Headquarters in Austria: „Eine gute Möglichkeit, um europäische Märkte zu erreichen“
Chiara Fabrizi vom Institute for International Business der WU ist Co-Autorin der ersten umfassenden Studie über Headquarters in Österreich. Wir haben sie gefragt, was sie aus der Analyse von 1.500 österreichischen Firmenzentralen gelernt hat – und was sie der heimischen Politik empfehlen würde, um internationale Unternehmen anzulocken.
Woher kam die Idee für den Austrian Headquarters Report?
Österreich ist aus verschiedenen Gründen als starker Standort für Headquarters bekannt: Sie reichen von der Lebensqualität über die politische Stabilität bis hin zur strategischen Lage im Herzen Europas. Gleichzeitig bringen Firmenzentralen Vorteile für die österreichische Wirtschaft: Sie schaffen Arbeitsplätze und bringen Steuereinnahmen, um nur zwei zu nennen. Trotzdem hat unseres Wissens nach bisher niemand eine umfassende Studie über Headquarters in Österreich durchgeführt – also haben WU-Professor Phillip C. Nell, Jan Schmitt und ich im Jahr 2021 mit der Arbeit an diesem Projekt begonnen. Zunächst haben wir einen möglichst kompletten Datensatz erstellt, um dann im nächsten Schritt die Headquarter-Landschaft in Österreich zu analysieren. Die ersten Ergebnisse haben wir 2022 veröffentlicht, Ende 2023 haben wir den Bericht zum ersten Mal aktualisiert.
Und was ist das langfristige Ziel dieses Forschungsprojekts?
Headquarters in Austria wird von Phillip C. Nell geleitet und besteht aus einer ganzen Reihe von Sub-Projekten. Neben der Headquarter-Analyse untersuchen wir auch das wirtschaftliche Umfeld und sehen uns an, was getan werden sollte, um Firmenzentralen anzuziehen und zu halten. Einige meiner Kollegen analysieren zum Beispiel die digitale Infrastruktur in Österreich und ob sie bereit für neue Digitalisierungstrends ist. Die Idee dahinter ist, diese Daten in den kommenden Jahren regelmäßig zu aktualisieren. Auf diese Weise können wir die Entwicklung der Headquarter-Landschaft longitudinal verfolgen und Erkenntnisse für die Politik gewinnen.
Was können Sie über die Zusammensetzung der österreichischen Headquarter-Landschaft sagen – woher kommen die Unternehmen, die einen Hauptsitz in Österreich haben?
Insgesamt gibt es über 1.500 Headquarters in Österreich. Fast drei Viertel davon sind österreichische Unternehmen – was zeigt, dass die heimische Unternehmenslandschaft prosperiert. Österreich ist natürlich auch für Unternehmen aus Deutschland sehr attraktiv. Interessanterweise gibt es aber auch viele Unternehmen aus den Vereinigten Staaten, die hier eine Regionalzentrale haben. Für viele US-Konzerne scheint das eine gute Möglichkeit zu sein, um europäische Märkte zu erreichen.
Dabei würde man denken, dass Länder wie Irland eine logischere Wahl für Unternehmen aus den USA wären.
Sicher, Irland ist ein guter Standort, wenn man von Steuervorteilen profitieren will. Aber Österreich hat andere Vorteile: Die Lebensqualität ist sehr hoch, selbst für europäische Verhältnisse. Das macht es leichter, internationale Talente anzuziehen. Was Institutionen betrifft, ist Österreich perfekt vernetzt: In Wien – wo sich etwa 40 Prozent aller Headquarters befinden – findet man die Vereinten Nationen, die OSZE, die OPEC und so weiter. Das ist ein großes Plus für viele Unternehmen. Darüber hinaus ist Österreich geografisch ideal positioniert und bietet Zugang zu den deutschsprachigen Märkten, aber auch zu Südeuropa und besonders zu den osteuropäischen Ländern.
Die Nähe zu internationalen Institutionen – wie hier im Bild die UNO in Wien – ist ein wichtiger Faktor, der für Österreich als Headquarter-Standort spricht. (Bild: WU Wien)
Haben Sie bei Ihren Analysen etwas gelernt, das Sie besonders überrascht hat?
Ich habe ja schon erwähnt, dass heimische Unternehmen den Großteil der Headquarters in Österreich ausmachen. Dabei handelt es sich meist um kleine und mittlere Unternehmen. Ich fand es faszinierend, dass diese Unternehmen einen so starken internationalen Fokus haben. Im Durchschnitt haben österreichische Unternehmen Tochtergesellschaften in mehr als sechs europäischen Ländern – was sehr viel ist, wenn man bedenkt, dass die meisten dieser Unternehmen relativ klein sind.
Die internationale Ausrichtung ist vielleicht notwendig in einem kleinen Land wie Österreich ...
Das stimmt. Aber es zeigt vielleicht auch, dass viele dieser kleineren Firmen von Übertragungseffekten durch internationale Hauptquartiere in Österreich profitieren. Internationale Zentralen sind wichtige Vorbilder für heimische Unternehmen – nicht nur in punkto Technologie, sondern auch, wenn es um Innovation und Internationalisierung geht.
Welche Empfehlungen würden Sie der Politik geben, um Headquarters anzulocken und im Land zu halten?
Die vielleicht größte Bedrohung für die österreichische Headquarter-Landschaft ist die politische Instabilität, die durch den Krieg in der Ukraine verursacht wurde. Denn einer der wichtigsten Vorteile des Standorts Österreich ist der Zugang zu den osteuropäischen Ländern – doch angesichts dieser Krise werden viele Unternehmen ihr Engagement in Osteuropa reduzieren. Dadurch könnten sie auch an Österreich als Standort weniger interessiert sein. Daran kann die österreichische Politik zwar nicht viel ändern. Was sie aber tun kann, ist, andere Aspekte der österreichischen Wirtschaft zu stärken: Lebensqualität, Bildung, Infrastruktur, „Ease of Doing Business“ – und es ist auch wichtig, bei Zukunftsthemen wie Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz ganz vorne dabei zu sein.
Apropos Digitalisierung: Wie schlägt sich Österreich hier im Vergleich zu osteuropäischen Ländern, die große Investitionen in die digitale Infrastruktur getätigt haben – wie zum Beispiel Estland? Könnte das eine Bedrohung für die österreichische Headquarter-Landschaft sein?
Wie bereits erwähnt, haben einige meiner Kollegen im Forschungsprojekt Headquarters in Austria einen Bericht zum Thema Digitalisierung erstellt. Er zeigt, dass Österreich im Vergleich zu vielen anderen europäischen Ländern über eine starke digitale Infrastruktur verfügt. Aber die Politik muss mehr in den Aufbau von digitalen Kompetenzen investieren. Dabei geht es in erster Linie Investitionen in die Bildung, aber auch um die Anwerbung internationaler Talente. Ich bin ich mir sicher, dass Österreich für absehbare Zeit seinen Status als Drehscheibe für Firmenzentralen behalten kann, wenn das Land seine Karten richtig ausspielt.
Chiara Fabrizi ist Universitätsassistentin (Praedoc) am Institute for International Business der WU. Sie ist seit 2021 für das Forschungsprojekt Headquarters in Austria tätig, das in Zusammenarbeit mit der Austrian Business Agency (ABA), der Wirtschaftsagentur Wien, dem OeNB-Jubiläumsfonds und der Initiative „eXplore!“ umgesetzt wird.