Hintere Außenansicht des D2 Gebäudes

Evaluation der Wiener Theaterreform 2003

Die vorliegende Studie wurde von der Stadt Wien, MA 7 Theaterreferat, in Auftrag gegeben und zeigt die mit der Theaterreform in Zusammenhang stehenden Entwicklungen der Wiener Tanz-, Theater- und Performanceszene auf.

Der Fokus lag auf dem Gesamtsystem, demzufolge wurden die Wirkungen der Theaterreform insgesamt analysiert und keine Vergleiche zwischen einzelnen AkteurInnenen des Systems gezogen.

Die Durchführung der Studie erfolgte in Zusammenarbeit mit der Abteilung für Nonprofit Management. Das Forschungsdesign beinhaltet einen quantitativen als auch qualitativen Zugang.

Zudem wurde die Studie durch ein Sounding Board, das sich aus VertreterInnen des Auftraggebers und der freien Tanz- und Theaterszene zusammensetzte, begleitet und unterstützt.

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Die wichtigsten Ergebnisse in Kürze:

  • DieFörderung der Häuser und Gruppen seitens der MA 7 stieg von 73 Mio. Euro im Jahr 2004 auf 101 Mio. Euro im Jahr 2010. Der Großteil des Zuwachses ging an Großbühnen, wobei hier Sondereffekte durch die Renovierung des Ronacher und die Eröffnung des Theaters an der Wien zu berücksichtigten sind. Der Umfang des Budgets im Projektfördertopf wurde in den letzten Jahren im Gegensatz zu den anderen Fördertöpfen nicht erhöht.

  • Die Gesamtförderung ohne Großbühnen stieg von 23 Mio. Euro im Jahr 2004 auf 28 Mio. Euro im Jahr 2010.

  • Der Anteil der MA 7 Förderung an den Gesamteinnahmen ohne Großbühnen ging im Beobachtungszeitraum auf 60% zurück. Gleichzeitig schafften es die Institutionen, 35% der Einnahmen abseits der öffentlichen Förderung zu lukrieren. Die restlichen 5% kamen von anderen öffentlichen FördergeberInnen.

  • Anzahl an Eigenproduktionen und Koproduktionen nahm von 2004 auf 2010 deutlich zu, wobei die Dynamik von den Häusern getragen wurde.

  • Durch die Steigerung der Anzahl der Produktionen bei ungefähr gleicher Kapazität ging die Anzahl an Aufführungen pro Produktion deutlich zurück. Im Jahr 2010 wurde eine Eigenproduktion durchschnittlich 11 Mal und eine Koproduktion 4 Mal aufgeführt.

  • Die GesamtbesucherInnenzahl ist zuletzt auf 2,3 Mio. im Jahr 2010 gestiegen. Durch die Steigerung der Anzahl der Produktionen sank die Anzahl der BesucherInnen pro Produktion über den Beobachtungszeitraum.

  • Die Internationalität der Wiener Tanz- und Theaterszene abseits der Großbühnen nahm nach 2007 deutlich zu. Im Jahr 2010 waren 52% aller Einladungen internationale Einladungen. Vor allem waren es Produktionen der Häuser, die von internationalen Theatern und VeranstalterInnen eingeladen wurden.

  • Die mediale Aufmerksamkeit der Tanz- und Theaterszene ist stark gestiegen. Insbesondere abseits der Großbühnen.

  • Das Fördersystem erweist sich eher als strukturkonservierend. Der größte Teil des Fördervolumens erging an Häuser und Gruppen, die wiederholt über alle drei Beobachtungszeitpunkte gefördert wurden.

  • Der Wechsel vom Beiratssystem auf ein Kuratorium brachte mehr Transparenz und eine nachvollziehbare Entscheidungsstruktur für ProjektfördernehmerInnen mit sich.

  • Die derzeitige „breite“ Vergabelogik in der Projektförderung fördert mehr Projekte jedoch mit einem geringeren Projektbudget.

  • Die Gesamtaufwendungen der geförderten Häuser und Gruppen abseits der Großbühnen stiegen im Beobachtungszeitraum an. Bei Häusern waren es vor allem Aufwendungen im Bereich Verwaltung und Technik.

  • Die Struktur- und Standortförderung trägt dazu bei, der kulturellen und sozialen Vielfalt in Wien gerecht zu werden. Die Vergabemodalitäten werden als zu wenig transparent empfunden, wiewohl Verständnis dafür besteht, dass es einen Fördertopf für kulturpolitische Schwerpunktsetzungen geben muss.

  • Die Einführung der Konzeptförderung wird als ein wichtiges Instrument im Hinblick auf Längerfristigkeit in der Planung und Qualitätssteigerung einzelner Projekte identifiziert. Über die längeren Planungshorizonte lassen sich zudem internationale Koproduktionen und internationaler Austausch besser verwirklichen.

  • Die thematische Schwerpunktsetzung über Spartenhäuser für Tanz, Theater oder Theater für junges Publikum geht mit den Bedürfnissen der Szene einher. Damit wird einerseits ein inhaltliches Andocken erleichtert und andererseits gezielt Publikum angesprochen.

  • Der nationale Austausch findet zu wenig statt.

  • Die Vielfalt der freien Szene in Wien ist aus Sicht der Befragten seit der Reform viel sichtbarer geworden.

Themenfelder:

Aus den Ergebnissen der Studie lassen sich folgende sechs zentrale Themenfelder ableiten, die als Diskussionspunkte zu verstehen sind und sich aus den wesentlichen Ergebnissen und Schlussfolgerungen der quantitativen sowie qualitativen Erhebung ergeben haben. Sie spiegeln Themen wieder, die seitens mehrerer Anspruchsgruppen angesprochen wurden und teilweise durch quantitative Ergebnisse gestützt werden.

1. Förderlogik

Ein wesentliches Themenfeld umfasst die Förderpolitik und den Wunsch nach einer kulturpolitischen Richtungsweisung hinsichtlich „breiter“ vs. „schmaler“ Förderlogik. Eine damit einhergehende konsistente Förderlogik sollte auf eine klare Zuordnung von Förderfällen zu passenden inhaltlichen Fördertöpfen achten. Hierbei sollten Strukturen und inhaltliche Ausrichtungen der Institutionen berücksichtigt werden und eine entsprechende Dotierung der Fördertöpfe erfolgen. Eine allfällige Umstrukturierung könnte auch die Möglichkeit eröffnen, innovative und auch kurzfristige Projekte oder Aktionen der darstellenden Kunst, gezielte Nachwuchsförderung sowie die Erschließung unterversorgter Stadtgebiete zu fördern. Die Studie kommt jedoch auch zu dem Ergebnis, dass in Summe ausreichend Spielstätten und Proberäume vorhanden sind.

2. Fördervergabe

Die konkrete Fördervergabestellt ein weiteres relevantes Themenfeld dar. Es besteht der Wunsch, bei der Bestellung des KuratorInnenteams wie auch der Jury Vorschläge relevanter Anspruchsgruppen einzuholen, und den Prozess stärker zu kommunizieren. Gender - und Migrant - Mainstreaming könnte explizit berücksichtigt werden. Die Doppelfunktion der KuratorInnen – inhaltlich zu beraten und Förderungen zu empfehlen – wird problematisch gesehen. Es wird eine stärkere Berücksichtigung von Nachwuchsförderung und bessere Einbindung von bisher zur darstellenden Kunst wenig affinen Gruppen angeregt.

Bei der Bemessung der Förderhöhe könnte die Möglichkeit der einzelnen FördernehmerInnen, zusätzliche Mittel zu lukrieren, stärker berücksichtigt werden. Häuser haben im Gegensatz zu Gruppen aufgrund struktureller und personeller Möglichkeiten eher die Chance, finanzielle Mittel abseits der Förderung der MA 7 zu akquirieren. Es besteht zudem ein breiter Wunsch nach einer kontinuierlichen künstlerischen und inhaltlichen Begleitung der konzeptmittelgeförderten Häuser und Gruppen über den gesamten Förderzeitraum.

3. Ausschreibung von Intendanzen

Die Ausschreibung von Intendanzen wird prinzipiell als äußerst sinnvoll erachtet. Die Umsetzung der Theaterreform in Bezug auf eine personelle Erneuerung der Wiener Theaterlandschaft wird jedoch als noch unvollständig angesehen. Die künstlerische

Weiterentwicklung und Ausdifferenzierung der darstellenden Kunst könnte durch Ausschreibungen besser gewährleistet werden. Die dadurch entstehende stärkere Profilierung der einzelnen Häuser kann zudem einerseits der Erschließung neuer Publikumsschichten oder andererseits einer besseren Anbindung an die Szene dienen.

4. Nationaler Austausch

Der nationale Austausch zwischen Häusern und Gruppen sollte mehr in den kulturpolitischen Fokus gerückt und dadurch verstärkt werden. Die damit einhergehenden häufigeren Aufführungen können zur Qualitätsverbesserung beitragen und wirtschaftlichen Engpässen der Institutionen entgegenwirken. Eine Vernetzung der Veranstalter auf nationaler Ebene und eine Einbindung der Bundesländer sowie des BMUKK wären hier anzudenken.

5. Soziale Lage der KünstlerInnen

Die sozialrechtliche Absicherung von KünstlerInnen wurde im Rahmen der Studie ebenfalls als relevantes Themenfeld identifiziert. Eine weitere Bearbeitung der hier auftretenden Problemfelder ist notwendig.

6. Überprüfung und Steuerung

Diese Studie und die hier erhobenen Daten können zudem als Ausgangsbasis für eine künftige Überprüfung und Steuerung der kulturpolitisch gesetzten Ziele gesehen werden. Im Rahmen einer Arbeitsgruppe aus VertreterInnen der Tanz- und Theaterszene, der MA 7 sowie weiteren davon betroffenen Institutionen können die gewünschten Daten eruiert werden. Auf Basis der erzielten Ergebnisse könnte auch die bereits eingerichtete Datenbank adaptiert werden. In diesem Zusammenhang könnte auch eine Publikumsbefragung zum Zweck der Erfassung der Soziodemographie sowie des Nutzungsverhaltens der BesucherInnen aller Spielstätten angedacht werden, da die vorliegende Evaluation nur sehr eingeschränkt Aussagen zum Publikum machen kann.


Bei näheren Informationen stehen Ihnen die AutorInnen der Studie zur Verfügung: 

Projektleitung (allgemeine Informationen)
Dr. Christian Schober, NPO-Kompetenzzentrum
Tel: + 43 1 313 36/5888
Mobile: +43 699 19250584
E-Mail: christian.schober@wu.ac.at

Projektverantwortung (quantitativer Teil)
Mag. Selma Sprajcer, NPO-Kompetenzzentrum
Tel.: + 43 1 313 36/5112
E-Mail:

selma.sprajcer@wu.ac.at

Projektverantwortung (qualitativer Teil)
Mag. Andrea Schmidt, Abteilung für Nonprofit Management
Tel.: + 43 1 313 36/5893
E-Mail: andrea.schmidt@wu.ac.at