Weniger Armut in Asien, mehr in Afrika
Rund neun Prozent der Weltbevölkerung, über 650 Millionen Menschen, leben derzeit in extremer Armut. Mit der 2015 von den Vereinten Nationen verabschiedeten Agenda 2030 für Nachhaltige Entwicklung setzten sich die UN zum Ziel, Armut weltweit zu beenden. WU-Professor Jesus Crespo Cuaresma und sein Team untersuchen, ob dieses Ziel verwirklichbar ist. Gemeinsam mit dem World Data Lab, einem Wiener NGO für analytische Datenverarbeitung, wurde nun ein einzigartiges Tool entwickelt, dass den aktuellen Entwicklungsstatus in den einzelnen Ländern genau beobachtbar macht. Die „World Poverty Clock“ wurde heute bei einer der weltweit größten Digitalmessen, der re:publica 17, in Berlin präsentiert.
Unter welchen Bedingungen kann Armut bis 2030 weltweit Geschichte sein? Welche Länder können die Zahl der Armutsbetroffenen wirklich signifikant senken? Um auf all diese Fragen eine Antwort zu finden, entwickelten Jesus Crespo Cuaresma, Leiter des Instituts für Makroökonomie an der WU, und sein Team ein statistisches Modell zur Projektion aktueller demografischer Prognosen, des weltweiten Bruttoinlandsprodukts sowie langfristiger Einkommensentwicklung. Gemeinsam mit dem World Data Lab wurde nun die Visualisierung der Ergebnisse in Form der World Poverty Clock umgesetzt. Das interaktive Tool bildet die prognostizierte Armutsentwicklung in den einzelnen Ländern der Welt bis 2030 ab.
Sinkende Armut in Indien, Anstieg in Nigeria
Als extrem arm gilt, wer von weniger als 1,90 Dollar (rund 1,75 Euro) am Tag leben muss. Laut Prognosen der WU-WissenschaftlerInnen wird sich die Armut bis 2030 auf 485 Millionen Menschen, also um rund 25 Prozent, reduzieren. Aktuell zeichnen sich weltweit große Unterschiede in der Entwicklung ab: Während Asien die Armut um rund 77 Personen pro Minute reduzieren kann, wächst diese in Afrika durchschnittlich um 12 Personen pro Minute. Die meisten armen Menschen werden 2030 in Nigeria mit rund 90 Millionen und in der Demokratischen Republik Kongo mit rund 64 Millionen erwartet. Das aktuelle Wirtschaftswachstum in Indien, dem Land mit den meisten Armen, lässt dort eine starke Reduktion der Armut erwarten: Im Jänner wurden rund 8,2 Prozent der indischen Bevölkerung, rund 110 Millionen Menschen, als extrem arm eingestuft, bis 2025 soll diese Zahl unter 10 Millionen fallen. All diese Entwicklungen wurden nun erstmal in der World Poverty Clock visualisiert. „Die World Poverty Clock stellt einen großen Fortschritt für die Beobachtung globaler Armutsentwicklung dar. Sie erleichtert auch das Einschätzen der Effekte wirtschaftspolitischer Entscheidungen auf die weltweite Armut. Die Prognosen, auf die die World Poverty Clock zurückgreift, werden zudem laufend aktualisiert und angepasst“, erklärt Jesus Crespo Cuaresma, „Ohne zusätzliche Interventionen im Sinne der SDG leben 2030 noch immer 485 Millionen Menschen in extremer Armut. Unser Tool zeigt deutlich, in welchen Ländern hoher Handlungsbedarf besteht.“
Interaktive Datenvisualisierung
Für die World Poverty Clock erarbeiteten der Ökonom Crespo Cuaresma und sein Team an der WU und am World Data Lab Modellierungen anhand aktueller Bevölkerungsentwicklungsprognosen nach Alter und Bildungsniveau und kombinierten diese mit der Einkommensentwicklung des jeweiligen Landes. Das World Data Lab verantwortete die technische Umsetzung. Das Tool ermöglicht die Beobachtung der Geschwindigkeit der Armutsentwicklung in den einzelnen Ländern sowie den Vergleich zur benötigten Durchschnittsgeschwindigkeit der Armutsreduktion, um das Ziel für nachhaltige Entwicklung erreichen zu können. Außerdem bietet die World Poverty Clock zahlreiche detaillierte Zusatzinformationen zu den einzelnen Ländern. Finanziert wurde das Projekt, das heute Mittag im Rahmen der re:publica 2017, einer der weltweit wichtigsten Konferenzen zu den Themen der digitalen Gesellschaft, präsentiert wurde, vom deutschen Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.
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