und Amerikas, der die einzelnen Haushalte auf einer Skala des relativen Wohlstands von ärmer bis reicher einordnet. Diese Daten kombinierten sie mit Daten aus Satellitenbildern der nächtlichen Beleuchtung in diesen Ländern. Sie fanden heraus, dass 19 Prozent der gesamten Siedlungsfläche des Planeten keine nachweisbare künstliche Strahlung aufweisen. Der größte Teil der unbeleuchteten Siedlungsflächen befand sich in Afrika (39 Prozent) und Asien (23 Prozent). Betrachtet man nur die unbeleuchtete ländliche Infrastruktur, so steigen diese Zahlen für Afrika auf 65 Prozent und für Asien auf 40 Prozent. In fast allen Ländern zeigen die Ergebnisse einen eindeutigen Zusammenhang zwischen einem steigenden Anteil unbeleuchteter Gemeinden in einem Land und einem sinkenden wirtschaftlichen Wohlstand.

Hilfe für Entwicklungsländer

Vor allem in den afrikanischen Ländern südlich der Sahara werden Prognosen zufolge bis 2030 immer noch mehr als 300 Millionen Menschen in extremer Armut leben. Die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie werden bis 2030 wahrscheinlich weitere 88 bis 115 Millionen Menschen in die extreme Armut treiben und damit die Ziele der Vereinten Nationen zur Verringerung der Armut um etwa drei Jahre zurückwerfen. Studien wie diese können dazu beitragen, die Entwicklungsländer bei der Elektrifizierung und die der Industrieländer bei der Verringerung ihres Lichtenergieverbrauchs zu leiten.

Zur Studie

McCallum, I., Kyba, C.C.M., Laso Bayas, J.C., Moltchanova, E., Cooper, M., Crespo Cuaresma, J., Pachauri, S., See, L., Danylo, O., Moorthy, I., Lesiv, M., Baugh, K., Elvidge, C.D., Hofer, M., Fritz, S.: Estimating global economic well-being with unlit settlements (Nature Communications)

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