Bildungsexpansion: Sozialer Status noch immer von hoher Bedeutung
DemographInnen und Co. wissen es schon lange: Bildung ist eine Schlüsselvariable für die Zukunft der Menschheit. Petra Sauer vom Forschungsinstitut Economics of Inequality widmete sich in einer aktuellen Studie der Frage, wie sich die Verteilung von Bildung seit 1970 global entwickelt hat und welche Bevölkerungsgruppen dabei bevorzugt bzw. benachteiligt sind. Deutlich wird dabei, dass das Ausmaß an Bildungsungleichheit seit den 1970er Jahren global gesunken ist. Die Bildungsexpansion hatte jedoch perioden- und regionenspezifische verteilungsrelevante Auswirkungen. Die Bildungsungleichheit steigt an, solange es spezifische Gruppen in der Gesellschaft gibt, die zuerst von bildungspolitischen Maßnahmen profitieren.
Bildungsexpansion bezeichnet die Entwicklung, dass sowohl innerhalb eines Landes, als auch weltweit betrachtet immer mehr Menschen immer höhere Bildungsabschlüsse erreichen. Bildungsexpansion wird im Globalen Süden vorangetrieben, um der Armut zu entfliehen. In OECD-Ländern manifestiert sich der generelle Trend zu immer höherer/mehr Qualifizierung im Ansteigen der Hochschulabschlüsse/Tertiärabschlüsse. Maßnahmen dafür reichen von einzelnen regulativen Aspekten, wie die Ausweitung der Schulpflichtdauer, zu Anreizen für die Inklusion vormals bildungsferner Bevölkerungsgruppen. Doch obwohl sich global gesehen Bildung immer weiter ausbreitet, steht sie nach wie vor nicht allen Menschen auf der Welt in gleichem Ausmaß zur Verfügung. Nicht immer erreichen politische Maßnahmen zur Förderung von Bildung alle Bevölkerungsgruppen gleichermaßen. Petra Sauer, Ökonomin am Forschungsinstitut Economics of Inequality, untersuchte die globale Verteilung von Bildung anhand eines Datensatzes mit Angaben über Alter, Geschlecht und Bildungsniveau verschiedenster weltweiter Populationen.
Ort und Zeit entscheidend
Ihre Untersuchungen zeigen, dass Bildung in afrikanischen und südasiatischen Ländern, wo der Großteil der Bevölkerung höchstens die Pflichtschule abschließt und nur wenige bis zur Universität gelangen, am „ungleichsten“ verteilt ist. In OECD Ländern ist nicht nur der Bildungsstand hoch, Bildung ist relativ gleich verteilt, denn die Mehrheit erreicht einen Sekundar- oder Tertiärabschluss. Seit den 1970er Jahren ist das Ausmaß an Bildungsungleichheit global gesunken. Einen bedeutenden Anteil an diesem Trend hat die Verringerung des Abstands zwischen Männern und Frauen. Die Bildungsexpansion hat jedoch perioden- und regionenspezifische verteilungsrelevante Auswirkungen: „Die Bildungsungleichheit steigt im Zuge der Bildungsexpansion, solange es spezifische Gruppen in der Gesellschaft gibt, die zuerst von bildungspolitischen Maßnahmen profitieren“, erklärt Petra Sauer, „das gilt nicht nur für die – weniger überraschenden – Unterschiede zwischen Alterskohorten, sondern auch für Unterschiede zwischen den Geschlechtern und sozio-ökonomischen Gruppen.“
Sozialer Status und Geschlecht entscheidend
Wenn Bildung expandiert, erreichen junge Bevölkerungsgruppen ein höheres Bildungsniveau als ihre Elterngenerationen. Besonders ausgeprägt war diese Entwicklung beispielsweise in Südkorea, wo beinahe die Hälfte der 30-jährigen Bevölkerung eine Hochschule abschließt – was für über 60-Jährige noch keine Option darstellte. In weiten Teilen der Welt waren es aber nicht nur die Jüngeren generell, sondern vor allem die jüngeren Männer, die zuerst ein höheres Bildungsniveau erreichten. Dies ist bis 1990 in afrikanischen Ländern, insbesondere in Gambia, zu beobachten. Demgegenüber erlangen junge Frauen in einigen lateinamerikanischen Ländern, so auch in Argentinien und Brasilien, schon seit Beginn der 1980er Jahren kontinuierlich höhere Bildungsabschlüsse als ihre männlichen Alterskohorten. In Europa ist das seit den 1990er Jahren vorwiegend im Norden, z.B. in Dänemark und Finnland, der Fall, aber u.a. auch in Frankreich und Estland. Während also die Unterschiede zwischen demographischen Gruppen tendenziell gesunken sind, ist die Zugehörigkeit zu einer sozio-ökonomischen Gruppe nach wie vor von großer Bedeutung. Sie trägt bis heute einen hohen, nur leicht sinkenden Anteil zur Bildungsungleichheit bei – und das ist in allen Weltregionen, somit auch in Europa, der Fall.
Maßnahmen setzen
Bildungsexpansion kann also, muss aber nicht notwendigerweise mit einer Verbreiterung des Bildungszugangs über sozio-ökonomische Gruppen hinweg einhergehen. Eine Ausweitung der Schulpflicht verlängert unter Umständen nur die Bildungsdauer jener Gruppen, die ohnehin bereits im System integriert sind. Eine Reduktion des SchülerInnen-LehrerInnen-Verhältnisses kann Ungleichheiten verstärken, wenn sie Qualitätsunterschiede zwischen Schulebenen und/oder -typen erhöht. „Verkleinert man Klassen, Lerngruppen etc. zum Beispiel ausschließlich im Sekundärschulbereich, erhöht sich die Ungleichheit gegenüber jenen, die nur die Pflichtschule absolvieren“, erklärte die Studienautorin. Die Verteilungsimplikationen von bildungspolitischen Maßnahmen müssen somit konsequent evaluiert werden. Das ist laut Petra Sauer von zentraler Bedeutung, „damit Bildung auch jene positiven Auswirkungen auf sozialen Zusammenhalt, Demokratie und Armutsreduktion entfalten kann, die ihr zugeschrieben werden.“
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