Mit Data Science den Emotionen in sozialen Medien auf der Spur
Emotionen haben Auswirkungen auf unser Kommunikationsverhalten – dies belegen zahlreiche Studien aus Psychologie und Soziologie. Während frühere Studien anhand kleiner Untersuchungsgruppen durchgeführt wurden, ermöglichen Online Social Networks heute Studien mittels riesiger Datensätze. Die WU-ForscherInnen Ema Kušen und Mark Strembeck vom Institut für Wirtschaftsinformatik und Neue Medien untersuchten auf diese Weise, welche Auswirkungen Emotionen auf die Online-Kommunikation zwischen Menschen, aber auch auf jene von Social Bots haben.
In einem aktuellen Data Science Forschungsprojekt aus dem Kontext der rechnergestützten Sozialwissenschaft untersuchen Ema Kušen und Mark Strembeck vom Institut für Wirtschaftsinformatik und Neue Medien, welche Emotionen verschiedene Arten von Ereignissen auslösen und wie sich diese Emotionen auf die Kommunikation in sozialen Medien auswirken. Dabei wird auch untersucht, wie sich die Kommunikation menschlicher NutzerInnen von sogenannten „Social Bots", d.h. automatisierten Software-Programmen, die in sozialen Netzwerken menschliche Verhaltensmuster simulieren und teilweise als „Fake-Account“ auftauchen, unterscheidet. „Die zusätzliche Betrachtung von Social Bots ist interessant, da bereits mehrere wissenschaftliche Studien den Einfluss solcher Software-Programme auf öffentliche Diskussionen und politische Prozesse nachgewiesen haben wie z.B. die amerikanische Präsidentenwahl 2016 oder das sogenannte „Brexit" Referendum in Großbritannien“, so Kušen. Unter anderem warfen die StudienautorInnen in mehreren Detailstudien ihren Blick auf konkrete Ereignisse, wie den österreichischen Präsidentschaftswahlkampf 2016 sowie die Ausschreitungen im Rahmen des G20-Gipfels 2017 in Hamburg.
Positive Nachrichten trotz negativer Ereignisse
Die aktuellen Untersuchungsergebnisse verdeutlichen, dass emotionale Nachrichten signifikant häufiger weiterverbreitet werden als neutrale Nachrichten. „Dies wurde zum Beispiel auch bei der Detailauswertung zu den Ausschreitungen beim G20 Gipfel 2017 deutlich“, so Strembeck. Im Zuge der Analysen wurde zudem erstmals im großen Maßstab die Existenz der sogenannten „Undoing Hypothesis" in sozialen Medien nachgewiesen. „Dies bedeutet, dass auch in Bezug auf negative Ereignisse eine erstaunlich große Anzahl an positiven Nachrichten versendet wird. Die ‚Undoing Hypothesis‘ stammt aus dem Bereich der psychologischen Forschung und besagt, dass bei negativen Ereignissen (wie z.B. Terroranschlägen, Kriegshandlungen oder Naturkatastrophen) dennoch in signifikantem Ausmaß positive Emotionen auftreten. Der Grund hierfür ist der Versuch positive Emotionen gewissermaßen als „Gegenmittel" gegen negative Emotionen einzusetzen“, so der Studienautor.
Social Bots nutzen Emotionen um Diskussion zu beeinflussen
In Bezug auf „Social Bots" wurde deutlich, dass diese insbesondere bei polarisierenden Ereignissen (wie z.B. Wahlen) versuchen die Diskussion mit Hilfe emotionaler Botschaften zu beeinflussen. In einer Studie, die Social Media Nachrichten zu 24 systematisch ausgewählten Realwelt-Ereignissen umfasst, zeigte sich, dass Social Bots bei kontrovers diskutierten Ereignissen (wie z.B. Wahlen) insbesondere emotional polarisierende Nachrichten verschicken und damit versuchen die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Hierbei konnte auch gezeigt werden, dass Social Bots zu diesem Zweck auch polarisierende (z.B. auf eine Wahl bezogene) Nachrichten in thematisch fremde Diskussionen einstreuen (z.B. in Social Media Diskussionen zum Erntedankfest/Thanksgiving). Zudem machten die Ergebnisse deutlich, dass menschliche User generell eher der Grundstimmung einer Diskussion folgen, während Social Bots versuchen die Stimmung durch entgegengesetzte Emotionen, sogenannten „shifted emotions“ zu drehen. Genau dadurch versuchen Social Bots die Verbreitung dieser Nachrichten zu forcieren und Aufmerksamkeit in Form von "Likes" oder "Retweets" zu erregen.
Detailanalyse zur Österreichischen Präsidentschaftswahl 2016
In einer detaillierten Analyse der Twitter-Diskussion zur österreichischen Präsidentschaftswahl im Jahr 2016, wurde u.a. gezeigt, dass der Gewinner der Wahl Alexander Van der Bellen hauptsächlich neutrale Nachrichten verschickte, während sein Mitbewerber Norbert Hofer hauptsächlich emotionale Nachrichten sendete. Zudem zeigte sich, dass negative Nachrichten über beide Kandidaten über einen längeren Zeitraum verbreitet wurden als neutrale. Außerdem gab es eine deutliche Polarisierung bezüglich der Emotionen, die die AnhängerInnen der beiden Kandidaten über Twitter verbreiteten. Zudem trugen die BefürworterInnen des Kandidaten Van der Bellen erheblich zur (unabsichtlichen) Verbreitung von Falschinformationen über Van der Bellen bei.
Zu den Studien
Im Rahmen des Forschungsprojekts wurden mit Hilfe der öffentlichen Programmierschnittstellen, die von Facebook, Twitter und YouTube zur Verfügung gestellt werden, systematisch verschiedene Datensätze gesammelt. Die Sammlung der Daten umfasste Ereignisse, die vornehmlich als positiv wahrgenommen wurden (wie z.B. Feiertage oder Geburtstag eines Prominenten), als auch solche, die mehrheitlich als negativ wahrgenommen wurden (wie z.B. Terroranschläge oder Kriegshandlungen) und solche, die polarisierend wirken (wie z.B. Wahlen). Anschließend wurden die Daten in anonymisierter Form analysiert. Die Analysen umfassen sowohl strukturelle Netzwerkanalysen, als auch temporale Analysen der Auswirkungen von verschiedenen Emotionen: Abscheu, Furcht, Traurigkeit, Wut, sowie Erwartung, Freude, Vertrauen und Überraschung. Unter der Führung von WU-WissenschaftlerInnen wurden die Analysen in einem interdisziplinären Forschungsteam aus WirtschaftsinformatikerInnen, MathematikerInnen und PsychologInnen durchgeführt.
Zur Studie:
E. Kušen, M. Strembeck, M. Conti: Emotional Valence Shifts and User Behavior on Twitter, Facebook, and YouTube, In: Influence and Behavior Analysis in Social Networks and Social Media, Lecture Notes in Social Networks (LNSN), Springer, February 2019.
Eine Übersicht über alle derzeitigen Studien dieses Forschungsprojekts finden Sie hier.