UN-Nachhaltigkeitsziele im Jahr 2017: Wo steht Europa?
Im September 2015 beschlossen die 193 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen mit der „Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“ erstmals global gültige Ziele für nachhaltige Entwicklung. Den Kern der Agenda 2030 bilden 17 globale Nachhaltigkeitsziele, die für Industrie-, Entwicklungs- und Schwellenländer gleichermaßen gelten. Das WU-Institut für Nachhaltigkeitsmanagement wurde durch das europäische Statistikamt Eurostat mit der Analyse des Fortschritts der Europäischen Union im Sinne der Agenda 2030 beauftragt. Der aktuell veröffentlichte Bericht der WissenschafterInnen zeigt positive Entwicklungen beim EU Material- und Energieverbrauch, während gesellschaftliche Ungleichheiten zugenommen haben.
Bereits seit 2007 analysiert das Institut für Nachhaltigkeitsmanagement der WU im Auftrag von Eurostat die Nachhaltige Entwicklung der EU und untersucht den Fortschritt in Bezug auf ihre wirtschafts-, sozial- und umweltpolitischen Ziele. Der Monitoring-Bericht 2017 ist der erste, der sich auf Basis offizieller europäischer Statistiken den 17 UN-Nachhaltigkeitszielen widmet. Die Auswertung der Eurostat-Daten zeigt deutliche Fortschritte der EU in den fünf Zielbereichen „Konsum- und Produktionsmuster“, „saubere Energie“, „Städte und Gemeinden“, „Leben an Land“ sowie „Gesundheit und Wohlergehen“. Besonders der gesamte Material- und Energieverbrauch der 28 EU Mitgliedsstaaten ist laut Studie in den letzten fünf Jahren deutlich gefallen - und das obwohl das Wirtschaftswachstum in der EU zuletzt wieder an Fahrt aufgenommen hat. „Die Bewertung dieser Entwicklungen ist aber mit Vorsicht zu genießen“, so Markus Hametner, Projektleiter am Institut für Nachhaltigkeitsmanagement der WU und leitender Wissenschafter bei der Erstellung des Eurostat-Berichtes. „Die vorliegenden Daten zeichnen in der Tat ein positives Bild der Umweltauswirkungen der Konsum- und Produktionsmuster in der EU. Es ist aber unklar, welche Rolle die Absiedelung rohstoffintensiver Industrien aus Europa, vor allem während der Wirtschaftskrise, dazu beigetragen hat, das heißt, wie viel des Material- und Energieverbrauchs die EU in den letzten Jahren an andere Weltregionen ausgelagert hat.“
Mehr Armut und prekäre Beschäftigung
Nur moderate Fortschritte zeigen sich in anderen Zielbereichen wie der Armutsbekämpfung oder der Verbesserung landwirtschaftlicher Produktionsmuster in der EU. So hat beispielsweise die Anzahl armutsgefährdeter Personen seit 2013 deutlich zugenommen. Immer mehr Menschen sind zudem von sehr niedriger Erwerbstätigkeit betroffen, d.h. sie arbeiten deutlich weniger als sie könnten. Dies schlage sich wiederum in der Einkommenssituation der Betroffenen nieder, so Hametner. Auch die Einkommen aus landwirtschaftlicher Tätigkeit sind in den letzten fünf Jahren leicht zurückgegangen, während die negativen Auswirkungen landwirtschaftlicher Produktion teilweise zugenommen haben.
Schere klafft weiterhin auseinander
Geringe bis keine Fortschritte hat die EU bei der Reduzierung von Ungleichheiten sowohl zwischen Männern und Frauen als auch zwischen armen und reichen Bevölkerungsgruppen erzielt. Obwohl Frauen in puncto Ausbildung erst die Nase vorne haben und beispielsweise sowohl auf Sekundarstufe 2 als auch auf Universitäts- und Hochschullevel mehr Abschlüsse für sich verzeichnen, wandelt sich deren Situation beim Einstieg ins Berufsleben zu ihren Ungunsten. So ist die Erwerbstätigenquote von Männern nach wie vor deutlich höher als jene der Frauen, und der Anteil von Frauen in Führungspositionen in Politik und Wirtschaft wächst nur langsam. Die Daten für 2017 zeigen, dass Frauen nur einen von drei Sitzen in nationalen Parlamenten bzw. nur einen von vier Positionen im Vorstand großer, börsennotierter Unternehmen innehaben.
Einkommensungleichheiten nehmen zu
„Besonders problematisch fällt die Bewertung der Einkommensentwicklung innerhalb der EU aus“, erklärt WU-Forscher Markus Hametner. „Während sich die EU Mitgliedsstaaten bei den verfügbaren Haushaltseinkommen angenähert haben, hat sich innerhalb der einzelnen EU Länder die Einkommenskluft zwischen Arm und Reich verschärft. Ein Grund dafür ist, dass ärmere Bevölkerungsgruppen in den letzten fünf Jahren noch ärmer geworden sind, während die Einkommen von BesserverdienerInnen stagnierten oder sogar leicht gestiegen sind. Diese Entwicklung widerspricht ganz klar dem Motto der UN-Nachhaltigkeitsziele, welches besagt dass alle Teile der Bevölkerung gleichermaßen von den Fortschritten profitieren sollen.“
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