Harris oder Trump?
Freitag, 20. Jänner 2017, Washington D.C., kurz nach 12:00 Uhr Ortszeit. Donald Trump steht an der Westfront des Kapitols. Einige Augenblicke zuvor hatte er den Amtseid abgelegt und war nun der 45. Präsident der USA. Wie das Zeremoniell vorsah, hielt er nun seine Antrittsrede. Ein zentraler Aspekt seines Wahlkampfes war die aus seiner Sicht notwendige Rückbesinnung der USA auf die unbedingte Durchsetzung ihrer eigenen Interessen gewesen. “[…] from this day forward: a new vision will govern our land, from this day forward, it’s going to be only America first. America first.” Amerika zuerst: Das Leitmotiv der ersten Präsidentschaft von Donald Trump stand fest.
Am Montag, dem 20. Jänner 2025, könnte es wieder so weit sein. Selber Ort, selbe Uhrzeit. Der Sieger der heurigen US-Präsidentschaftswahl wird als Präsident angelobt. Die Ergebnisse der aktuellen Umfragen zur Wahl am 5. November zeigen ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Donald Trump und der aktuellen Vizepräsidentin Kamala Harris. Zunehmend stellen sich Beobachter*innen außerhalb der USA die Frage, wie sich eine mögliche Rückkehr Donald Trumps in das Weiße Haus auf die Weltpolitik und die Weltwirtschaft auswirken könnten.
Bekannte Strategie: America first
Nun ist das mit der Zukunft bekanntlich zumeist eine Sache für die Glaskugel. Zumindest dann, wenn man keine bisherigen Erfahrungswerte sammeln konnte. Bei Donald Trump ist das anders. Seine erste Präsidentschaft gibt uns einen soliden Vorgeschmack auf das, was kommen könnte. Donald Trump sieht sich als Bewahrer einer US-amerikanischen Vormachtstellung. America First stellt den Anspruch, die weltweit größte Wirtschaftsmacht zu sein und diese Position abzusichern. Systemischer Rivale und ernstzunehmender Herausforderer ist China, welches vor allem die Vormachtstellung im pazifischen Raum gefährdet und ohne ökonomische Konfrontation allein schon auf Grund seiner mehr als vierfachen Einwohnerzahl die größte Volkswirtschaft der Welt werden wird. Eine Intensivierung der ökonomischen Konfrontation mit China wäre in einer zweiten Amtszeit von Donald Trump vorprogrammiert. Beide Länder würden ihre Anstrengungen, sich gegenseitig wirtschaftlich zu entkoppeln, verstärken. Die USA würde den Technologietransfer nach China noch stärker als jetzt zu unterbinden versuchen, die geopolitischen Spannungen rund um Taiwan würden auch rhetorisch Fahrt aufnehmen.
Für die Weltwirtschaft wären das keine besonders erfreulichen Aussichten. Unsicherheit und Konflikte belasten das Wirtschaftswachstum. Kooperation bei globalen Herausforderungen wird unter einem Präsident Trump noch weniger vorstellbar. Der amtierende Präsident Joe Biden verfolgt bereits eine gegen China gewandete Wirtschaftspolitik mit industriepolitischen Maßnahmen wie dem Inflation Reduction Act oder handelspolitischen Instrumenten wie Ausfuhrbeschränkungen für kritische Technologiegüter. Kamala Harris würde grosso modo die Politik von Joe Biden fortsetzen. Im Gegensatz zu Trump sehen die Demokraten die EU in einigen Bereichen als Verbündete. Für Donald Trump ist Europa schwach und zu chinafreundlich. In seiner zweiten Amtszeit würde ein Präsident Trump keine Rücksicht auf europäische Interessen nehmen. Ein erstes Anzeichen dafür: Im Wahlkampf schlägt er die Einführung eines zehnprozentigen Zusatzzolls auf alle US-Importe vor. America First, auch auf Kosten der europäischen Handelspartner und der US-amerikanischen Konsument*innen.
Harald Oberhofer ist Professor für Empirical Economics am Department für Volkswirtschaft der WU und Ökonom am Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO). Zudem leitet er den Forschungsschwerpunkt Internationale Wirtschaft (FIW), eine Kooperation zwischen vier österreichischen Universitäten und zwei angewandten ökonomischen Forschungsinstituten. In seiner Forschung beschäftigt sich Harald Oberhofer mit Fragen der Außenwirtschaftsökonomik sowie der Handelspolitik und kommentiert diese regelmäßig in den österreichischen Medien.