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Lernmotivation: Auf die Dosis kommt es an

12. September 2016

Se­mi­na­re, Übun­gen, Vor­le­sun­gen, Work­shops - auf Stu­die­ren­de war­tet auch die­ses Se­mes­ter ein dich­tes Pro­gramm mit so man­cher Her­aus­for­de­rung. Eine „Begleit-​erscheinung“ vie­ler Lehr­ver­an­stal­tun­gen sind Haus­übun­gen, eine Be­schäf­ti­gung, die nicht immer für große Freu­de sorgt. Die WU-​Wissenschaftler Ger­hard Furtmül­ler und Chris­ti­an Gar­aus wid­men sich in ihren Stu­di­en zur Mo­ti­va­ti­ons­for­schung der Frage, durch wel­che Art der Be­loh­nung Stu­die­ren­de bes­se­re Lern­er­fol­ge er­zie­len. Die Ant­wort über­rascht: Die höchs­te „Be­loh­nung“ durch Zu­satz­punk­te führt nicht glei­cher­ma­ßen zu den bes­ten Lern­er­fol­gen. Im Ge­gen­teil: Ge­ra­de bei sehr klei­nen Be­loh­nun­gen setz­ten sich die Stu­die­ren­den am in­ten­sivs­ten mit den Lern­in­hal­ten aus­ein­an­der.

Die An­reiz­sys­te­me für Haus­übun­gen, egal ob für Stu­die­ren­de oder Schü­le­rIn­nen sind viel­fäl­tig: Mal wer­den sie als drei­ßig Pro­zent der Se­mes­ter­no­te ge­wer­tet, mal als Zu­satz­punk­te, manch­mal auch nur als ne­ga­ti­ve Be­wer­tung bei Nicht-​Abgabe. Um fest­zu­stel­len, wel­ches An­reiz­sys­tem die bes­ten Lern­er­fol­ge er­zielt führ­te Chris­ti­an Gar­aus vom In­sti­tut für Stra­te­gie, Tech­no­lo­gie und Or­ga­ni­sa­ti­on und Ger­hard Furtmül­ler vom De­part­ment für Ma­nage­ment ge­mein­sam mit einem Kol­le­gen der JKU, Wolf­gang Güt­tel, ver­schie­dens­te Un­ter­su­chun­gen durch. Vorab wurde in einer Pi­lot­stu­die ge­tes­tet, wie Stu­die­ren­de ver­schie­de­ne Arten von Be­loh­nun­gen emp­fin­den. Dabei zeig­te sich un­teran­de­rem, dass 0,75 Punk­te zur Be­loh­nung bei einer Prü­fung, bei der 120 Punk­te zu er­rei­chen sind, als sehr wenig emp­fun­den wer­den. Bei einer so klei­nen Be­loh­nung geben die Stu­die­ren­den an, kei­nen Fin­ger zu rüh­ren, so das Re­sü­mee der Pi­lot­stu­die.

Praxistest: Was zu viel ist, ist zu viel

Die Haupt­stu­die wurde in der Pra­xis mit 652 Stu­die­ren­den durch­ge­führt, die im Win­ter­se­mes­ter an einer Lehr­ver­an­stal­tung teil­ge­nom­men hat­ten, in der acht frei­wil­li­ge Haus­übun­gen ohne Aus­sicht auf Be­loh­nung ge­macht wer­den soll­ten. Im Som­mer­se­mes­ter wur­den in einer Lehr­ver­an­stal­tung wie­der 683 Stu­die­ren­de wie­der mit acht Haus­übun­gen be­auf­tragt, wie­der nicht ver­pflich­tend. Dies­mal konn­ten je­doch bis zu 0,70 Bo­nus­punk­te pro Haus­übung er­reicht wer­den, we­ni­ger als der Mi­ni­mal­wert in der Pi­lot­stu­die. Das Er­geb­nis: In der zwei­ten Un­ter­su­chungs­grup­pe schrie­ben vier Mal mehr Stu­die­ren­de die frei­wil­li­ge Haus­übung und dies au­ßer­dem mit einer zehn Pro­zent bes­se­ren Qua­li­tät.

In einer wei­te­ren Stu­die mit einer noch grö­ße­ren Zahl an Stu­die­ren­den konn­ten die For­scher zudem die Er­geb­nis­se nicht nur re­pli­zie­ren, son­dern es zeig­ten sich auch erste in­ter­es­san­te Er­geb­nis­se im Ver­gleich mit gro­ßen An­rei­zen: Die An­zahl der ab­ge­ge­be­nen Haus­übun­gen konn­te durch die Ver­ga­be von klei­nen An­rei­zen ver­drei­facht und bei der Ver­ga­be von gro­ßen An­rei­zen sogar ver­vier­facht wer­den. Bei der Prü­fung schnit­ten al­ler­dings jene Stu­die­ren­den, die durch gro­ßen An­rei­ze mo­ti­viert wur­den, mit Ab­stand am schlech­tes­ten ab. So be­trägt der Leis­tungs­un­ter­schied zu den Stu­die­ren­den mit klei­nen An­rei­zen 11 Pro­zent. Dem­nach wird deut­lich, dass hohe Be­loh­nung zwar kurz­fris­tig zu einer hohen Zahl an Haus­übun­gen führ­ten, der Lern­er­folg ge­samt am Ende des Se­mes­ters al­ler­dings deut­lich nied­ri­ger war als bei dem Ver­such mit na­he­zu win­zi­gen Be­loh­nun­gen.

Interesse wecken

Der Grund für diese Er­geb­nis­se ist über­ra­schend wie ein­leuch­tend zu gleich. „Sind die An­rei­ze sehr klein, wird das Ver­hal­ten in­tern ge­recht­fer­tigt. Aber durch die­sen klei­nen Im­puls be­gin­nen die Stu­die­ren­den, sich erst flüch­tig mit etwas zu be­schäf­ti­gen. Dar­aus ent­wi­ckeln sie eine in­trinsi­sche Mo­ti­va­ti­on, die wie­der­um mehr In­ter­es­se weckt und so die Aus­ein­an­der­set­zung mit einer The­ma­tik ins Rol­len bringt“, er­klärt Furtmül­ler, „Schafft man es, durch einen win­zi­gen Im­puls, die Be­loh­nung, eine erste Ak­ti­vie­rungs­en­er­gie auf­zu­brin­gen, sind die Er­geb­nis­se nach­her er­folgs­ver­spre­chend. Er­le­di­gen Stu­die­ren­de ihre Haus­auf­ga­ben al­ler­dings nur, wenn es sich wirk­lich lohnt, ist die Aus­ein­an­der­set­zung mit einer The­men­stel­lung meist we­ni­ger in­ten­siv und des­we­gen auch der Lern­er­folg am Ende der Lehr­ver­an­stal­tung ge­rin­ger. “  

Pres­se­kon­takt:
Mag. Anna Maria Schwen­din­ger
Presse-​Referentin
Tel: + 43-​1-31336-5478
E-​Mail: anna.schwen­din­ger@wu.ac.at
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