SROI-Analyse: Schuldnerberatungen in Österreich
Das NPO-Kompetenzzentrum der Wirtschaftsuniversität Wien wurde von der Dachorganisation der staatlich anerkannten Schuldenberatungen beauftragt, die sozialen und wirtschaftlichen Wirkungen der in Österreich tätigen staatlich anerkannten Schuldenberatungen darzustellen. Die Analyse umfasst ausschließlich die staatlich anerkannten Schuldenberatungen und dort den Bereich Schuldenberatung ohne Prävention. Der Beobachtungszeitraum bezieht sich auf das Jahr 2011.
Die Evaluation erfolgt mittels einer Social Return on Investment (SROI)-Analyse, deren Ziel es ist, den durch die staatlich anerkannten Schuldenberatungen geschaffenen gesellschaftlichen Mehrwert möglichst umfassend zu erfassen und zu bewerten. Die Methode will neben den finanziellen, explizit auch die sozialen Wirkungen der Organisationen messen. Die vorliegende Analyse basiert auf dem Modell der new economic foundation (nef). Demzufolge werden zu Beginn die wichtigsten Stakeholder identifiziert. Danach wird der investierte Input, dem erzielten Output sowie dem Outcome (Wirkungen) je Stakeholder in einer Impact Value Chain gegenübergestellt. Im Anschluss gilt es die identifizierten Wirkungen in geeignete Indikatoren zu übersetzen und diese mit Daten zu belegen, um schlussendlich den SROI-Wert berechnen zu können. Abzuziehen sind jene Wirkungen, die auch ohne die Aktivitäten der Organisationen zustande gekommen wären (=„Deadweight“).
Als Alternativszenario wird angenommen, dass es im Beobachtungszeitraum keine staatlich anerkannte Schuldenberatung in Österreich gibt. Die KlientInnen hätten entweder selbst zurechtkommen oder andere (zum Betrachtungszeitpunkt existierende) Dienstleistungen bzw. informelle Hilfe in Anspruch nehmen müssen. AlternativanbieterInnen können nur im Rahmen freier Kapazitäten genutzt werden – das Szenario berücksichtigt nicht den Aufbau zusätzlicher Kapazitäten.
Insgesamt ergeben sich auf Basis der hier durchgeführten Erhebungen und Berechnungen für das Jahr 2011 monetarisierte Wirkungen in der Höhe von rund 60 Mio. Euro. Demgegenüber stehen Investitionen von hochgerechnet 11 Mio. Euro, die insbesondere aus Zahlungen der öffentlichen Hand bestehen.
Wird der Gesamtprofit auf die Gesamtinvestitionen in die Schuldenberatungen bezogen, ergibt dies einen SROI-Wert von 5,3. Dies bedeutet, dass jeder 2011 in die staatlich anerkannten Schuldenberatungen investierte Euro Wirkungen im monetarisierten Gegenwert von 5,3 Euro schafft.
Tabelle 1: Investitionen und Profite der staatlich anerkannten Schuldenberatungen in Österreich 2011 – Gesamtbetrachtung
Der größte Nutzen kommt – wenig überraschend - den KlientInnen zugute, die in verschiedener Weise von der Schuldenberatung profitieren. Der größte Effekt (rund 31 Mio. Euro) wird durch langfristige Einkommensgewinne nach Tilgung der Schulden erzielt. Diese Wirkung wird vor allem durch die Möglichkeit der Durchführung eines Schuldenregulierungsverfahrens gewährleistet. Bei den Berechnungen wurde anhand verschiedener Handlungsalternativen davon ausgegangen, dass ein Anteil der KlientInnen ohne Unterstützung der Schuldenberatungen langfristig kein SRV durchführen würde. Bei anderen KlientInnen würde es zu einer Verzögerung von sechs Monaten bis zu drei Jahren kommen. Andere Wirkungen der Schuldenberatungen umfassen Verbesserungen in Bezug auf Gesundheit, allgemeines Wohlbefinden, soziale Beziehungen und den Umgang mit Geld. Auch für die nahen Angehörigen wurde ein entsprechender Nutzen berechnet.
Die Schuldenberatungen unterstützen die KlientInnen dabei, alle in Zusammenhang mit der Überschuldung stehenden Probleme zu bewältigen und Lösungsmöglichkeiten zu entwickeln. Dazu zählt auch der Erhalt bzw. das Finden einer Erwerbsarbeit. Zwar leisten die Schuldenberatungen keine unmittelbare Jobvermittlung, die Erwerbstätigkeit spielt bei der Lösung der Probleme aber eine zentrale Rolle. Tatsächlich zeigte sich, dass ein signifikanter Anteil an KlientInnen zwischen Anfangsberatung und Endberatung eine Erwerbsbeschäftigung aufnahm und dies teilweise auch auf die Schuldenberatungen zurückführte. Daraus erzielte Effekte wurden den Sozialversicherungsträgern und der öffentlichen Hand zugeschrieben, die durch zusätzliche Sozialversicherungsbeiträge und Steuern profitieren und andererseits weniger Ausgaben in Form von Arbeitslosengeld, Notstandshilfe und Mindestsicherung zu leisten haben. Auch hier wurden die KlientInnen auf Basis des Einkommens fünf Handlungsalternativen zugeordnet, die beschreiben, welche Konsequenzen es hätte, würde es die Schuldenberatungen in dieser Form nicht geben. Starke Auswirkungen zeigen sich vor allem für jene Gruppe, die ohne die Bewältigung der Schuldenprobleme langfristig keiner Erwerbsbeschäftigung nachgehen würde. Im Rahmen der Beratung unterstützen die Schuldenberatungen die KlientInnen dabei, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen, was zur Folge hat, dass weniger Sozialleistungen in Anspruch genommen werden. Berücksichtigt wurde bei den Berechnungen die geringere Inanspruchnahme von betreuten Wohneinrichtungen und Unterhaltsvorschüssen.
Auch Arbeitgeber von SchuldnerInnen erzielen einen Nutzen aus der Schuldenberatung. Einerseits hat die Entlastung der KlientInnen der Schuldenberatungen durch die Lösung des Überschuldungsproblems positive Auswirkungen auf deren Produktivität, die durch die Stresssituation häufig leidet, andererseits stellen die Schuldenberatungen kompetente Ansprechpartner für die Arbeitgeber in Sachen Lohnverrechnung dar.
Die MitarbeiterInnen der Schuldenberatungen profitieren ebenfalls von diesen. Sie haben zunächst einmal eine feste Beschäftigung und fixes Erwerbseinkommen. Im Rahmen der Stakeholder-Interviews wurden zudem positive Gefühle (Erfüllung, etwas Gutes tun), erweiterte Kompetenz und Know-How Gewinn sowie ein angenehmes Arbeitsklima als positive Wirkungen genannt. Ein hoher Deadweight von 93,3% hat zur Folge, dass diese Wirkung in Summe relativ gering ist, weil davon ausgegangen werden muss, dass ein Großteil der MitarbeiterInnen auch ohne Schuldenberatungen eine ähnliche Erwerbsbeschäftigung finden würde.
In Bezug auf die Treuhänder kommt zum Tragen, dass durch die Schuldenberatungen die Zahl der Schuldenregulierungsverfahren und damit auch jene der Abschöpfungsverfahren steigt, was einen gesteigerten Umsatz für diese zur Folge hat, gleiches gilt für die InsolvenzverwalterInnen.
Für verschiedenste Stakeholder, wie Sozialeinrichtungen, GläubigerInnen und Bezirksgerichte stellt die Schuldenberatung einen kompetenten Ansprechpartner dar, was ebenfalls in die Berechnungen aufgenommen wurde. Ihr Anteil am Gesamtprofit liegt jeweils unter 1%.
Zusammengefasst sind die in Österreich tätigen staatlich anerkannten Schuldenberatungen sehr wirkungsvoll. Ihre monetarisierten Wirkungen, bezogen auf das Jahr 2011, waren mehr als 5 Mal so hoch wie die getätigten finanziellen Investitionen.
Am 13. Juni 2013 fand im Café Landtmann ein
Pressefrühstück BM Hundstorfer
statt. Die Studienleiterin Mag. Eva More-Hollerweger präsentierte die Endergebnisse der Studie zum gesellschaftlichen und ökonomischen Nutzen der Schuldnerberatungen in Österreich mittels einer SROI-Analyse.Presseberichte:
STANDARD: 55.000 Schuldner suchen Beratung von 13.06.2013
KURIER: Jobverlust ist die häufigste Schuldenfalle“ von 13.06.2013
ORF NEWS Über 55.000 Personen waren 2012 bei Schuldnerberatung von 13.06.2013
Kontakt:
Mag.a Eva More-Hollerweger
Projektleiterin
Senior Researcherin
Tel.: (01) 313 36/5885
E-Mail: eva.more@wu.ac.at