Eine Person liest eine spanische Tageszeitung

Unverzichtbar & systemrelevant: Arbeit von Reinigungskräften sichtbar machen

14. Juni 2021

Der 15. Juni ist „Internationaler Tag der Gebäudereinigung“ und versucht, die Situation von Reiniger/inne/n in das Blickfeld der breiteren Öffentlichkeit zu rücken. Forscherin Karin Sardadvar, Institut für Soziologie und Empirische Sozialforschung der Wirtschaftsuniversität Wien (WU), beschäftigt sich mit den Arbeitsbedingungen in der Branche und versucht Lösungsansätze für bestehende Probleme aufzuzeigen. Die Reinigungsbranche ist in Österreich ein großes und wachsendes Gewerbe, in dem rund 76.000 Menschen (inkl. Hausmeister/innen-Dienste) arbeiten. Sie ist zwar kollektivvertraglich geregelt, weist aber dennoch prekäre Arbeitsverhältnisse auf. Besonders die Arbeitszeiten sind schwierig: sie liegen oft an den Tagesrändern und sind zerrissen.

„Die Arbeitszeiten an den Tagesrändern, etwa ab 6 Uhr früh oder nach 18 Uhr, führen dazu, dass Belegschaften von Unternehmen nichts von der Reinigungsarbeit merken. Diese geteilten Dienste sind für die Reiniger/innen eine große Belastung. Sie beeinträchtigen die Lebensqualität der Beschäftigten und sind nur schlecht mit dem Familien- und Privatleben vereinbar“, erklärt Karin Sardadvar häufige Folgen dieser Arbeitszeitform. Ein Umstieg auf Tagreinigung könnte die Arbeits- und Lebensqualität von Reiniger/inne/n erheblich verbessern – und auch für die Kund/inn/en- und Reinigungsunternehmen einige Vorteile bringen. „Für Beschäftigte steigt die Lebensqualität, Kund/inn/en-Unternehmen können direkt mit der Reinigungskraft kommunizieren und für Reinigungsunternehmen erleichtert sich die Arbeitsorganisation,“ schildert Soziologin Sardadvar einige der Vorteile von Tagreinigung. 

Geregelt, aber doch prekär 

Arbeitsbedingungen in der Reinigungsbranche sind gekennzeichnet durch niedrige Entlohnung und atypische Beschäftigung. Die Arbeitnehmer/innenvertretung ist dadurch erschwert, dass viele Reinigungskräfte in Teilzeit beschäftigt und an unterschiedlichen Arbeitsorten tätig sind. In Österreich ist die Reinigungsarbeit sozialpartnerschaftlich weitreichend geordnet, die Löhne und Beschäftigungsbedingungen sind durch Kollektivverträge geregelt. „Gleichzeitig sind viele Bereiche von schwierigen Arbeitsbedingungen gekennzeichnet: Beschäftigte haben häufig Teilzeiteinkommen, sie sind Gesundheits- und Sicherheitsrisiken ausgesetzt und es gibt insgesamt nur geringe Entwicklungs- und Aufstiegsperspektiven“, so Sardadvar. Für Frauen in der Branche gilt dies nochmals verstärkt – sie sind häufiger in Teilzeit, insbesondere in kurzer Teilzeit, und in Bereichen mit atypischen Arbeitszeiten beschäftigt als Männer. Außerdem beeinträchtigen die niedrige gesellschaftliche Anerkennung der Reinigungsarbeit und die zusätzliche Unsichtbarmachung durch die aktuellen Arbeitszeiten die Arbeitsbedingungen. 

Beispiel Norwegen  

Allerdings: Viele dieser Bereiche sind auch gestaltbar. Das zeigt Norwegen, wo WU Forscherin Sardadvar die Arbeitszeiten in der Reinigungsbranche im Vergleich zu Österreich untersucht hat. In Norwegen kam es in den letzten Jahrzehnten zu einem weitreichenden Übergang von einstmals verbreiteten geteilten Diensten an den Tagesrändern hin zu einem hohen Anteil an nicht unterbrochenen Arbeitstagen zu den gewöhnlichen Geschäftszeiten. „Heute ist es in Norwegen der Normalfall, dass Reinigungskräfte dann arbeiten, wenn auch die meisten anderen Beschäftigten ihrer Arbeit nachgehen – zu den Bürozeiten untertags“, berichtet Sardadvar.  

Reinigungsarbeit in Österreich: Zahlen und Fakten  

  • In Österreich arbeiten rund 76.000 Personen im Reinigungsgewerbe (inkl. Hausmeister/innen-Dienste). 

  • Rund 70 Prozent der der Beschäftigten sind Frauen.  

  • Rund 40 Prozent der Beschäftigten sind in Österreich geboren.  

  • Rund die Hälfte der Beschäftigten insgesamt arbeitet in Teilzeit. Insbesondere Frauen arbeiten häufig in (niedriger) Teilzeit – mit den entsprechenden Folgen für Löhne und Pensionen.  

  • Löhne sind kollektivvertraglich geregelt. Die Stundenlöhne in der Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereinigung etwa liegen zwischen 9,38 bis 11,43 Euro brutto. 

Mehr Bewusstsein für die Gestaltbarkeit von Reinigungsarbeit schaffen 

Mit dem „Tag der Gebäudereinigung“ sollen die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen von Reinigungsarbeiter/inne/n medial in den Fokus gerückt werden. Historisch geht dieser Aktionstag auf die Bewegung „Justice for Janitors“ von Hausbesorger/inne/n und Reiniger/inne/n in den USA und Kanada zurück, die 1990 ihren Ausgang nahm. Damals wurde erfolgreich gegen schlechte Arbeitsbedingungen und niedrige Bezahlung protestiert.  

WU Forscherin Karin Sardadvar organisiert in diesem Jahr gemeinsam mit dem Zentral-Arbeitsinspektorat und den Sozialpartnern eine Veranstaltung zum „Tag der Gebäudereinigung“. Expert/inn/en diskutieren, was sich verändern muss, um etwa unsoziale Arbeitszeiten und gesundheitliche Probleme von Reiniger/inne/n zu vermeiden. 

Weitere Links und Informationen: 

Pressekontakt: 
Mag. Melanie Hacker 
PR-Referentin 
Tel: + 43-1-31336-5964 
E-Mail: melanie.hacker@wu.ac.at  

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