SROI-Analyse: "Three Coins"
Das NPO-Kompetenzzentrum der Wirtschaftsuniversität Wien wurde von Coca-Cola Österreich mit der Evaluierung des Projekts „Cure Runners“ der Three Coins GmbH beauftragt. Das Projekt wurde im Rahmen der Initiative “Ideen gegen Armut” zum Preisträger 2011 gewählt. Der „Ideen gegen Armut“ Innovationspreis wurde von Coca-Cola Österreich im Jahr 2007 gemeinsam mit "Der Standard" und dem NPO-Kompetenzzentrum der WU Wien ins Leben gerufen. Damit sollen Projekte zum Thema Armutsbekämpfung und Armutsprävention in Österreich mit einer „Anschubfinanzierung“ in ihrer Umsetzung unterstützt werden.
Die Evaluation erfolgt mittels einer Social Return on Investment (SROI)-Analyse, deren Ziel es ist, den durch das Projekt geschaffenen gesellschaftlichen Mehrwert möglichst umfassend zu bewerten. Die Methode will neben den finanziellen Wirkungen des Projekts explizit auch die sozialen messen. Die vorliegende Analyse basiert auf dem Modell der new economic foundation (nef). Dies bedeutet, dass zu Beginn die wichtigsten Stakeholder und deren Ziele identifiziert werden müssen. Danach wird der investierte Input dem erzielten Output sowie dem Outcome je Stakeholder in einer Impact Value Chain gegenübergestellt. Im Anschluss gilt es, den Outcome in geeignete Indikatoren zu übersetzen und diese mit Daten zu belegen, um den SROI-Wert berechnen zu können.
Die Organisation „Three Coins“ beschreibt sich selbst in ihrem Tätigkeitsbericht 2012 wie folgt: „Three Coins ist ein Start-Up von jungen Menschen für junge Menschen. Wir arbeiten an einem neuartigen Lernmodell für Finanzkompetenz (Financial Literacy). Auf dessen Basis entwickeln wir seit Juni 2012 ein Online Game, das Jugendliche in ihrer Freizeit anspricht und - ohne den edukativen Zeigefinger zu erheben - Finanzwissen trainiert.“ (Jahresrückblick 2012).
Die vorliegende Analyse bezieht sich auf das Jahr 2013. Dies ist insofern problematisch, als mit Ende des Analysezeitraums die Entwicklung des Spieles noch nicht abgeschlossen war. Die Einführung des Spieles erfolgte erst im April 2014. D.h. bis Ende des Jahres 2013 hat die Hauptzielgruppe der Jugendliche das Spiel nur im Rahmen von Tests angewendet. Zudem können viele der antizipierten Wirkungen bei Jugendlichen erst in Zukunft gemessen werden, weil sich erst dann herausstellt, ob durch das Spiel und die ergänzenden Maßnahmen die Überschuldungsproblematik bei Jugendlichen reduziert werden konnte.
Es wurde demnach entschieden, zunächst einen SROI-Wert zu ermitteln, der die Wirkungen für Jugendliche noch nicht berücksichtigt. Daran anschließend wurden beispielhaft zwei Zukunftsszenarien erstellt. Im ersten Szenario wird dargestellt, welche Wirkungen zum Tragen kommen, wenn durch das Spiel ein Schuldenregulierungsverfahren eines/einer Jugendlichen verhindert werden kann. Ein Schuldenregulierungsverfahren dauert durchschnittlich sieben Jahre, in dieser Zeit werden SchuldnerInnen beim Abschöpfungsverfahren bis auf das Existenzminimum gepfändet und haben demnach ein geringeres Einkommen. Im zweiten Szenario wird davon ausgegangen, dass die Überschuldung für die Dauer von fünf Jahren auch einen Verlust des Arbeitsplatzes eines/einer Jugendlichen zur Folge hat. Dies hätte zusätzlich zu den Einkommenseinbußen auch Konsequenzen für die öffentliche Hand, die geringere Einkommenssteuer erzielen würde sowie erhöhte Sozialausgaben (Arbeitslosengeld, Notstandshilfe, Mindestsicherung) tätigen müsste.
Diese Zukunftsszenarien orientieren sich durchaus an „typischen Konsequenzen von Überschuldung“ (More-Hollerweger/Pervan-Al Soqauer/Pervan), die jedoch hypothetisch sind, da es nach erfolgter Recherche keine nachgewiesenen, quantifizierbaren Wirkungen im Bereich der Präventionsarbeit in der offenen Jugendarbeit gibt und nicht mit Gewissheit gesagt werden kann, welche Wirkungen ein Präventionsprojekt entfalten wird (BMWFJ 2011).
Auch nach Heranziehen der Expertise von mehreren ExpertInnen im Bereich Präventionsarbeit und Game-Forschung, konnte im Rahmen dieser Analyse nicht festgestellt werden, ob das Spiel „Cure Runners“ einen Einfluss auf die Lebensrealität der Jugendlichen haben wird, da im Bereich der Game-Forschung sehr wenig Wissen über die tatsächliche Wirkung von Spielen vorhanden ist. Im Allgemeinen sind die Wirkungen, die sich bei Jugendlichen entfalten könnten, schwer zu messen.
Nachstehende Tabelle stellt eine Gesamtbetrachtung des Inputs bzw. der Investitionen und der sozialen Profite der Organisation „Three Coins“ für 2013 dar. In Tabelle 0‑1 sind nur jene Wirkungen enthalten, die tatsächlich im Jahr 2013 entstanden sind. Es ist wichtig zu beachten, dass in der Gesamtbetrachtung 2013 nicht nur jene Förderungen und Zuschüsse zur Entwicklung aus dem Jahr 2013 berücksichtigt wurden, sondern die gesamten Software-Entwicklungskosten. Diese wurden anteilig über den Zeitraum von vier Jahren angerechnet. Die vier Jahre ergeben sich aus einer zweijährigen Entwicklungsphase und einer zweijährigen Nutzungsdauer, welche für Mobile-Games üblich ist (Interview 6). Potenzielle Langzeitwirkungen für die Jugendlichen, die durch das Projekt entstehen könnten, wurden in zwei Zukunftsszenarien erfasst, welche in Tabelle 0‑2 und Tabelle 0‑3 dargestellt sind.
Tabelle 1: Investitionen und soziale Profite von „Three Coins“ – Gesamtbetrachtung 2013 (IST-Zustand) ohne Stakeholder „Jugendliche“
Wird der generierte Gesamtimpact im Jahr 2013 von € 23.613 den anteiligen Investitionen in Höhe von € 25.681 gegenübergestellt, so ergibt sich ein Social Return on Investment-Wert von 0,92. Dies bedeutet, dass jeder investierte Euro Wirkungen im monetarisierten Gegenwert von 0,92 Euro schafft. Die sozialen Profite sind vor allem aufgrund des im Jahr 2013 hohen finanziellen Jahresverlustes von € 43.234 erheblich verringert worden. Im Jahr 2013 hat vor allem die Scientific Community durch einen Erkenntnisgewinn im Bereich „Financial Literacy“ profitiert, gefolgt von den Schuldenberatungen und den MitarbeiterInnen von „Three Coins“. D.h. trotz hoher Entwicklungskosten und noch ohne Berücksichtigung der Wirkungen für die Jugendlichen konnte ein SROI-Wert von nahezu 1 erreicht werden.
In nachfolgender Tabelle ist die Berechnung des ersten Zukunftsszenarios abgebildet. Da eine Quantifizierung der Verteilung der Jugendlichen mit dem jetzigen Stand der Forschung nicht möglich war, wurde die Berechnung exemplarisch für eine/n Jugendliche/n durchgeführt. Somit ist es möglich aufzuzeigen, welche monetären sozialen Profite für eine/n Jugendliche/n entstehen, wenn das Projekt vergleichbare Wirkungen entfaltet. Dieses Zukunftsszenario beinhaltet die sozialen Profite von „Three Coins“, falls durch das Präventionsprojekt verhindert wird, dass sich das Einkommen eines/einer Jugendlichen für die Dauer von sieben Jahren aufgrund eines Schuldenregulierungsverfahrens reduziert.
Tabelle 2: soziale Profite von „Three Coins“– Zukunftsszenario I
Der generierte Gesamtimpact für die Jugendlichen beträgt in diesem Szenario € 21.170 Dieser resultiert aus der Verhinderung eines Schuldenregulierungsverfahrens und den damit verbundenen Einkommenseinbußen für die Dauer von sieben Jahren. Des Weiteren wird verhindert, dass sich der Gesundheitszustand und das allgemeine Wohlbefinden verschlechtern, was oft eine Folge von Überschuldung ist (More-Hollerweger/Pervan-Al Soqauer/Pervan). Zusätzlich werden die Jugendlichen vor sozialer Exklusion geschützt, welche ebenfalls häufig mit einer Überschuldungssituation in Zusammenhang steht.
Wird der generierte Gesamtimpact von einem Jugendlichen von € 21.170 ebenso wie die Investitionen anteilig auf vier Jahre errechnet, ergibt sich ein generierter Gesamtimpact von € 5.292,50 pro Jahr. Wird dieser den Investitionen in Höhe von € 25.381 gegenübergestellt, so ergibt sich ein zusätzlicher Social Return on Investment-Wert von 0,22. Dies bedeutet, dass jeder investierte Euro zusätzliche Wirkungen im monetarisierten Gegenwert von 0,22 Euro schafft. Zählt man den zusätzlichen SROI-Wert von 0,22 zu dem im Jahr 2013 errechneten Wert, ergibt sich ein Wert von 1,14. Dies bedeutet, dass sich die Jahr 2013 erfolgen Investitionen bereits ab dem /der ersten Jugendlichen rechnen, bei welchem/welcher ein Privatkonkurs und die damit zusammenhängende Einkommenspfändung verhindert wird.
In Tabelle 0‑3 sind die Investitionen und sozialen Profite des zweiten Zukunftsszenarios abgebildet. In diesem Fall, wurde ein Szenario mit gravierenderen Folgen berechnet, nämlich mit der Annahme, dass durch das Präventionsprojekt der Organisation „Three Coins“ verhindert wird, dass ein Jugendlicher für die Dauer von fünf Jahren verschuldet ist und dadurch von Arbeitslosigkeit betroffen ist. Kann durch die Maßnahmen von „Three Coins“ verhindert werden, dass ein Jugendliche/r von Arbeitslosigkeit betroffen ist, profitiert vor allem die öffentliche Hand, da der Verlust von Einkommenssteuern verhindert sowie Sozialleistungen wie Arbeitslosengeld, Notstandshilfe und Mindestsicherung eingespart werden.
Tabelle 3: soziale Profite von „Three Coins“ – Zukunftsszenario II
Der generierte Gesamtimpact beträgt im Zukunftsszenario II für die Stakeholder „Jugendliche“ und „Öffentliche Hand“ insgesamt € 110.049. Wird dieser anteilig auf vier Jahre berechnet, ergibt sich ein Profit von € 27.512,25.
Wird der anteilige Gesamtimpact von € 27.512,25 den Investitionen in Höhe von € 25.381 gegenübergestellt, so ergibt – zusätzlich zum Basis SROI-Wert von 0,92 ein Social Return on Investment-Wert von 1,08. Dies bedeutet, dass jeder investierte Euro zusätzliche Wirkungen im monetarisierten Gegenwert von 1,08 Euro schafft. Im Zukunftsszenario II profitiert vor allem die öffentliche Hand, da Sozialleistungen eingespart werden.
Die Organisation „Three Coins“, beschreibt sich selbst auf ihrer Homepage wie folgt: „Wir sind nun ein Sozialunternehmen mit Sitz in Wien und arbeiten an Produkten, welche Finanzkompetenz in verschiedenen Altersgruppen schult. Unser Think Tank generiert neues Wissen und Expertise zu Finanzbildung mit Fokus auf Zentral- und Osteuropa. Während es in den USA, Australien, Großbritannien oder Japan bereits zahlreiche Initiativen zu Finanzkompetenz gibt, zählen wir in Zentral- und Osteuropa zu den ersten in diesem Bereich“ (Three Coins 2014).
Seit Ende April 2014 haben über 16.000 Jugendliche das Spiel „Cure Runners“ gespielt.
Die Studie zeigt die vielfältigen Aufgaben und Tätigkeiten auf, welche von „Three Coins“ erbracht werden. Als Stakeholder wurden hierbei folgende Gruppen identifiziert:
Jugendliche
Schuldenberatungen
Sozialeinrichtungen
MitarbeiterInnen
Scientific Community
SpenderInnen
Öffentliche Hand
LieferantInnen
EigentümerInnen
Zusammengefasst hat die Three Coins GmbH im zweiten Jahr ihres Bestehens bereits wichtige Wirkungen erzielt. Die relativ hohen Investitionen in die Spielentwicklung werden aber erst in Zukunft Wirkungen entfalten. Betrachtet man die Berechnung der Zukunftsszenarien wird deutlich klar, dass sich die im Jahr 2013 erfolgen Investitionen bereits ab dem /der ersten Jugendlichen rechnen, bei welchem/welcher ein Privatkonkurs und die damit zusammenhängende Einkommenspfändung verhindert wird.
Nach den geführten Interviews mit den unterschiedlichen ExpertInnen und Stakeholdern kann gesagt werden, dass Spiele definitiv eine Wirkung hervorrufen können, in welcher Form ist jedoch mit dem Wissen der bisherigen Forschung zu Financial Literacy und Serious Games, nur schwer zu beantworten. Durch Spiele kann das Interesse von Jugendlichen für das Thema Finanzen und Schuldenprävention geweckt werden, da es sich herausgestellt hat, dass die Zielgruppe der Jugendlichen auf bisherige Präventionsmaßnahmen nur kaum anspricht. Der Versuch der Organisation „Three Coins“ die Jugendlichen in Form eines Spieles zu dieser Thematik zu sensibilisieren ist sehr innovativ und laut den VertreterInnen der unterschiedlichen Stakeholdergruppen eine verfolgenswerte und förderungswürdige Initiative. Dies zeigt sich vor allem darin, dass die Präventionsabteilungen der Schuldenberatungen sowie die Öffentliche Hand von der Initiative der Three Coins GmbH überzeugt sind und sowohl das Know-How der Schuldenberatungen als auch Förderungen von Seiten der Öffentliche Hand, der Organisation „Three Coins“ zur Verfügung gestellt werden.