Studie zu Shared Mobility: komplizierter als gedacht, weniger nachhaltig als erhofft
Durch Carsharing und andere Shared-Mobility-Angebote sollten Verkehr und Emissionen sinken – doch davon ist bisher wenig zu bemerken. Warum das so ist, haben Forscher*innen der WU Wirtschaftsuniversität Wien untersucht. Sie zeigen: Autozentrierte Infrastruktur erschwert die nachhaltige Mobilität.
Leihen statt Besitzen: Das Konzept der Sharing Economy hat besonders im Mobilitätsbereich großes Potenzial, denn im Durchschnitt fahren private Pkws nur etwa eine Stunde pro Tag. Shared Mobility – von Carsharing bis Lastenradverleih – könnte für viele Menschen eine Alternative zum Besitz eines Autos sein, die nicht nur Kosten spart, sondern auch Verkehrsbelastung und Emissionen reduziert.
Doch diese Hoffnung hat sich bisher nicht bewahrheitet: „Das einzige Shared-Mobility-Angebot, das sich großflächig durchgesetzt hat, ist so genanntes Free-Floating Carsharing, bei dem Fahrzeuge flexibel abgeholt und abgestellt werden können,“, sagt Mirijam Mock vom WU Institut für Gesellschaftswandel und Nachhaltigkeit. „Aber Untersuchungen haben gezeigt, dass diese Form der Shared Mobility nicht viel umweltfreundlicher ist als die Nutzung eines privaten Pkw.“
Gemeinsam mit ihrer Kollegin Katharina Wankat hat Mirijam Mock untersucht, warum nachhaltigere Mobilitätslösungen wie stationäres Carsharing oder Leih-Lastenräder bisher nur begrenzten Anklang finden. Die Ergebnisse zeigen: Die Verbreitung solcher Angebote scheitert oft daran, dass sie sich schwer in den Alltag integrieren lassen – was vor allem an der bestehenden, auf private Autos ausgelegten Infrastruktur liegt.
Tagebuch zum Mobilitätsverhalten
In einer qualitativen Untersuchung dokumentierten 21 Studienteilnehmer*innen über drei Wochen hinweg ihre Mobilitätsgewohnheiten mithilfe einer App. Die Teilnehmer*innen luden Fotos, Videos und Textnotizen hoch, die ihr alltägliches Mobilitätsverhalten widerspiegelten – darunter verschiedene Carsharing-Dienste wie „ShareNow“, „WienMobil Auto“ der Wiener Linien oder „Rail & Drive“ der ÖBB.
„Dadurch konnten wir quasi live mitverfolgen, wie diese Menschen ihre Mobilität gestalten“, sagt Mirijam Mock. „Bei Befragungen zum Mobilitätsverhalten kennen wir das Problem, dass sich viele Menschen nicht genau erinnern, wie sie einen Weg zurückgelegt haben. Dieses Problem konnten wir damit umgehen.“
Die Ergebnisse zeigen: Obwohl es oft als nachhaltige Alternative angepriesen wird, ersetzt Free-Floating Carsharing kaum private Autos. Stattdessen dient es meist als Ergänzung und nicht als Ersatz für den privaten Pkw. Stationsbasiertes Carsharing und Angebote wie Leih-Lastenräder bergen hingegen ein größeres ökologisches Potenzial. Doch ihre Nutzung setzt multimodale Mobilität voraus – eine Kombination aus öffentlichem Verkehr, Radfahren und Fußwegen.
Im Gegensatz zum monomodalen Autofahren sind multimodale Mobilitätsformen aber deutlich anspruchsvoller: „Die Nutzung mehrerer Verkehrsmittel erfordert nicht nur Planungsaufwand, sondern auch die geeignete Infrastruktur. Fehlende Radwege, schwierige Parkplatzsituationen für Lastenräder und komplizierte digitale Lösungen machen die Integration in den Alltag schwierig“, so Co-Autorin Katharina Wankat.
Innovation alleine reicht nicht aus
Um das zu ändern, machen die Autorinnen mehrere Empfehlungen: Digitale Plattformen, die verschiedene Mobilitätsdienste bündeln, und eine bessere Verzahnung von Carsharing-Angeboten mit öffentlichem Verkehr könnten die Attraktivität nachhaltiger Mobilität deutlich erhöhen. Doch die Autorinnen betonen, dass nachhaltige Mobilität nicht allein durch technische Innovation oder App-basierte Lösungen vorangetrieben werden kann. Mit gezielten Investitionen und politischen Maßnahmen müsse erst die notwendige Infrastruktur geschaffen werden.
„Private Anbieter stoßen bei der Entwicklung multimodaler Mobilitätskonzepte oft an Grenzen. Die öffentliche Hand müsste eine aktive Rolle spielen, um diese Lücke zu schließen“, sagt Mirijam Mock. So wie etwa das Klimaticket den öffentlichen Verkehr für Fahrgäste vereinfacht hätte, sei eine vergleichbar simple Abo-Gesamtlösung – ein „Netflix für Mobilität“ – auch für multimodale Mobilität wünschenswert.
Detaillierte Studienergebnisse und weitere Informationen
Mock, M., & Wankat, K. (2024). Why do sustainable shared mobility practices not proliferate more widely? Insights from digital mobility diaries. Journal of Cleaner Production (Elsevier), 475, Artikel 143582.