Sozialismus und Privatwirtschaft in China: Auf der Suche nach Synergien
In einer Studie der Wirtschaftsuniversität Wien (WU) wurde untersucht, wie sich die Förderung des Privatsektors im sozialistischen China Ende der 1970er Jahr auf die Bevölkerung auswirkte. Zuvor hatte die chinesische Regierung jahrzehntelang jede*n, der sich in irgendeiner Form mit Privatkapitalismus beschäftigte, gewaltsam unterdrückt. Die Forscher*innen kamen zu dem Ergebnis: die Eingliederung von Ideen in eine Institution, die zuvor als moralisch verwerflich gegolten haben, haben das Potential starke Konflikte auszulösen. Diese blieben in China aber aufgrund umfassender Maßnahmen aus.
Das Team um WU Assistenzprofessorin Mia Raynard beschäftigt sich in ihrer Studie „Boundary work and transgressive institutional reform: love, hate, and private enterprise in chinese socialism“ mit den Auswirkungen von institutionellem Wandel in China. Zwischen 1978 und 2007 bemühte sich die chinesische Regierung den Privatsektor wiedereinzuführen. Wie kann eine Idee oder Praxis, die einst als falsch oder sogar moralisch verwerflich angesehen wurde und als Widerspruch zum chinesischen Sozialismus galt, von der Bevölkerung akzeptiert werden? Auf der Grundlage einer Längsschnittanalyse politischer, rechtlicher und historischer Dokumente untersuchten Mia Raynards und ihr Team die Bemühungen der chinesischen Regierung, Konflikte zu vermeiden.
Spagat zwischen Sozialismus und Privatsektor
Institutionen müssen sich an Wandel anpassen, um ihre Relevanz und Legitimität zu bewahren. Die Regierungsarbeit die in China geleistet wurde, um institutionellen Wandel zu erreichen, war komplex und herausfordernd, vor allem, weil sie zwei potenziell widersprüchliche Ziele beinhaltete. Einerseits die Einbeziehung einer Praxis, die zuvor definiert hatte, was der chinesische Sozialismus eben nicht war. Andererseits die Aufrechterhaltung des chinesischen Sozialismus als Institution mit den damit verbundenen Eigenschaften des kollektiven Eigentums und der Selbstaufopferung für die Interessen der Gemeinschaft. „Es ist interessant, wie die chinesische Regierung die ideologische Herausforderung der Wiedereinführung des Privatsektors bewältigen konnte, ohne ihre Legitimität und die des chinesischen Sozialismus zu untergraben. Das ist v.a auf die Maßnahmen der chinesischen Regierung und die vielzähligen Unterscheidungen, welche Gruppen sich in welchem Ausmaß im privaten Bereich engagieren dürfen, zurückzuführen“, so WU Forscherin Mia Raynard. Die Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe etwa, ist ein Beispiel dafür, wie sich Institutionen an den Wandel angepasst haben und gleichzeitig Konflikte nicht vermeiden konnten, weil das Thema moralisch von Institutionen, wie etwa der Kirche, besetzt worden war und begleitende Maßnahmen, um diesen Wandel zu erklären, ausblieben.
Über Mia Raynard
Mia Raynard ist Assistenzprofessorin am Institut für Change Management und Management Development der Wirtschaftsuniversität Wien. Sie promovierte an der University of Alberta, erwarb einen MBA an der National Sun Yat-Sen University in Taiwan und einen Bachelor of Commerce an der McGill University. Ihre Hauptforschungsinteressen liegen an der Schnittstelle zwischen Organisationstheorie und Wandel. Raynard ist Redaktionsmitglied von „Administrative Science Quarterly”, “Journal of Management Studies”, “Organization Studies” und “Family Business Review”.
Researcher of the Month
Seit 2016 zeichnet die WU mit dem „Researcher of the Month“ hervorragende Forscher*innen aus, die mit ihrer Forschung maßgeblich zur Lösung wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und rechtlicher Fragen beitragen. Das monatliche Video „Researcher of the Month“ zeigt den Alltag der Forscher*innen und gewährt einen Blick hinter die Kulissen der vielfältigen WU Forschung.
Weiterführende Links
Video Researcher of the Month Mia Raynard
Pressekontakt:
Mag. Melanie Hacker
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