NPO-Institut (Verein)

Vereins und Steuerrecht

Zum Ablauf einer Mitgliederversammlung
von Thomas Höhne

Wenn sich die Versammlung nicht auf einen überschaubar kleinen Kreis beschränkt, so sind Zugangskontrollen sinnvoll. Mitarbeiter des Vereins, mit einer Liste der stimm- bzw. teilnahmeberechtigten Mitglieder ausgerüstet, postieren sich am Eingang des Versammlungslokals und lassen, wenn keine Gäste zugelassen sind, nur die Teilnahmeberechtigten ein und stellen gleichzeitig fest, wer da ist. Dies ist für die spätere Abklärung der Gültigkeit von Beschlüssen von wesentlicher Bedeutung. Bewährt hat sich auch die Vorbereitung von Stimmkarten, die nur an stimmberechtigte Mitglieder ausgefolgt werden. Weist jemand Stimmrechtsvollmachten für andere nach, so bekommt er Stimmkarten in entsprechender Anzahl (natürlich immer, soweit die Stauten dies zulassen – Beschränkungen der zulässigen Zahl übernommener Stimmen sind nicht selten).

Sollten laut Statuten nur Mitglieder teilnahmeberechtigt sein, die ihren Mitgliedsbeitrag bis zu einem bestimmten Stichtag bezahlt haben, so müssen die „Kontrolllore“ natürlich auch aus ihrer Liste ersehen können, wer den Mitgliedsbeitrag rechtzeitig bezahlt hat.

Was tun mit ungebetenen Gästen? In eigenen Räumlichkeiten sowieso, aber auch in einem für die Versammlung angemieteten oder unentgeltlich überlassenen Lokal eines Dritten (zB einer Gastwirtschaft) hat der Verein das Hausrecht, das durch die Versammlungsleitung ausgeübt wird. Wer nicht teilnahmeberechtigt ist, kann hinausgewiesen werden, was auch schon einmal schwierig werden kann – unter anderem deswegen empfehlen sich Zugangskontrollen!

Zur Protokollierung sagt das VerG nichts und geht offenbar davon aus, dass die Vereine selbst so schlau sind, daran zu denken, dass zumindest die Protokollierung von Beschlussfassungen und Wahlen zur späteren Nachvollziehbarkeit notwendig ist. Hoffentlich sind sie es; entsprechende Bestimmungen in einer Geschäftsordnung sind sinnvoll. A propos: Geklärt sollte auch werden, ob und in welcher Form die Protokolle den Mitgliedern zugänglich sind. Sinnvoll ist eine Veröffentlichung auf der Vereins-Website, vielleicht auf den Nutzerkreis der Mitglieder beschränkt.

Soll die Mitgliederversammlung auf Tonband oder ähnlichen Trägern aufgenommen werden, so muss dies den Teilnehmern jedenfalls mitgeteilt werden. Da ein solcher Mitschnitt aber die Persönlichkeitssphäre berührt, ist, wenn die Mehrheit dies wünscht, darüber beschlussmäßig abzustimmen. Ist die Mehrheit für eine derartige Aufzeichnung, dann wird die Minderheit dies zu akzeptieren haben. Modifikationen, wie etwa, dass es dem Leitungsorgan untersagt ist, diesen Mitschnitt anders als zur Hilfestellung bei der Protokollierung zu verwenden, sind möglich. Selbst wenn der Mitschnitt beschlossen wird, ist immer noch fraglich, ob der einzelne Redner verlangen kann, dass sein Redebeitrag nicht mitgeschnitten wird. Im Sinne der informationellen Selbstbestimmung bzw. des Datenschutzes wird der Betreffende jedenfalls in berücksichtigungswürdigen Einzelfällen verlangen können, dass sein Beitrag nur schriftlich, nicht aber akustisch aufgenommen und gespeichert wird.1191 Auf dieses Recht hat der Versammlungsleiter zu Beginn hinzuweisen.

Da die Zahl der Menschen zunimmt, die vergessen haben, dass man sich auch merken kann, was man sieht, und daher mit ihren Smartphones permanent mitfilmen, müssen wir wohl auch zwei Worte zum Mitfilmen auf der Vereinsversammlung sagen. Diese lauten: lieber nicht. Mit Foto und Video werden personenbezogene Daten der Abgebildeten verarbeitet. Nun werden zwar rein private Aufnahmen von der DSGVO nicht erfasst, sobald die Aufnahme aber auf einer öffentlich zugänglichen Website oder in den sozialen Netzwerken auftaucht und dort wahrscheinlich den privaten Bereich verlässt, stellt dies eine unzulässige Datenverarbeitung dar – sofern die Betroffenen nicht eingewilligt haben (aber diese Einwilligung ist widerrufbar!).

Wer die Versammlung leitet, hat erheblichen strategischen Einfluss. Sinnvollerweise werden die Statuten regeln, wessen Aufgabe dies ist. Der Mitgliederversammlung bleibt es aber unbenommen, einen anderen Versammlungsleiter zu wählen, wenn es schwerwiegende Gründe dafür gibt, dem von der Satzung vorgesehenen Versammlungsleiter das Heft aus der Hand zu nehmen.

Aufgabe des Versammlungsleiters ist es, dafür zu sorgen, dass die Tagesordnung sachgerecht abgearbeitet wird; daher hat er zur Erreichung dieser Ziele alle Befugnisse, die er dafür braucht. Er öffnet und schließt die Versammlung und kann sie erforderlichenfalls auch unterbrechen (nicht aber vertagen, dies bedürfte eines Beschlusses der Versammlung). Er kann, wenn dies sachgerecht ist, die Reihenfolge von Tagesordnungspunkten ändern – dagegen kann allerdings jederzeit ein Antrag zur Geschäftsordnung gestellt werden, mit dem die Versammlung aufgefordert wird, eine bestimmte Reihenfolge zu beschließen, an die sich dann auch der Versammlungsleiter zu halten hat. Da es seine Aufgabe ist, dafür zu sorgen, dass die Tagesordnung abgearbeitet wird, kann er weder einzelne Tagesordnungspunkte fallen lassen, noch (außer in gravierenden Ausnahmefällen, wenn etwa die Versammlung in Chaos ausartet, dessen er nicht mehr Herr wird) die Versammlung vor Erledigung aller Punkte schließen. Seine Aufgabe ist es auch, ordnungsgemäß eingebrachte Anträge zur Abstimmung zu bringen; keinesfalls kann er willkürlich entscheiden, über einen Antrag nicht abstimmen zu lassen. Unbenommen bleibt ihm aber, dafür zu sorgen, dass Anträge den dafür relevanten Tagesordnungspunkten zugeordnet werden.

Dem Vorsitzenden steht auch ein Eingriff in das Rederecht der Mitglieder zu: Er kann, wenn sich abzeichnet, dass die Versammlung sonst nicht in akzeptabler Zeit zu Ende zu bringen ist, eine Redezeitbeschränkung verfügen, die grundsätzlich für alle Teilnehmer gleich zu gelten hat, wenn es auch zulässig (und wohl auch erforderlich) sein wird, Antragstellern ausreichend Zeit zur Begründung ihres Antrags einzuräumen. Aus demselben Grund kann er die Schließung der Rednerliste verfügen. Dann müssen sich alle melden, die zu einem bestimmten Punkt noch etwas zu sagen haben, diese Wortmeldungen kommen auf die Liste, und nach Abarbeitung dieser Liste ist die Debatte beendet. Ist absehbar, dass weder eine allgemeine Redezeitbeschränkung noch eine Schließung der Rednerliste zum Ziel der rechtzeitigen Beendigung der Versammlung führen kann, kann der Vorsitzende auch den Schluss der Debatte verfügen, sofern dadurch eine sachliche Diskussion nicht schon im Keim erstickt wird.

Der Versammlungsleiter kann auch Ordnungsmaßnahmen gegen einzelne Mitglieder verfügen: Entfernt sich ein Redner allzu sehr vom Tagesordnungspunkt, beleidigt er andere Personen oder überbeansprucht er sein Rederecht exzessiv, so kann ihm der Versammlungsleiter nach entsprechender Mahnung das Wort entziehen.

Anzuraten ist, dass sich die Versammlungsleitung von Aufgaben wie der Feststellung der Anwesenden oder der Stimmenzählung freihält, um uneingeschränkt ihrer Leitungsfunktion nachkommen zu können. Eine Geschäftsordnung der Mitgliederversammlung, die detailliert regelt, wie Beschlussfassungen und Wahlen abzulaufen haben, in welcher Abfolge Haupt-, Ergänzungs- und Gegenanträge abgestimmt werden, wie abzustimmen ist (offen oder geheim, schriftlich, mit Stimmkarten oder durch Handzeichen) und wie die Stimmen gezählt werden, entlastet die Versammlungsleitung von der Aufgabe, jedes Mal das Rad neu erfinden zu müssen.

Die Mitgliederversammlung kann im Einzelfall beschließen, ob offen oder geheim abgestimmt wird, und so auch eine allfällige Geschäftsordnung „overrulen“; auf geheime Abstimmung gibt es allerdings keinen individuellen Anspruch – auch wenn ein Einzelner sich bei offener Abstimmung unter Druck gesetzt fühlen mag. Oft besteht Unklarheit darüber, wie Stimmenthaltungen zu werten sind. Sagen Statuten oder Geschäftsordnung nichts dazu, so sind Enthaltungen jedenfalls weder den Pro- noch den Kontra-Stimmen zuzurechnen

Da Vereinsversammlungen gelegentlich zu Chaos neigen, ist es wesentlich, auch deren Beendigung zu definieren. Die Versammlung ist zu Ende, wenn sie von der Versammlungsleitung als beendet erklärt wird. Alles, was nachher noch passiert, insbesondere allfällig gefasste Beschlüsse, hat keinen verbindlichen Charakter mehr. Die Versammlungsleitung ist allerdings verpflichtet, die vorgesehene Tagesordnung „abzuarbeiten“. Schließt sie die Versammlung vorzeitig, so muss sie einen Termin zur Fortsetzung anberaumen. Tut sie dies nicht, so sind die statutarischen und gesetzlichen Mittel auszuschöpfen, um dies zu erzwingen.

Nur bei offenkundig willkürlichem, vorzeitigem Abbruch der Versammlung können die Anwesenden – unter der wesentlichen Voraussetzung, dass sich ihre Zahl nicht signifikant verringert hat – die Fortsetzung beschließen und einen neuen Versammlungsleiter wählen. Gerade in einem solchen Fall ist die sorgfältige Protokollierung der Ereignisse erforderlich, da die Wahrscheinlichkeit einer nachfolgenden streitigen Auseinandersetzung groß ist.

Thomas Höhne
Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte - www.h-i-p.at
Aktuelle Informationen unter: www.vereinsrecht.at