NPO-Institut (Verein)

Vereins- und Steuerrecht

Inhalt dieses Kapitels

Höhne, In der Maur & Partner | Das „Vereinsschiedsgericht“ - wenn schon streiten, dann richtig!

Von Thomas Höhne
 
Gemäß § 3 Abs 2 Z 10 muss den Vereinsstatuten die Art der Schlichtung von Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis zu entnehmen sein, gemäß § 8 Abs 1 haben die Statuten vorzusehen, dass Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis vor einer Schlichtungseinrichtung auszutragen sind. Üblicherweise wird ein „Schiedsgericht“ in den Vereinsstatuten vorgesehen, obwohl auch eine andere Art der Schlichtung von Vereinsstreitigkeiten möglich wäre.

Jedenfalls genügt es nicht, dass die Streitigkeit zwischen Vereinsmitgliedern oder dem Verein und einem Mitglied besteht, der Streit muss denknotwendig in der Vereinszugehörigkeit wurzeln. Dies ist zB nicht der Fall bei einem Darlehen, das ein Mitglied seinem Verein gewährt, und das der Verein genauso gut anderswo hätte aufnehmen können. Diese können direkt bei Gericht eingebracht werden, auch wenn der Streit aus dem Vereinsverhältnis resultiert. Nicht anders, wenn ein Vereinsmitglied gleichzeitig Dienstnehmerin ist, die ihre Ansprüche auf angemessenes Entgelt auf §§ 1151, 1152 ABGB stützt – und nicht auf die Vereinsmitgliedschaft. Dieser (arbeits-)vertragliche Anspruch wurzelt eben nicht denknotwendig in der Vereinszugehörigkeit.
 
Wie hat die Streitschlichtungsinstanz auszusehen?

Das Gesetz sagt nur, dass die Statuten einen Regelungsmechanismus vorsehen müssen, macht aber sonst keine Vorgaben. Die nähere Ausgestaltung der Schlichtungsinstanz überlässt das Gesetz dem Verein selbst. In den meisten Vereinsstatuten ist das vereinsinterne Schiedsverfahren unterdeterminiert, was sich oft schmerzlich bemerkbar macht. Eine Statutenbestimmung, die keinerlei Regelung über die Zusammensetzung der Schlichtungsstelle enthält, wäre ebenso wegen Unbestimmtheit unwirksam wie eine Klausel, die offenlässt, wer den Vorsitzenden der Schlichtungseinrichtung bestimmt.

Für die Einsetzung dieser Schlichtungseinrichtung (bzw des Schiedsgerichts) gibt es verschiedene Möglichkeiten: Am häufigsten ist die Benennung im Streitanlassfall durch die Auswahl der Parteien, die Statuten haben hier die Zahl der Schiedsrichter pro Streitpartei vorzugeben (mehr als zwei sollten es nicht sein, will man organisatorische Schwierigkeiten vermeiden). Selten, aber theoretisch möglich ist die Benennung der Schiedsrichter im Streitanlassfall durch dritte Personen (Organisationen), die am Streitfall nicht beteiligt sein dürfen. Die Mitgliederversammlung kann auch auf bestimmte oder unbestimmte Zeit konkrete Personen wählen, die dann ein ständiges Schiedsgericht bilden. Die Bestimmung der Schiedsrichter im Voraus kann auch funktionsbezogen erfolgen (zB der Präsident einer Kammer oder einer anderen Vereinigung); das kann dann sinnvoll sein, wenn die besondere Qualifikation dieser Person gefragt ist. (Aber Achtung: Bei Vereinsfremden kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass diese ihre Tätigkeit kostenlos verrichten – vorherige Klärung ist daher geboten, ebenso die Klärung der Frage, wer diese Kosten letztlich trägt.)

Das gedankenlose Abschreiben von Musterstatuten, die vorsehen, dass die Schiedsrichter Vereinsmitglieder zu sein haben, rächt sich dann, wenn der Verein so klein ist, dass keine Mitglieder zu finden sind, die nicht selbst unmittelbar vom Streit betroffen sind. Kluge Statuten werden, sollte diese Gefahr bestehen, daher vorsehen, dass dann, wenn unter den Vereinsmitgliedern keine Schiedsrichter zu finden sind, auch Externe namhaft gemacht werden können. Was, wenn die Statuten nicht so schlau sind? Gleich zu Gericht gehen? Das würde der Absicht des Gesetzgebers diametral entgegenlaufen. Der Verein wollte ja eine Schlichtungsinstanz iSd § 8 Abs 1 und hat deren Normierung nur ungeschickt formuliert. Um daher sowohl der (hypothetischen) Absicht der Parteien und des Gesetzgebers zu entsprechen, hat eine Umdeutung Platz zu greifen: Die Bestimmungen über das vereinsinterne Schiedsgericht sind anzuwenden, mit der Maßgabe, dass eben nicht Vereinsmitglieder, sondern auch Vereinsfremde als Schiedspersonen zu bestellen sind. Bzw, wenn es nur an den ordentlichen Mitgliedern hapert, der Verein aber ausreichend viele außerordentliche Mitglieder hat, aus denen sich ein Schiedsgericht bilden lässt, sind außerordentliche Mitglieder als Schiedspersonen zu bestellen. Sagen die Statuten gesetzwidrigerweise überhaupt nichts zur Regelung von Vereinsstreitigkeiten, so muss der Weg zu den staatlichen Gerichten offen sein.

Statuten können als Mittel der Streitbeilegung auch nur eine Mediation vorsehen, die zweifellos an die Stelle eines Verfahrens vor einer internen Schlichtungseinrichtung oder einem internen Schiedsgericht treten kann. Sie darf nur nicht so angelegt werden, dass sie faktisch den Zugang zum Recht verwehrt, etwa durch von den Streitteilen zu tragende Kosten, die in Relation zur Bedeutung des Vereins und der Mitgliedschaft unangemessen hoch sind.
 
Wie läuft das Schlichtungsverfahren ab?

Eine allgemeine Regel gibt es nicht – diese konkrete Regel sollen ja eben die Statuten vorgegeben. So sinnvoll es auch wäre, wenn die Statuten wenigstens ansatzweise das Verfahren des Schiedsgerichts regeln – zwingend ist dies nicht, und soweit die Statuten keine Vorgaben machen, können die Schiedsrichter das Verfahren selbst bestimmen. Da aber die meisten Statuten eine sehr ähnliche Regelung des Verfahrens aufweisen, sei hier der typische Verfahrensablauf skizziert. Ausgegangen wird von der Standardregelung, dass im Streitfall der eine Streitteil dem Vorstand ein Mitglied als Schiedsrichter namhaft zu machen hat, über Aufforderung durch den Vorstand der andere Streitteil ebenfalls ein Mitglied des Schiedsgerichts namhaft zu machen hat, und nach Verständigung durch den Vorstand die namhaft gemachten Schiedsrichter ein drittes ordentliches Mitglied zum Vorsitzenden des Schiedsgerichts wählen. Zu unterscheiden sind zwei Grundsituationen: Einmal ist der Verein selbst in den Streit verwickelt, das andere Mal streiten Mitglieder untereinander.
 
1. Der Verein ist Partei

Mitglied: Schriftliche Mitteilung an den Verein zu Handen des Vorstands, ein Schiedsgericht zu beantragen, samt Erklärung des Falls und Beantragung einer bestimmten Entscheidung, gegebenenfalls Namhaftmachung von Zeugen, Beilage von Unterlagen bzw Ankündigung deren Vorlage, Namhaftmachung eines Schiedsrichters (samt Kontaktdaten). Lehnt der Vorstand die Einleitung eines Schiedsverfahrens explizit ab, so ist für das Mitglied damit der Weg zu den ordentlichen Gerichten frei – der Verein kann ihm ja auf diese Weise nicht den Zugang zum Recht verweigern. Reagiert der Vorstand gar nicht, so kann es sinnvoll sein, die Aufforderung auf allen möglichen Wegen (Einschreibbrief) zu wiederholen, um gegebenenfalls vor Gericht nachweisen zu können, dass der Verein vergebens aufgefordert worden war, sich in ein Schiedsverfahren einzulassen. Natürlich kann auch vorgesehen sein, dass jede Seite mehr als einen Schiedsrichter namhaft macht.

Vorstand: Macht seinerseits einen Schiedsrichter namhaft, teilt dies einerseits dem streitlustigen Mitglied mit, andererseits dem Schiedsrichter des Mitglieds, und fordert beide Schiedsrichter auf, einen Vorsitzenden zu wählen.

Schiedsrichter: Die beiden Schiedsrichter kontaktieren einander und einigen sich auf einen Vorsitzenden. Schaffen Sie das nicht, so ist in den Statuten nachzuschauen, was für einen solchen Fall vorgesehen ist. Soll das Los entscheiden, dann losen sie. „Sabotiert“ ein Schiedsrichter das Verfahren durch Untätigkeit, ständiges Verschieben von Terminen etc, so tut die andere Seite gut daran, die Beweise dafür entsprechend zu sichern. Es wird sinnvoll sein, die Partei dieses Schiedsrichters (hier: den Verein) aufzufordern, ihren Schiedsrichter zur Räson zu bringen oder einen anderen zu bestellen – allzu schnell sollte man nicht von einem Nicht-Zustandekommen des Schiedsgerichts ausgehen, um dann nicht zu riskieren, vom ordentlichen Gericht wieder nach Hause geschickt zu werden.

Schiedsgericht: Ist ein Vorsitzender gefunden, treten die Schiedsrichter zusammen und beratschlagen eine Vorgangsweise. Entweder regeln die Statuten, ob das Verfahren mündlich oder schriftlich abzulaufen hat, oder sie regeln dies nicht – dann ist es Sache der Schiedsrichter, zu entscheiden, ob zur Klärung der Angelegenheit ein mündliches Verfahren erforderlich ist oder ob bloß beide Seiten aufgefordert werden, ihren Standpunkt schriftlich so zu erklären, dass er Grundlage einer Entscheidung sein kann.

Entscheidungsfindung: Über Verfahrensfragen entscheiden die Schiedsrichter grundsätzlich mehrheitlich. Sie informieren die Parteien von ihren Verfahrensentscheidungen (ob mündliches oder schriftliches Verfahren) und fordern die Parteien zu entsprechender Mitwirkung am Verfahren auf.

Entscheidung: Egal, ob sich das Gremium nun Schiedsgericht oder Schlichtungseinrichtung nennt – in jedem Fall ist es sinnvoll, auf eine Einigung der Streitteile hinzuwirken. Kommt eine solche zustande, so wird sie protokolliert, die Parteien erhalten je eine Kopie. Kommt keine zustande, so trifft das Schiedsgericht eine Entscheidung, diese kann, hat eine Verhandlung stattgefunden, schon mündlich verkündet werden; in jedem Fall ist sie zwecks Nachvollziehbarkeit schriftlich auszufertigen. Jeder Streitteil erhält ein Exemplar.
 
2. Mitglieder streiten

Mitglied 1: Schriftliche Mitteilung an den Verein zu Handen des Vorstands, ein Schiedsgericht zu beantragen, samt Erklärung des Falls und Beantragung einer bestimmten Entscheidung, gegebenenfalls Namhaftmachung von Zeugen, Beilage von Unterlagen bzw. Ankündigung deren Vorlage, Namhaftmachung eines Schiedsrichters (samt Kontaktdaten).

Vorstand: Teilt dies dem anderen Mitglied mit und fordert dieses auf, seinerseits einen Schiedsrichter zu wählen und dem Vorstand bekanntzugeben. Da ein geordneter Ablauf des Verfahrens im Interesse des Vereins liegt, tut der Vorstand gut daran, hier eine koordinierende Funktion einzunehmen. Er wird sich also nicht nur informieren lassen, welche Schiedsrichter bestellt wurden, er wird diese auch auffordern, sich auf einen Vorsitzenden zu einigen, und wird auch darauf schauen, dass dies passiert, wozu er in gewissem Rahmen auch verpflichtet ist. 

Mitglied 2: Schriftliche Mitteilung des bestellten Schiedsrichters (samt Kontaktdaten) an den Vorstand. Ob das Mitglied schon jetzt seine Sicht des Falls, Zeugen und Unterlagen bekannt gibt und eine bestimmte Entscheidung beantragt, oder dies erst über Aufforderung des Schiedsgerichts tut, ist situativ zu entscheiden.

Schiedsrichter: Ab jetzt geht es weiter wie oben.