Otto Valentin
An der Peripherie von Wien, wo der Bezirk Donaustadt in das wilde Lobau-Gebiet übergeht, entstand Otto Valentins Buch „Überwindung des Totalitarismus“
Otto Valentin (1898-1969) kam als Sohn einer Wiener Beamtenfamilie zur Welt. Sein Vater arbeitete bis zu seinem frühen Ableben 1902 im k. u. k. Handelsministerium. Die Mutter mit den drei Kindern fand in der Folge Aufnahme bei Verwandten im Kronland Böhmen. Im Anschluss an die Schulausbildung begann der junge Valentin eine kaufmännische Lehre im Bereich der Korksteinerzeugung in Aussig (Ústí nad Labem), wo er auch die Zeit des Ersten Weltkrieges überdauerte.
(Bildquelle: Unbekannter Zeichner, Pierre Ramus-Archiv, Wien)
Unmittelbar nach dem Krieg im öffentlichen Dienst beschäftigt, übernahm er 1921 den Chefsessel des kaufmännischen Büros in der Maschinenfabrik der Gebrüder Brode. In den 1920er Jahren begann er sich auch für die Wirtschaftslehre Silvio Gesells zu interessieren und so knüpfte er europaweit Kontakte zu Anhängern der Freiwirtschaft, wobei er ein Naheverhältnis zum späteren Mitbegründer des Schweizer Wirtschaftrings (WIR) Werner Zimmermann entwickelte. Valentin wollte die Erörterung ökonomischer Problemlagen nicht allein auf einen kleinen Kreis beschränkt wissen, sodass er sich alsbald als Wirtschaftspublizist betätigte. Auch nach Eheschließung und Familiengründung 1931 war er vortragsmäßig oft unterwegs und veröffentlichte Beiträge in verschiedenen Zeitschriften. Während des Zweiten Weltkrieges, im Jahr 1940, trat er eine Stelle als Leiter des Statistikbüros der Sudetenländischen Treibstoffwerke A.G. (Sutag) an. Der Betrieb war nach der Besetzung Tschechiens durch die deutsche Wehrmacht 1939 errichtet worden, um aus der Braunkohle nahe gelegener Gruben synthetischen Treibstoff zu gewinnen. 1942 wurde mit der Benzinherstellung begonnen, 1943 mit der Dieselerzeugung. In der Produktion kamen auch Zwangsarbeitskräfte zum Einsatz (überwiegend Kriegsgefangene, ab September 1944 auch KZ-Häftlinge). Zu Jahresbeginn 1945 wurde das Werk durch Bombenangriffe schwer beschädigt, sodass eine Wiederaufnahme des Betriebes verunmöglicht war. Nach der Aussiedlung der sogenannten Sudetendeutschen aus der Tschechoslowakei als Folge des Krieges landete Valentin mitsamt seiner Familie wieder in Wien, wo er 1946 am Stadtrand ein Haus bezog und sich landwirtschaftlich zu betätigen begann. Daneben arbeitete er an seinem Buchprojekt sowie an diversen Beiträgen, die u. a. in der bürgerlichen Tageszeitung „Die Presse“ erschienen. Weiterhin pflegte er seine Beziehungen zur internationalen Freiwirtschaftsszene. Sein Buch „Überwindung des Totalitarismus“ erschien im Verlag Hugo Mayer in Dornbirn im Jahr 1952. Darin beschäftigt er sich mit den Grundsätzen ökonomischer Gerechtigkeit, mit dem Problem wirtschaftlicher Macht, mit der Krisenhaftigkeit der modernen Ökonomie und mit dem Phänomen der Arbeitslosigkeit, wobei er das vorgestellte freiwirtschaftliche Programm mit den Konzepten vergleichbarer oppositioneller Sozialmilieus kontrastiert (z. B. mit Pierre Ramusʼ Bodentheorie). Eine seiner Hauptthesen lautet sinngemäß: In der Krise wird die Herde zur Horde und damit anfällig für totalitäre Ideologien. In den freiwirtschaftsorientierten Zirkeln in Österreich wurde das Buch als wesentliches Grundlagenwerk gepriesen. Zu Beginn der 1950er Jahre übersiedelte Valentin mitsamt seiner Familie ins vorarlbergische Hard am Bodensee, wo er in den Chemiewerken Dr. G. Eberle als Bilanzbuchhalter Aufnahme fand. Bald jedoch zwang ihn eine schwere Erkrankung zum vollständigen Rückzug aus all seinen Tätigkeitsfeldern.
Literatur:
Gerhard Valentin: Otto Valentin (1898-1969), in: Otto Valentin: Die Lösung der sozialen Frage oder: Überwindung des Totalitarismus, 117 f. Internetquelle: humanwirtschaftspartei.de/wp-content/uploads/2014/11/loesung_der_sozialen_frage-nd-2.pdf [6. März 2017].
Otto Valentin: George – Sitte – Gesell. Kritik der von Richard Frank eingebrachten Vorschläge zur Steuerreform, Wien 1949, vervielfältigtes Manuskript. Pierre Ramus-Archiv, Wien.
Otto Valentin: Freiwirtschaftlicher Sozialismus. Warum alle bisherige Politik versagen musste, Linz, etwa 1950.
Otto Valentin: Überwindung des Totalitarismus, Dornbirn 1952.