NPO-Institut (Verein)

npoInterview mit Werner Kerschbaum

In den Newslettern von npoAustria habe ich in den vergangenen Jahren unter der Rubrik  'Alt, aber gut' Klassiker aus der Managementliteratur vorgestellt.

Nun geht es aber um aktuellere Themen, denn für die vielen Leser:innen des Newsletters von npoAustria ist es natürlich auch interessant, direkte Einblicke in die Arbeits- und Gedankenwelt von Spitzenvertreter:innen des gemeinnützigen Sektors zu bekommen.

Ruth Williams Bild

© Sima Prodinger

Diesmal gibt uns Frau Ruth Williams, MSc, Geschäftsführerin des Fundraising Verband Austria, die Ehre.

Ihr beruflicher Weg führte die in Wien lebende Ruth Williams von der Presseabteilung der Österreichniederlassung des Walt Disney Konzerns zur Kommunikationsabteilung der Caritas. Anschließend leitete sie die Abteilung Corporate Social Responsibility & Unternehmenskooperationen bei der Caritas Österreich und war maßgeblich in den Aufbau der Caritas Stiftung involviert. Von 2018 bis Oktober 2023 war Williams Generalsekretärin des 2014 gegründeten Verbandes für gemeinnütziges Stiften. In dieser Funktion war sie treibende Kraft hinter den Weiterentwicklungen im österreichischen Philanthropie-Sektor in den vergangenen Jahren.
 
 

1. Fragen zum gemeinnützigen Sektor

 
Was war für Sie die wichtigste/wirkungsstärkste Entwicklung der letzten Jahre im gemeinnützigen Sektor?

Die Entwicklung mit den größten und nachhaltigsten Auswirkungen auf Österreichs gemeinnützigen Sektor war sicherlich das 2024 in Kraft getretene Gemeinnützigkeitsreformgesetz mit seinen weitreichenden legislativen Verbesserungen. Neben anreizstiftenden Rahmenbedingungen für Spender*innen, Freiwillige und Stifter*innen ist die Spendenabsetzbarkeit für alle gemeinnützigen Organisationen, unabhängig von Wirkungsbereich, das große Herzstück der Reform. Expert*innen sind sich einig, dass dadurch nicht nur die Zahl der spendenbegünstigten Organisationen von derzeit rund 1.500 - ohne Freiwillige Feuerwehren - deutlich wachsen sind, sondern auch die entsprechenden Spendeneinnahmen für gemeinnützige Projekte. Ein Meilenstein für den Dritten Sektor und der umfassendste Reformschritt seit über 30 Jahren in Österreich!
 
Welche Risiken/Chancen sehen Sie für den NPO-Sektor in der Zukunft?

Ein Risiko wurzelt aus meiner Sicht in der anhaltenden Teuerungsdiskussion. Viele Menschen in Österreich waren von der Rekordinflation der vergangenen zwei Jahre massiv betroffen und sind es zum Teil noch. Die Auswirkungen in puncto Spendenbereitschaft sind noch nicht ganzheitlich erfassbar, es ist jedoch - zumindest in bestimmten Spendenbereichen - von Rückgängen auszugehen.

Zeitgleich haben sich auch die Kosten für die gemeinnützigen Organisationen selbst erhöht. Mittelfristig als eine Chance sehe ich hier die Pensionierungswelle der Babyboomer-Generation in den kommenden Jahren. Damit erreichen so viele Menschen wie noch nie das Alter der Hauptgruppe klassischer Geldspender*innen. Dieses riesige Potential gilt es für NPOs abzuholen, sowohl im Bereich Geld- und Sachspenden, als auch im Bereich des Ehrenamts und der Freiwilligenarbeit. Langfristig sehe ich in der Stärkung und dem Ausbau der Kultur der Philanthropie in Österreich eine Chance. Wir sind ein Land der Kleinspender*innen und sollten uns zu einem Land der Klein- UND Großspender*innen hin entwickeln.
 

2. Fragen zur eigenen Organisation

 
Was ist Ihrer Organisation in der jüngeren Vergangenheit besonders gut gelungen?

  • Der Einsatz für bessere gesetzliche Rahmenbedingungen für Gemeinnützigkeit in Zusammenarbeit mit der Politik, der Wissenschaft und anderen gemeinnützigen Akteur*innen.

  • Die erfolgreiche Konzeption und Umsetzung des weltweit ersten Face-to-Face-Fundraising Kongresses mit über 300 Teilnehmenden aus allen Kontinenten im Jahr 2023. Die Fortsetzung folgt 2025! 

  • Der fließende und nahtlose Generationswechsel in der Leitung des Verbandes.

 
Welche drei Themen/Schwerpunkte werden in nächster Zukunft in Ihrer Organisation eine besonders hohe Priorität genießen?

  • das Thema Kooperation: ein ausschlaggebender Erfolgsfaktor für die Initiativen des Fundraising Verband Austria ist, dass sie von und gemeinsam mit unseren Mitgliedern konzipiert und getragen werden. So können wir Partizipation ermöglichen, unterschiedliche Perspektiven vereinen und gemeinsam geeint vorangehen. Angesichts der multiplen Krisen vor denen wir heute stehen und in Zukunft stehen werden, ist Zusammenhalt und Zusammenarbeit wichtiger denn je und muss erhalten und gestärkt werden. 

  • das Thema NPOs als Arbeitgeber*innen: Auch im gemeinnützigen Sektor wird es immer schwieriger, gut ausgebildetes und motiviertes Personal zu finden und langfristig im Job zu halten. Hierfür versuchen wir wirkungsvolle Strategien zu ergreifen und attraktive Maßnahmen zu setzen. Auch im Hinblick auf das Thema mentale Gesundheit. 

  • das Thema Philanthropie: Großspenden haben in Österreich im internationalen Vergleich noch großes Potential. Dieses Potential möchten wir im Rahmen einer eigenen Initiative, zu der zahlreiche renommierte NPOs des Landes zählen, ausschöpfen und mehr Vermögende für gemeinnütziges Engagement gewinnen.

 
Wie würden Sie die Schlüsselkompetenzen/Alleinstellungsmerkmale Ihrer Organisation definieren?

Als zentraler Dachverband für Österreichs Spendenorganisationen stärkt der Fundraising Verband Austria die Zivilgesellschaft, professionalisiert den gemeinnützigen Sektor und schafft damit eine Kultur des Gebens – seit mittlerweile fast 30 Jahren!
 
Was sind die zentralen Werte in Ihrer Organisation?

Das Team des Fundraising Verband Austria steht für gelebte Solidarität, Partizipation und Toleranz. Wir arbeiten professionell und sehr serviceorientiert, basierend auf einer ethischen Grundhaltung. Genau das schätzen unsere Mitglieder und Partner*innen in der Zusammenarbeit.
 
Wenn jemand Fremder zum ersten Mal in Ihre Organisation kommt, was würde ihm besonders auffallen?

Welch große und weitreichende Projekte und Programme ein durchaus kompaktes Team professionell, mit Freude und mit Herzlichkeit Tag für Tag auf den Weg bringt!

3. Fragen zur Person/Steckbrief

 
Von wem haben Sie am meisten gelernt?

Von meinem Vater. Sei es durch stille Beobachtung, die Vermittlung seiner Werte, die Bewunderung für seine Überzeugungen und seine Tatkraft. Ich merke tagtäglich mehr, wie viel ich von ihm übernommen habe.

Welches Buch oder welchen Film empfehlen Sie den Leser:innen des npoAustria Newsletter?

Beim Communication Summit des FVA 2024 bin ich bei der Keynote an ihren Lippen gehangen: Bettina Ludwig und ihre Sicht auf die Welt, ihre Erkenntnisse aus der Anthropologie und ihr Menschenbild haben mich zutiefst bewegt. Sie hat ein Buch mit dem Titel „Unserer Zukunft auf der Spur“ veröffentlicht, in dem es darum geht: Wer wir waren. Wer wir sind. Wer wir sein können.
 
Was regt Sie besonders auf?

Intoleranz, Exklusion, Egoismus und Unaufrichtigkeit.
 
Womit können andere Menschen Ihnen eine Freude bereiten?

Mit ihrer ungeteilten Aufmerksamkeit und einem gemeinsamen Erlebnis, dass in Erinnerung bleibt.
 
Wenn Sie nur noch kurze Zeit zum Leben hätten, was möchten Sie jedenfalls noch erledigen?

Mit all den Menschen, die ich liebe ein großes Fest und das Leben feiern. 
 

Welchen Rat würden Sie jungen Menschen geben, die ihr Berufsleben gerade starten?

Lerne von den Menschen, die bereits länger im Berufsleben sind und bring dann deine eigenen Ideen ein. Trau dich zu sagen, was du denkst. Nimm dir nicht zu viel zu Herzen.

Was ist Ihr persönliches Lebensmotto bzw. Ihr Leitspruch?

If it is not good, it is not the end.


  

4. Allgemeines

 
Was ich jedenfalls noch sagen wollte...

Sehen wir uns am Fundraising Kongress 2024? Unter dem Motto “Stronger together – Heute gemeinsam für morgen” laden wir vom 14.-16.10.2024 alle Interessierten herzlich zu unserem diesjährigen Kongress ein. In einer Zeit, in der Zusammenarbeit und Innovation entscheidend sind, möchten wir Non-Profit-Organisationen, Fachleute und Interessierte zusammenbringen, um gemeinsam die Zukunft zu gestalten. Alle Informationen finden sind unter folgendem Link zugänglich.

 
 

Ich bedanke mich sehr herzlich bei Frau Williams, dass sie sich die Zeit genommen hat, unsere Fragen zu beantworten.

Werner Kerschbaum