Was uns der Wald über das Bruttoinlandsprodukt verrät - und umgekehrt
WU-Professor Jesús Crespo Cuaresma ist Vorstand des Instituts für Makroökonomie am Department Volkswirtschaft. In seiner aktuellen Studie zeigt er, wie sich Ungleichheiten und volkswirtschaftliche Veränderungen auf die Bewaldung und somit auf das globale Ökosystem auswirken. Die Ergebnisse machen deutlich: Werden arme Länder reicher, verändern sich auch Umweltressourcen wie die Waldstrukturen in diesen Ländern. Grund dafür ist Abholzung. Auf das Wie und Warum findet Crespo Cuaresma in seiner Studie erstmals Antworten.
Die Theorie einer waldbezogenen Kuznets-Kurve, wonach arme Länder im Zuge eines Einkommenswachstums erst massiv ihre Waldflächen verkleinern und sich dann ab einer gewissen Einkommensstärke wieder einpendeln, ihre Wälder wieder bestehen bleiben oder sogar wachsen, gab es bereits seit Ende der 1990er-Jahre. Jesús Crespo Cuaresma und seine Kolleg/inn/en des International Institute for Applied System Analysis (IIASA) konnten nun weltweit erstmals die Theorie bestätigen.
Außergewöhnliches Forschungsdesign
Für seine Untersuchungen wählte WU-Professor Jesus Crespo Cuaresma einen neuartigen, interdisziplinären Zugang und entwickelte gemeinsam mit Fernerkundungs-Expert/inn/en und Geolog/inn/en ein einzigartiges Forschungsdesign. Im Mittelpunkt der Forschung stand die Frage, wie sich die Natur eines Landes durch Veränderung von Einkommen verändert, konkret widmete sich Jesús Crespo Cuaresma dabei dem Waldvorkommen. Hierfür zog der Makroökonom Satellitenbilder heran und fokussierte alle Ländergrenzen weltweit. Für die Analyse wurden dann jene Gebiete ausgewählt, in denen innerhalb einer 50-Kilometer-Grenzzone auf beiden Seiten der Grenze gleiche klimatische und geologische Gegebenheiten vorhanden sind. „Es würde keinen Sinn machen, Einkommen und Waldstrukturen zwischen zwei Ländern zu vergleichen und Effekte zu beobachten, wenn möglicherweise eines der beiden Länder über keinen Wald verfügen kann, weil es aus Wüstengebiet oder Gebirge besteht“, erklärt Crespo Cuaresma.
Holz als zentrale Ressource
Gerade in tropischen Gebieten wurde in den vergangenen Jahrzehnten massiv Wald abgeholzt – ein Phänomen, das sich besonders in armen Ländern zeigt. In seiner Studie beobachte Jesús Crespo Cuaresma die Veränderungen von Einkommen in den Ländern und ihren jeweiligen Waldstrukturen. Die Ergebnisse zeigen: Arme Länder, deren Wirtschaft wächst, weisen intensive Abholzungen auf. Erreichen diese Länder allerdings ein gewisses Einkommensniveau, stagniert auch die Abholzung. Ab diesem Zeitpunkt ist ein leichtes Wachstum des Waldes zu erkennen. „Wir gehen davon aus, dass die massive Abholzung in armen Ländern durch den Handel mit Holz als Rohstoff und zusätzlich durch niedrige Energiekosten, weil Holz als billigerer Energielieferant gilt, erst stark zunimmt“ erklärt Crespo Cuaresma. Ab einem Bruttoinlandsprodukt von 5.500 internationalen Dollars - das entspricht exakt dem Pro-Kopf-Einkommen in Guatemala - stoppt die Zunahme der Abholzung, stattdessen ist ab diesem Punkt wieder Waldwachstum zu erwarten. „Ab einem bestimmten Level an Wohlstand, wird Wald nicht mehr in der Intensität wie vorher als Energielieferant und Handelsressource genutzt. Zudem gehen wir davon aus, dass wohlhabendere Menschen eventuell auch mehr Umweltbewusstsein oder auch mehr Zeit für Natur und Wald haben“, erklärt Crespo Cuaresma.
Meilenstein für die Klimaforschung
Die Ergebnisse der Studie sind insbesondere im Bereich der Klimaforschung ein völlig neuer Aspekt und stellen einen wesentlichen Schritt in der Wissenschaft dar. „Wälder sind eine günstige Technologie, um CO2 zu speichern. Wenn man die Kuznets-Kurve mit Einkommensszenarien kombiniert lässt sich zukünftig schätzen wie viel Wald wir in der Zukunft haben werden und ob Abholzung ein Problem für den Klimawandel werden könnte“, so Crespo Cuaresma.
Rückfragehinweis:
Anna Maria Schwendinger, Bakk.
Presse-Referentin
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