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Globaler Handel treibt Rohstoffimporte in die Höhe

05. August 2016

Mehr als 11 Mil­li­ar­de Ton­nen an Roh­stof­fen und Pro­duk­ten wer­den jähr­lich ex­por­tiert bzw. im­por­tiert – mehr als drei­mal so viel wie noch in den 1970er-​Jahren. Dies zeigt ein ak­tu­el­ler Be­richt des UNO-​Umweltprogramms UNEP, der unter Mit­wir­kung der WU-​Forschungsgruppe „Nach­hal­ti­ge Res­sour­cen­nut­zung“ am WU In­sti­tu­te for Eco­lo­gi­cal Eco­no­mics ent­stand. Mit mehr als 50 Pro­zent stellt Erdöl das welt­weit wich­tigs­te Han­dels­gut dar. Aber auch der in­ter­na­tio­na­le Han­del mit Me­tal­len schlägt sich in der Bi­lanz mas­siv nie­der. Ins­be­son­de­re Län­der, die große me­tall­ver­ar­bei­ten­de In­dus­trien be­hei­ma­ten, grei­fen zu­neh­mend auf im­por­tier­te Roh­stof­fe zu­rück. Deut­lich wird im UNEP-​Bericht auch, dass Eu­ro­pa nach Nord­ame­ri­ka mit einem Roh­stoff­ver­brauch von 20 Ton­nen pro Kopf im Jahr 2010 zu den glo­ba­len Spit­zen­rei­tern zählt.

Der neue Be­richt des UNEP In­ter­na­tio­nal Re­sour­ce Panel ana­ly­sier­te zum ers­ten Mal die glo­ba­len Res­sour­cen­flüs­se in allen Län­dern welt­weit zwi­schen 1970 und 2010. Dabei wur­den die Ent­nah­me von Roh­stof­fen, der in­ter­na­tio­na­le Han­del mit Roh­stof­fen und Pro­duk­ten sowie der Kon­sum von Roh­stof­fen in ver­schie­de­nen Welt­re­gio­nen un­ter­sucht. Zu­sätz­lich wurde ana­ly­siert, ob sich der Res­sour­cen­ver­brauch von der wirt­schaft­li­chen Ent­wick­lung ent­kop­pelt hat. Ein Schwer­punkt des Be­richts wid­me­te sich dem Thema des in­ter­na­tio­na­len Han­dels von Roh­stof­fen und Pro­duk­ten. „Die zu­neh­men­de Glo­ba­li­sie­rung der Welt­wirt­schaft hat dazu ge­führt, dass immer grö­ße­re Men­gen an Roh­stof­fen und Pro­duk­ten auf glo­ba­len Märk­ten ge­han­delt wer­den. Wir haben im Rah­men des UNEP-​Berichtes eine glo­ba­le Da­ten­bank ent­wi­ckelt, die die welt­wei­ten Roh­stoff­flüs­se und auch ihre zeit­li­chen Ent­wick­lungs­pha­sen ab­bil­det. Dabei hat sich ge­zeigt, dass die phy­si­schen Ex­por­te bzw. Im­por­te seit 1970 über 60 Pro­zent an­ge­stie­gen sind – aus der Per­spek­ti­ve der Nach­hal­tig­keit eine durch­aus be­sorg­nis­er­re­gen­de Ent­wick­lung, wenn man die öko­lo­gi­schen und so­zia­len Fol­gen be­denkt, die mit dem Roh­stoff­ab­bau und –trans­port ein­her­ge­hen“, so Ste­fan Gil­jum, Lei­ter der For­schungs­grup­pe am WU-​Institute for Eco­lo­gi­cal Eco­no­mics.

Ab­bil­dung 1: Glo­ba­ler Han­del mit Roh­stof­fen und Pro­duk­ten nach Haupt­roh­stoff­kat­e­go­rien, 1970-​2010

Mehr als ein Drittel der globalen Rohstoffentnahme für Produktion von Exportgütern

Die Glo­ba­li­sie­rung hin­ter­lässt somit deut­li­che Spu­ren - denn: Der in­ter­na­tio­na­le Han­del greift weit tie­fer in die wirt­schaft­li­chen Ak­ti­vi­tä­ten der ein­zel­nen Län­der ein, als die Ana­ly­se der di­rek­ten phy­si­schen Han­dels­flüs­se zu zei­gen ver­mag. Um Ex­port­pro­duk­te wie Autos, Ma­schi­nen, elek­tro­ni­sche Ge­rä­te, aber auch land­wirt­schaft­li­che Güter wie Fut­ter­mit­tel oder Fleisch her­zu­stel­len, sind in den Her­stel­lungs­län­dern große in­di­rek­te Res­sour­cen­auf­wän­de not­wen­dig. Der UNEP Be­richt zeigt, dass unter Be­rück­sich­ti­gung die­ser ge­sam­ten Res­sour­cen­flüs­se mehr als 25 Mrd. Ton­nen an Roh­stof­fen mit der Ex­port­pro­duk­ti­on in Ver­bin­dung ste­hen. Das heißt, mehr als ein Drit­tel aller Roh­stof­fe, die im Jahr 2010 der Erde ent­nom­men wur­den, wur­den di­rekt oder in­di­rekt in der Pro­duk­ti­on von Ex­port­pro­duk­ten ein­ge­setzt. 

Rascher Aufstieg zu einem hohen Preis

China ist im Be­reich der Ex­port­wirt­schaft ein Pa­ra­de­bei­spiel: Das Land ent­wi­ckel­te sich in den letz­ten 15 Jah­ren in vie­len Pro­dukt­grup­pen zum welt­weit größ­ten Her­stel­ler. In den ak­tu­el­len Un­ter­su­chun­gen der WU-​Forschungsgruppe wird deut­lich, dass al­lei­ne im Jahr 2010 mehr als 2,5 Mrd. Ton­nen an Bau­ma­te­ria­li­en in­di­rekt in der chi­ne­si­schen Ex­port­wirt­schaft ein­ge­setzt wur­den. Der ra­sche wirt­schaft­li­che Auf­stieg Chi­nas und die damit ver­bun­de­ne er­folg­rei­che Re­duk­ti­on von Armut, die zum gro­ßen Teil durch den Aus­bau der Ex­port­wirt­schaft rea­li­siert wurde, hatte daher einen hohen öko­lo­gi­schen Preis: zu­neh­men­de Ver­sie­ge­lung durch die Aus­brei­tung von Städ­ten und In­fra­struk­tur oder eine hohe Luft­ver­schmut­zung, die durch res­sour­cen­in­ten­si­ve In­dus­trien ver­ur­sacht wird, sind deut­li­che Bei­spie­le dafür.

Europa im Spitzenfeld - Unabhängigkeit Fehlanzeige

Mit einem Ma­te­ri­al­fuß­ab­druck von etwa 20 Ton­nen pro Kopf im Jahr 2010 lag Eu­ro­pa im glo­ba­len Spit­zen­feld aller Welt­re­gio­nen. Nur Nord­ame­ri­ka mit ca. 27 Ton­nen pro Kopf hatte einen noch hö­he­ren Ver­brauch. Ein/e durch­schnitt­li­che/r Eu­ro­päe­rIn be­nö­tigt dem­nach bis zu zehn Mal so viele Res­sour­cen für die Auf­recht­erhal­tung sei­nes/ihres Le­bens­stils als Ein­woh­ne­rIn­nen von wenig ent­wi­ckel­ten Re­gio­nen. Zum Ver­gleich: in Afri­ka lag der Ma­te­ri­al­fuß­ab­druck pro Kopf im Jahr 2010 bei unter drei Ton­nen. Eu­ro­pa ist ge­mein­sam mit Nord­ame­ri­ka auch jene Re­gi­on, wel­che die höchs­te Im­port­ab­hän­gig­keit aus dem Aus­land auf­weist. Von den etwa 20 kon­su­mier­ten Ton­nen pro Jahr wer­den mehr als 7 Ton­nen aus an­de­ren Welt­re­gio­nen im­por­tiert.

Ab­bil­dung 2: Netto-​Importe an di­rek­ten und in­di­rek­ten Roh­stof­fen für den Kon­sum in Eu­ro­pa, pro Kopf, 1990-​2010

„Im Sinne der Nach­hal­tig­keit haben wir in Eu­ro­pa daher eine be­son­de­re glo­ba­le Ver­ant­wor­tung, da mit un­se­rem Kon­sum welt­wei­te Kon­se­quen­zen ein­her­ge­hen. Es ist daher wich­tig, beim Kauf mög­lichst auf die Her­kunft von Pro­duk­ten zu ach­ten und zu ver­su­chen, Pro­duk­te mit hohen so­zia­len und öko­lo­gi­schen Stan­dards sowie mit kur­zen Trans­port­we­gen zu er­wer­ben, um damit ver­bun­de­ne Kli­ma­aus­wir­kun­gen zu mi­ni­mie­ren. Neben der Tat­sa­che, dass wir da­durch wirt­schaft­li­che Ab­hän­gig­kei­ten ab­bau­en kön­nen, ist auch ein star­ker po­si­ti­ver öko­lo­gi­scher Ef­fekt zu er­war­ten“, so Ste­fan Gil­jum.

Zum UNEP Be­richt

Pres­se­kon­takt:
Mag. Anna Maria Schwen­din­ger
Presse-​Referentin
Tel: + 43-​1-31336-5478
E-​Mail: anna.schwen­din­ger@wu.ac.at
wu.ac.at

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