Blinde Flecken im Bergbau: Der Weg zu mehr Transparenz bei der Rohstoffförderung
Die Auswirkungen des Bergbaus auf Mensch und Umwelt sind nur bruchstückhaft dokumentiert. Der WU Forscher Victor Maus hat in einem Kommentar in der Fachzeitschrift Nature dazu aufgerufen, die Datenlücken zur Herkunft mineralischer Rohstoffe zu schließen. Denn nur so lässt sich die Energiewende umweltverträglich umsetzen.
Ob fossile Brennstoffe für Verbrennungsmotoren, Lithium für Batterien, Kobalt für Smartphones oder Neodym für Windturbinen: Der Bergbau versorgt uns mit den Materialien, aus denen die moderne Welt aufgebaut ist. Das wird sich auch mit der Energiewende nicht ändern – im Gegenteil: Auch die umweltfreundlichsten Technologien benötigen Rohstoffe, die unter Kosten für Mensch und Umwelt abgebaut werden müssen. Wie groß diese Kosten sind, ist angesichts der aktuellen Datenlage allerdings kaum messbar. Darauf weist ein aktueller Kommentar in der Fachzeitschrift Nature hin, den Victor Maus vom WU Institut für Ecological Economics und Tim Werner von der Universität Melbourne gemeinsam verfasst haben: Laut den beiden Forschern ist etwa die Hälfte des weltweiten Bergbaus nicht dokumentiert – und damit ist es auch kaum möglich, belastbare Aussagen über den ökologischen Fußabdruck dieses Sektors zu treffen.
Maus weist darauf hin, dass in den letzten Jahrzehnten die weltweite Nachfrage nach mineralischen Rohstoffen dramatisch angestiegen ist. Dies wird sich auch in Zukunft weiter fortsetzen, da die Umstellung auf erneuerbare Energiesysteme riesige Mengen an Ressourcen benötigt. Damit gehen jedoch schwerwiegende Folgen für Umwelt und Gesellschaft einher: Für den Bergbau werden Wälder abgeholzt und seltene Arten zum Aussterben gebracht. Er führt zur Verschmutzung von Luft, Wasser und Boden, zur Vertreibung der indigenen Bevölkerung in Bergbaugebieten und zum Verlust ihrer Lebensgrundlagen.
„Unabhängige Forschung ist unerlässlich, um die Risiken und Nebenwirkungen des Bergbaus zu beziffern. Dies ist jedoch nicht möglich, weil es keine umfassende Datenbank gibt und keine zuverlässigen Daten zu verschiedenen Aspekten der Bergbau-Industrie vorliegen“, sagt Victor Maus. Die Gründe für diesen Mangel an Daten sind vielfältig: Einerseits fehle es an klaren Richtlinien für die Berichterstattung durch Unternehmen, andererseits gebe es eine große Zahl an stillgelegten, informellen und auch illegalen Minen, die derzeit kaum erfasst werden können.
Maus und Werner schlagen vier Schritte vor, um diese Herausforderung zu bewältigen: Der erste Schritt sei, anzuerkennen, dass die globalen Auswirkungen des Bergbaus derzeit von der Wissenschaft unterschätzt werden. Im zweiten Schritt geht es darum, die Datenlage durch vereinheitlichte Erfassung von Daten und die Vereinfachung des Datenaustauschs unter Wissenschaftler*innen zu verbessern. Als dritten Schritt schlagen sie vor, mit Hilfe von internationalen Regulierungen die Transparenz in der Bergbau-Industrie zu erhöhen. Und schließlich müssen in einem vierten Schritt die übrigen Datenlücken geschlossen werden, indem Forscher*innen die Möglichkeiten von Geoinformationssystemen und Künstlicher Intelligenz nutzen.
Mit ihrem Appell stoßen die beiden Forscher eine wichtige Diskussion an: Die Umstellung auf saubere Energieträger kann nur mit großem Einsatz von Rohstoffen gelingen – und die Auswirkungen des Abbaus dieser Ressourcen abzuschätzen, müssen diese umfassend und transparent dokumentiert werden. Ihr Kommentar in Nature ist ein Weckruf für Forscher*innen, politische Entscheidungsträger*innen und führende Vertreter*innen der Industrie, ihre Kräfte zu bündeln und diesen blinden Fleck zu beleuchten. Wie die Autoren es ausdrücken: „Wir können nicht managen, was wir nicht messen können.“
Victor Maus, Tim T. Werner: Impacts for half of the world’s mining areas are undocumented. Nature 625, 26-29 (2024).
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