Außenansicht des D3 und des AD Gebäudes

Österreichischer Freiwirtschaftsbund

Ein erstes Lebenszeichen des Österreichischen Freiwirtschaftsbundes: Flugblatt, Wien 1922

Die Entstehung des Österreichischen Freiwirtschaftsbundes 1922 als eine Art währungstheoretische Pressure-Group erklärt sich wesentlich aus schwierigen ökonomischen Umfeldbedingungen. Da die Rüstungsfinanzierung zwischen 1914 und 1918 zu einem erheblichen Teil über die Banknotenpresse erfolgt war, gehörte der Wertverlust des Geldes zu den dramatischen Folgewirkungen des Krieges. Staatliche Zuschüsse in die verschiedensten Bereiche ließen den Bedarf an monetären Mitteln auch nach der Wiederherstellung friedlicher Verhältnisse nicht geringer werden. 1922 strebte der Inflationsgalopp einem Höhepunkt zu. Im Herbst des Jahres besaß die Krone nur mehr 1/15.000 ihrer ursprünglichen Parität.
(Bildquelle: Flugblatt, Pierre Ramus-Archiv, Wien)

Hinsichtlich einer Währungssanierung standen einander zwei Denkschulen gegenüber. Während die eine für eine Vermögensabgabe warb – ein Vorschlag Silvio Gesells während seiner Zeit als Finanzkommissar in Bayern 1919 –, plädierte die andere für eine Außenverschuldung. Mit der Genfer Anleihe entschied sich die politische Führung Österreichs für die zweite Variante, wobei damit jedoch wichtige wirtschaftspolitische Eingriffsmöglichkeiten aus der Hand gegeben wurden. Der Freiwirtschaftsbund trat programmatisch dafür ein, unter Aufsicht nichtstaatlicher Einrichtungen (vorzugsweise der Gewerkschaften) ein Währungsamt zu gründen, das ohne Zugriffsmöglichkeit des öffentlichen Sektors die Notenausgabe übernimmt. Die Geldpolitik sollte dahingehend ausgestaltet sein, dass sich die Ausgabe von Banknoten am Index der Warenpreise orientiert (Festwährung). Zusätzlich sollte das in den Verkehr gebrachte Geld einem regelmäßigen kleinen Nennwertverlust unterworfen sein (Freigeld). Die Forderung nach Abschaffung jeglichen Sondereigentums im Bereich von Grund und Boden entsprach dem Freiland-Postulat. Ausdrücklich wandte man sich gegen den „nationalistischen Geist“: Die vorgeschlagenen Reformen sollten nicht von einzelnen Staaten im Alleingang, sondern von Staatengemeinschaften im Gleichschritt in Angriff genommen werden. Erster Obmann des Freiwirtschaftsbundes wurde Ludwig Bock (1881-1947), der auch als leitender Redakteur der „Blätter für Natürliche Wirtschaftsordnung“ auftrat. Berichtet wurde darin u. a. über die (wenig ergiebigen) Korrespondenzen österreichischer Freiwirtschaftsbewegter mit öffentlichen Stellen. Die „Blätter“ erschienen erstmals im Juni 1922 und wurden in den 1930er Jahren durch die in Westösterreich aufgelegte „Freiwirtschaft“ ersetzt. Als neuer Herausgeber trat der Bauingenieur Anton Dietl auf. Die soziale Basis des Bundes rekrutierte sich vor allem aus einem mittelständischen Milieu mit alternativ-lebensreformerischen Neigungen. Angehörige des öffentlichen Dienstes gehörten ebenso dazu wie Pädagogen und Vertreter der technischen Intelligenz. Neben Ortsgruppen in Wien und in Innsbruck wurde ein Netz von Vertrauensleuten in Niederösterreich und in der Steiermark aufgebaut. Auslandsverbindungen des Bundes bestanden nach Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Jugoslawien, Rumänien, in die Schweiz und in die Tschechoslowakei. In den 1930er Jahren wurde der Bund in Österreichischer Freiwirtschaftsverband. Bund für krisenlose Volkswirtschaft umbenannt. Das Verbandsorgan trug nun den Titel „Freiwirtschaft. Österreichische freiwirtschaftliche Zeitung“.

Literatur:
  • Gerhard Senft: Chronik einer Legende. Die Freiwirtschaftsbewegung in Österreich, in: Zeitschrift für Sozialökonomie, (28) 91/1991, 19-21.