Eine Person liest eine spanische Tageszeitung

Wenn Gemeinden in die Pleite schlittern

05. Juli 2017

Eine Insolvenz von Gemeinden oder Bundesländern ist längst kein Ding der Unmöglichkeit. Zuletzt schrammte Kärnten nur knapp an der Pleite vorbei. An der WU beschäftigt sich Georg Kodek, Professor am Institut für Zivil- und Unternehmensrecht sowie Richter des Obersten Gerichtshofs, aus rechtlicher Perspektive mit der Frage, wie eine derartige Insolvenz in der Praxis aussehen würde. Sein Fazit: Trotz etwaige Kürzungen und Einsparmaßnahmen, müssen Gemeinden oder Länder „funktionieren“.

Insolvenzen von Gemeinden oder Bundesländern finden sich in der Geschichte – wenn auch nur wenige in der österreichischen– immer wieder. Eine der wohl berühmtesten Insolvenzen wurde erst 2014 abgeschlossen. Die Stadt Detroit unterzog sich dem größten kommunalen Insolvenzverfahren der US-amerikanischen Vergangenheit – und das, in einem desaströsen Zustand: 40 Prozent der Straßen waren nachts nicht beleuchtet, die Kriminalitätsrate war so hoch wie nie zuvor und auch die Gesundheitsvorsorge konnte nicht mehr gewährleistet werden. WU-Professor Georg Kodek widmet sich bereits seit vielen Jahren dem Thema Insolvenzrecht. Wie nah seine wissenschaftliche Arbeit an der praktischen Relevanz für jede und jeden Einzelne ist, zeigte sich besonders deutlich am Beispiel Kärnten. Kodek untersuchte in seiner wissenschaftlichen Arbeit, wie sich eine derartige Insolvenz in der Praxis ausgestalten würde und war auch mit dem Rechtsgutachten für Kärnten und die Kärntner Landesholding 2015 beauftragt.

Verfassungsrecht entscheidend

In Österreich wären die Konsequenzen einer Gemeinde- oder Bundesland-Insolvenz deutlich milder als in den USA, so Kodeks Resümee. Auf nationaler Ebene legt das Verfassungsrecht die entscheidende Basis. „Detroit war ein besonders drastisches Beispiel für eine Insolvenz einer einst wirtschaftlich bedeutenden Stadt – aus juristischer Perspektive höchst spannend. In Österreich gibt es für solche Fälle mehr Rechtssicherheit“, so Kodek, „Die österreichische Verfassung weist Ländern und Gemeinden bestimmte Aufgaben und Funktionen zu, die es zu erhalten gilt. Dazu zählen beispielsweise die Landesverfassung, die Gewährleistung von Infrastruktur im Sozialwesen oder der Gesundheitsversorgung, Sicherheit und vieles mehr.“

Wenig Geld für Gläubiger, wenige Möglichkeiten für Gemeinden

Einzelne Bürgerinnen und Bürger haben demnach eher wenig zu befürchten, dennoch kann eine Insolvenz schmerzliche Sparmaßnahmen für eine Gemeinde mit sich bringen. Letztlich bestimmt das Insolvenzrecht, was vom Privatrecht und den Ansprüchen der Gläubiger übrig bleibt. „Unsere Untersuchungen machen deutlich, dass Gläubiger im Falle einer derartigen Insolvenz nur wenig Geld zurückbekommen, die Schulden eines Landes oder einer Gemeinde bleiben jedoch erhalten. Das bedeutet: Die wesentliche Konsequenz für eine Gemeinde bzw. ein Bundesland wäre, dass die Budgethoheit für viele Jahre stark eingeschränkt sein würde. Damit würden auch die Möglichkeiten aktueller politischen Gestaltungsmaßnahmen wegfallen“, so Kodek. Um Müllabfuhr, Kindergarten, Krankenhaus, Polizei und die notwendige Verwaltungsinfrastruktur müssten sich BürgerInnen dennoch wenig Gedanken machen.

Pressekontakt:
Mag. Anna Maria Schwendinger
PR-Referentin Tel: + 43-1-31336-5478
E-Mail: anna.schwendinger@wu.ac.at

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