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Studie zu Shared Mobility: komplizierter als gedacht, weniger nachhaltig als erhofft

27. November 2024

Durch Car­sha­ring und an­de­re Shared-​Mobility-Angebote soll­ten Ver­kehr und Emis­sio­nen sin­ken – doch davon ist bis­her wenig zu be­mer­ken. Warum das so ist, haben For­scher*innen der WU Wirt­schafts­uni­ver­si­tät Wien un­ter­sucht. Sie zei­gen: Au­to­zen­trier­te In­fra­struk­tur er­schwert die nach­hal­ti­ge Mo­bi­li­tät.

Lei­hen statt Be­sit­zen: Das Kon­zept der Sharing Eco­no­my hat be­son­ders im Mo­bi­li­täts­be­reich gro­ßes Po­ten­zi­al, denn im Durch­schnitt fah­ren pri­va­te Pkws nur etwa eine Stun­de pro Tag. Shared Mo­bi­li­ty – von Car­sha­ring bis Las­ten­rad­ver­leih – könn­te für viele Men­schen eine Al­ter­na­ti­ve zum Be­sitz eines Autos sein, die nicht nur Kos­ten spart, son­dern auch Ver­kehrs­be­las­tung und Emis­sio­nen re­du­ziert.

Doch diese Hoff­nung hat sich bis­her nicht be­wahr­hei­tet: „Das ein­zi­ge Shared-​Mobility-Angebot, das sich groß­flä­chig durch­ge­setzt hat, ist so ge­nann­tes Free-​Floating Car­sha­ring, bei dem Fahr­zeu­ge fle­xi­bel ab­ge­holt und ab­ge­stellt wer­den kön­nen,“, sagt Miri­jam Mock vom WU In­sti­tut für Ge­sell­schafts­wan­del und Nach­hal­tig­keit. „Aber Un­ter­su­chun­gen haben ge­zeigt, dass diese Form der Shared Mo­bi­li­ty nicht viel um­welt­freund­li­cher ist als die Nut­zung eines pri­va­ten Pkw.“

Ge­mein­sam mit ihrer Kol­le­gin Ka­tha­ri­na Wan­kat hat Miri­jam Mock un­ter­sucht, warum nach­hal­ti­ge­re Mo­bi­li­täts­lö­sun­gen wie sta­tio­nä­res Car­sha­ring oder Leih-​Lastenräder bis­her nur be­grenz­ten An­klang fin­den. Die Er­geb­nis­se zei­gen: Die Ver­brei­tung sol­cher An­ge­bo­te schei­tert oft daran, dass sie sich schwer in den All­tag in­te­grie­ren las­sen – was vor allem an der be­stehen­den, auf pri­va­te Autos aus­ge­leg­ten In­fra­struk­tur liegt.

Ta­ge­buch zum Mo­bi­li­täts­ver­hal­ten

In einer qua­li­ta­ti­ven Un­ter­su­chung do­ku­men­tier­ten 21 Stu­di­en­teil­neh­mer*innen über drei Wo­chen hin­weg ihre Mo­bi­li­täts­ge­wohn­hei­ten mit­hil­fe einer App. Die Teil­neh­mer*innen luden Fotos, Vi­de­os und Text­no­ti­zen hoch, die ihr all­täg­li­ches Mo­bi­li­täts­ver­hal­ten wi­der­spie­gel­ten – dar­un­ter ver­schie­de­ne Carsharing-​Dienste wie „Share­Now“, „Wien­Mo­bil Auto“ der Wie­ner Li­ni­en oder „Rail & Drive“ der ÖBB.

„Da­durch konn­ten wir quasi live mit­ver­fol­gen, wie diese Men­schen ihre Mo­bi­li­tät ge­stal­ten“, sagt Miri­jam Mock. „Bei Be­fra­gun­gen zum Mo­bi­li­täts­ver­hal­ten ken­nen wir das Pro­blem, dass sich viele Men­schen nicht genau er­in­nern, wie sie einen Weg zu­rück­ge­legt haben. Die­ses Pro­blem konn­ten wir damit um­ge­hen.“

Die Er­geb­nis­se zei­gen: Ob­wohl es oft als nach­hal­ti­ge Al­ter­na­ti­ve an­ge­prie­sen wird, er­setzt Free-​Floating Car­sha­ring kaum pri­va­te Autos. Statt­des­sen dient es meist als Er­gän­zung und nicht als Er­satz für den pri­va­ten Pkw. Sta­ti­ons­ba­sier­tes Car­sha­ring und An­ge­bo­te wie Leih-​Lastenräder ber­gen hin­ge­gen ein grö­ße­res öko­lo­gi­sches Po­ten­zi­al. Doch ihre Nut­zung setzt mul­ti­moda­le Mo­bi­li­tät vor­aus – eine Kom­bi­na­ti­on aus öf­fent­li­chem Ver­kehr, Rad­fah­ren und Fuß­we­gen.

Im Ge­gen­satz zum mo­no­mo­da­len Au­to­fah­ren sind mul­ti­moda­le Mo­bi­li­täts­for­men aber deut­lich an­spruchs­vol­ler: „Die Nut­zung meh­re­rer Ver­kehrs­mit­tel er­for­dert nicht nur Pla­nungs­auf­wand, son­dern auch die ge­eig­ne­te In­fra­struk­tur. Feh­len­de Rad­we­ge, schwie­ri­ge Park­platz­si­tua­tio­nen für Las­ten­rä­der und kom­pli­zier­te di­gi­ta­le Lö­sun­gen ma­chen die In­te­gra­ti­on in den All­tag schwie­rig“, so Co-​Autorin Ka­tha­ri­na Wan­kat.

In­no­va­ti­on al­lei­ne reicht nicht aus

Um das zu än­dern, ma­chen die Au­torin­nen meh­re­re Emp­feh­lun­gen: Di­gi­ta­le Platt­for­men, die ver­schie­de­ne Mo­bi­li­täts­diens­te bün­deln, und eine bes­se­re Ver­zah­nung von Carsharing-​Angeboten mit öf­fent­li­chem Ver­kehr könn­ten die At­trak­ti­vi­tät nach­hal­ti­ger Mo­bi­li­tät deut­lich er­hö­hen. Doch die Au­torin­nen be­to­nen, dass nach­hal­ti­ge Mo­bi­li­tät nicht al­lein durch tech­ni­sche In­no­va­ti­on oder App-​basierte Lö­sun­gen vor­an­ge­trie­ben wer­den kann. Mit ge­ziel­ten In­ves­ti­tio­nen und po­li­ti­schen Maß­nah­men müsse erst die not­wen­di­ge In­fra­struk­tur ge­schaf­fen wer­den.

„Pri­va­te An­bie­ter sto­ßen bei der Ent­wick­lung mul­ti­moda­ler Mo­bi­li­täts­kon­zep­te oft an Gren­zen. Die öf­fent­li­che Hand müss­te eine ak­ti­ve Rolle spie­len, um diese Lücke zu schlie­ßen“, sagt Miri­jam Mock. So wie etwa das Kli­ma­ti­cket den öf­fent­li­chen Ver­kehr für Fahr­gäs­te ver­ein­facht hätte, sei eine ver­gleich­bar simp­le Abo-​Gesamtlösung – ein „Net­flix für Mo­bi­li­tät“ – auch für mul­ti­moda­le Mo­bi­li­tät wün­schens­wert.

De­tail­lier­te Stu­di­en­ergeb­nis­se und wei­te­re In­for­ma­tio­nen

Mock, M., & Wan­kat, K. (2024). Why do sus­tain­able shared mo­bi­li­ty prac­ti­ces not pro­li­fe­ra­te more wi­de­ly? In­sights from di­gi­tal mo­bi­li­ty dia­ries. Jour­nal of Clea­ner Pro­duc­tion (El­se­vier), 475, Ar­ti­kel 143582.

Link zur Stu­die
 

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